Schwurgerichtsprozesse:Die spektakulärsten Fälle

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Lange Haftstrafen und nur ein einziger Freispruch

Von Susi Wimmer

Am Abend zuvor zog sie ein weißes Kleid an und tanzte durch ihre Wohnung in Obergiesing. So als ob sie geahnt hätte, dass sie der Rache ihres gewalttätigen Ehemannes nicht entkommen konnte. Sampre B. wurde nur 29 Jahre alt. Sie hatte sich verzweifelt gegen ihren brutalen Mann zur Wehr gesetzt, mit Trennung, Kontaktverbot, allen rechtlichen Mitteln. Er lauerte ihr im Oktober 2013 im Treppenhaus auf und erstach die Mutter von zwei kleinen Kindern. Das Gewaltschutzgesetz hatte nicht gegriffen, "derartige Stalking-Fälle sind schon sehr belastend", sagt Höhne. Er verurteilte Taifoun A. zu einer lebenslangen Haftstrafe und stellte die besondere Schwere der Schuld fest.

Dass es trotz allem Ernst der Lage beim Ermitteln auch mal ziemlich bizarr zugehen kann, erfuhr Michael Höhne als Kapitalverbrechen-Staatsanwalt. Im so genannten "Mallorca-Mord" etwa kämpfte einer der Ermittler gegen Flugangst, der andere vor Ort mit einer Fischvergiftung und Höhne und seine Mitstreiter mussten etliche Schnapsgläser mit den einheimischen Ermittlern kippen, um an den "Tatort" zu gelangen: Ein Schiff, auf dem ein Münchner Geschäftsmann im Dezember 1995 seinen Kompagnon betäubt, erschossen und die Leiche im Meer versenkt hatte.

Eine Frau fesselt beim Liebesspiel in ihrem Häuschen in Haar auf Wunsch ihren Freund ans Bett, er selbst zieht sich noch eine abgedunkelte Schwimmbrille über. Dann greift Gabi P. zur Handkreissäge, die wegen Umbauarbeiten neben dem Bett im Dachgeschoss liegt, und setzt sie dem Mann an die Kehle. Ein heimtückischer Mord? Mitnichten. Das Opfer, so urteilte die erste große Strafkammer, sei arg- und wehrlos gewesen, habe sich aber selbst verteidigungsunfähig machen lassen. Man habe Gabi P. nicht nachweisen können, dass sie bei der Fesselung bereits mit Tötungsabsicht gehandelt habe. Im Mai 2017 trat die Verurteilte eine zwölfeinhalb-jährige Haftstrafe an.

Für die Frauen sollte es der schönste Tag im Leben werden: die Geburt ihres Kindes. Vertrauensvoll begaben sie sich in die Hände der Ärzte in Bad Soden und am Klinikum Großhadern in München, doch fast hätten sie "den schönsten Tag" nicht überlebt. Denn die Hebamme Regina K. hatte "aus Frust über ihren Beruf" den werdenden Müttern vor der Geburt den Blutverdünner Heparin in die Infusion gespritzt. Die Strafkammer verurteilte die Frau wegen siebenfachen versuchten Mordes zu einer 15-jährigen Haftstrafe und einem lebenslänglichen Berufsverbot.

Als "besonders tragisch" empfand Michael Höhne auch den Fall des 36-jährigen Familienvaters und Managers Dirk P., der im Internet seinen Audi A 8 für 53 000 Euro zum Verkauf angeboten hatte. Rainer H. meldete sich mit falschem Namen als Interessent, lotste sein Opfer in eine Garage und tötete es mit 13 Schüssen. Der Täter handelte aus Habgier, hatte die Tat von langer Hand vorbereitet - Dirk P. war ein Zufallsopfer.

Wenn die Indizienkette nicht ausreicht, dann urteilt das Gericht "in dubio pro reo" - im Zweifel für den Angeklagten. So war es im Fall von Mohamed E.: Die Schwurgerichtskammer sah es nicht als erwiesen an, dass der Mann im November 2016 aus Frust über die schlimmen Zustände im Haus an der Dachauer Straße eine Matratze im Treppenhaus angezündet hatte. Bei dem Feuer starben ein Vater und seine beiden Töchter bei ihrem Fluchtversuch aus dem Dachgeschoss. Neben zwei Teilfreisprüchen war dies der einzige Freispruch in Höhnes Zeit als Schwurgerichtsvorsitzender. Man könne nicht mit Gewalt einen Täter präsentieren, auch wenn das für die Angehörigen unbefriedigend sei. Aber: "Einen Unschuldigen einzusperren, wäre die nächste Katastrophe."

© SZ vom 29.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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