Schwimmschule:"Ganz ohne" als Erfolgserlebnis

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Auch Erwachsene lernen das Schwimmen wie hier bei einem Kurs für Asylbewerber im Kirchseeoner Hallenbad mit Jürgen Puls. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Schon nach drei Stunden Anfängerkurs in München können sich die ersten Teilnehmer halbwegs über Wasser halten

Von Günther Knoll, München

Einfach eintauchen können sie nicht. Noch nicht. Denn die sechs Erwachsenen, fünf Frauen, ein Mann, die da in einem Schulschwimmbecken an der Gilmstraße am Westpark in München üben, eint, dass sie alle Nichtschwimmer sind. Und: dass sie das nicht an die große Glocke hängen wollen. Deshalb sollen sie auch anonym bleiben in dieser Geschichte. Alle sechs arbeiten sie an ihrem Manko - mithilfe der Schwimmschule München und der Schwimmlehrerin Lamia Degner, die an diesem Abend für einen erkrankten Kollegen eingesprungen ist.

Und wie sie arbeiten: Jede Bahn quer durch das kleine Becken ist Anstrengung pur. Die jeweils acht geschafften Meter sind immer wieder ein Erfolgserlebnis. Jeder der sechs strahlt, wenn er wieder einmal den Beckenrand erreicht hat, jeder atmet aber auch erleichtert auf. Denn dass Schwimmen ein fast schwereloses Schweben im Wasser sein kann, dieses Gefühl kommt erst, wenn alle Ängste weg sind, alle Bewegungen automatisiert sind und das nasse Element vertraut ist. Lehrerin Lamia Degner macht es ihren Schützlingen immer wieder vor - die Arm- und Beintechnik des Brustschwimmens. Im Zweier- oder Dreier- Rhythmus, ruhig ein- und ruhig ausatmen, letzteres in der Gleitphase am besten schon unter Wasser und "schön langsam", wie die Übungsleiterin ständig wiederholt. Was so einfach aussieht, stellt hohe Ansprüche an die Motorik, an das Koordinationsvermögen, auch an den Mut.

Es ist erst die dritte Übungsstunde im Lehrschwimmbecken, in dem man überall stehen kann. Das Wasser ist warm, niemand stört die Übenden. Ideale Voraussetzungen also, um sich - im Wortsinn - freizuschwimmen. Am Beckenrand liegen die Hilfsmittel bereit, das Schwimmbrett, der Schwimmgürtel, die Schwimmnudel, eine etwa zehn Zentimeter dicke biegsame Plastikstange. Die Nudel trägt, stört aber bei den Armbewegungen und hemmt beim Vorwärtsgleiten. Aber sie gibt Sicherheit, ebenso wie der Gürtel.

"Ohne Angst" steht in der Kursbeschreibung für Anfänger. Offenbar haben diese ihre Vorbehalte gegen das Wasser in den ersten beiden Stunden schon stark abgebaut. Denn es bereitet ihnen keine Probleme, das Gesicht unter Wasser zu tauchen und dort auszuatmen. Auch die Brustschwimm-Bewegungen erscheinen ganz einfach, so lange man im Wasser steht und nur mit den Armen zu rudern braucht oder, auf dem Beckenrand liegend, die Beine anzieht und streckt. Doch dann wird es schwieriger: Degner ermuntert ihre Schüler, es einmal "ganz ohne" zu versuchen. Nicht alle trauen sich, die Lehrerin unterstützt - zur Not auch mit dem Fuß unterm Bauch - alle Versuche. Und einige schaffen es, Zug um Zug: Der Körper wird länger, die Bewegung lockerer, der Atem ruhiger.

Dem einzigen Mann der Sechser-Gruppe fällt es am schwersten, sich dem Wasser voll anzuvertrauen, doch er übt umso fleißiger und gerät dabei immer wieder in Gefahr zu verkrampfen. "Macht nichts", wird er später sagen, dann nehme er einfach noch einmal zehn Schwimmstunden. Ohne den Kurs würde er gar nicht üben, der verpflichte ihn wenigstens dazu. Zum Schluss sollen sie eine Längsbahn von fast 20 Metern versuchen. Am Rand wartet schon der nächste Kurs: "Kraul Fortgeschrittene". Für die im Wasser ist das noch ein Traumziel.

© SZ vom 22.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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