Schwer verletzt:Helfer ins Gesicht getreten

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39-Jähriger wollte bei Pöbelei gegen Flüchtlinge schlichten

Von Martin Bernstein, München

Er hat Zivilcourage gezeigt und bedrängten somalischen Flüchtlingen geholfen - und wurde danach selbst zum Opfer rassistischer Schläger. Ein 39-jähriger gebürtiger Münchner, selbst mit afrikanischen Wurzeln, ist am Freitagabend in Freimann von einer Gruppe junger Männer offenbar in eine Falle gelockt und mit einer Holzlatte niedergeschlagen worden. Anschließend traten die Angreifer brutal auf ihr am Boden liegendes Opfer ein, bis der Lagerist das Bewusstsein verlor. Mit schweren Gesichtsverletzungen liegt der Helfer jetzt in einem Krankenhaus. Der Staatsschutz der Münchner Polizei hat die Ermittlungen aufgenommen.

Die Attacke gegen den Lageristen ist, wenn sich die ersten Ermittlungsergebnisse der Polizei bestätigen, der schwerste ausländerfeindliche Übergriff in München seit Jahren. Der 39-jährige Schwarze war nach Angaben eines Polizeisprechers am Freitagabend gegen 22.45 Uhr mit einem Bus der Linie 171 an der Haltestelle in der Heidemannstraße angekommen. Auf dem Heimweg bemerkte er im Werner-Egk-Bogen einen größeren Personenpulk. Vier bis fünf Personen weißer Hautfarbe bedrängten eine weitere Gruppe, darunter zwei Frauen, die der Lagerist seinem Eindruck nach als Asylbewerber aus Somalia einstufte. Die Flüchtlinge wurden angepöbelt und mit ausländerfeindlichen Sprüchen bedroht, auch das Wort "Nigger" soll gefallen sein. Der Lagerist wollte helfen und forderte die Jugendlichen nach eigener Aussage auf, "die Leute aus Somalia in Ruhe zu lassen". Er hatte damit zunächst scheinbar Erfolg: Die Situation schien sich zu beruhigen, die Jugendlichen gingen davon. Kurz darauf bemerkte der Helfer jedoch, dass einer der 17 bis 20 Jahre alten jungen Männer neben ihm lief. Plötzlich entriss der Täter dem 39-Jährigen die Aktentasche und lief davon. Der Lagerist nahm die Verfolgung auf und rannte dabei in einen Hinterhof am Werner-Egk-Bogen 6. Dort gelang es ihm tatsächlich, den Flüchtenden einzuholen und die Tasche wieder an sich zu nehmen. Doch er war damit offenbar in eine Falle gegangen, die die Angreifer ihm gestellt hatten. Denn plötzlich kamen wie aus dem Nichts die Kumpane des Taschenräubers dazu und fielen über den Lageristen her. Der 39-Jährige kann sich laut Polizei nur noch erinnern, dass er mit einer Holzlatte niedergeschlagen wurde. Am Boden liegend erlitt er mehrere Tritte gegen sein Gesicht. Dann verlor er das Bewusstsein.

Ein Anwohner wurde durch den Lärm auf das Geschehen aufmerksam und verständigte die Polizei. Der Schwerverletzte kam in ein Krankenhaus. Dort wurden seine schweren Gesichtsverletzungen operiert. Gegen die vier unbekannten Täter wird vom Kriminalfachdezernat 4, zuständig für Staatsschutzdelikte, wegen gefährlicher Körperverletzung ermittelt. Die Beamten haben bereits Befragungen am Tatort durchgeführt und suchen jetzt Zeugen, die sich im Kommissariat 44, Telefon 089/2910-0, melden sollen.

Der Vorfall ist die brutalste ausländerfeindliche Attacke im Großraum München seit September. Damals hatten acht mutmaßlich rechtsradikale Täter mit Hämmern, einem Baseballschläger und einem Messer bewaffnet den Imbissladen eines Afghanen am Ebersberger S-Bahnhof überfallen und zwei Menschen verletzt. Auch diesem Überfall waren Pöbeleien gegen ausländisch aussehende Menschen vorausgegangen, die der Imbissbetreiber der Polizei gemeldet hatte.

Bei zwei weiteren von verschiedenen Gruppen verübten Gewalttaten in München wurde am Freitagabend binnen weniger Stunden ein Mann lebensgefährlich, ein weiterer Mann ebenfalls schwer verletzt. Alle drei Fälle wurden von der Polizei erst am Mittwoch öffentlich gemacht.

© SZ vom 14.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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