Schulterschluss:"Schaffen Sie Baurecht!"

Lesezeit: 2 min

Wegen des Wachstums appelliert Regierungspräsident Hillenbrand an die Kommunen, mehr Wohnungen zu errichten

Von Thomas Anlauf, Freising

Es soll ein bislang einzigartiger Schulterschluss werden: Die Landeshauptstadt, Landkreise, Städte und Gemeinden im Großraum München wollen eine gemeinsame Strategie entwickeln, um auf den starken Zuzug in der Boomregion zu reagieren. Auf einer dreitägigen Fachkonferenz in Freising diskutieren bis Mittwoch fast 250 Experten aus Politik und Verwaltung, aber auch Vertreter von Sozialverbänden und Wohnungsgesellschaften darüber, wie ausreichend bezahlbare Wohnungen geschaffen werden können. Dabei soll auch der Freistaat in die Pflicht genommen werden: Zum Auftakt der Konferenz wurde die Staatsregierung aufgefordert, ein auf fünf Jahre angelegtes Förderprogramm in Höhe von 800 Millionen Euro aufzulegen.

Der Großraum München wächst rasant. Im Mai knackte die Landeshauptstadt offiziell die Marke von 1,5 Millionen Einwohnern. "Wir haben einen Zuwachs von 25 000 Einwohnern pro Jahr, damit ist auch weiterhin zu rechnen", sagte Stadtdirektorin Angelika Simeth am Montag. Laut der jüngsten Prognose des Planungsreferats werden im Jahr 2030 deutlich mehr als 1,7 Millionen Menschen in München leben. Und das Umland wächst ebenfalls massiv. Christoph Hillenbrand, Regierungspräsident der Regierung von Oberbayern, rechnet mit 160 000 Menschen bis 2032, dazu kommen Tausende Flüchtlinge: Hillenbrand erwartet 7000 neu anerkannte Asylbewerber in Oberbayern in diesem Jahr. Er glaubt, dass in 18 Jahren im Regierungsbezirk Zehntausende anerkannte Flüchtlinge mehr leben werden. Deshalb sei "das Wichtigste eine starke Zunahme von geförderten Wohnungen". Der Regierungspräsident appellierte an die Kommunen: "Schaffen Sie Baurecht!"

Bezirkstagspräsident Josef Mederer bezeichnete die Lage am Wohnungsmarkt im Großraum München als brisant. Die Politik habe die Prognosen über die Bevölkerungsentwicklung ignoriert, nun müsse gemeinsam gehandelt werden: "Die Wohnungslosigkeit geht alle an", sagte Mederer. Tatsächlich hat sich die Wohnungslosigkeit in München seit Ende 2008 mehr als verdoppelt. Waren es damals 2400 Menschen, seien es mittlerweile 5300, sagte Bernd Schreyer vom Amt für Wohnen und Migration in München. "Wir haben derzeit 9000 Haushalte in der höchsten Dringlichkeitsstufe", betonte der Abteilungsleiter im Sozialreferat. Zugleich nehme die Zahl der geförderten Wohnungen immer mehr ab. Seit 1990 sei sie um 72 000 auf heute 40 000 geförderte Wohnungen gesunken. Schreyer sieht allein für München einen Bedarf von mindestens 120 000 neuen Wohnungen bis zum Jahr 2030, davon mindestens 45 000 Mietwohnungen im geförderten "bezahlbaren Wohnungs- und Genossenschaftsbau". Er forderte deshalb die größeren Städte und Gemeinden in der Region auf, Stadthäuser mit höherer Dichte zu bauen und nicht die Flächen zu zersiedeln.

Für Freisings Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher, der als Gastgeber neben der Stadt München und dem Bezirk Oberbayern zu der Tagung eingeladen hatte, ist eine deutliche Nachverdichtung der Domstadt mittlerweile eine klare Notwendigkeit. "Bei uns wird es klassischen Wohnbau mit Einfamilienhäusern nicht mehr geben", sagte Eschenbacher (Freisinger Mitte).

Bis Mittwoch wollen die Teilnehmer der Fachkonferenz konkrete Kooperationsprojekte erarbeiten, in einem "Freisinger Appell" soll für einen sogenannten Regionalen Gesamtplan geworben werden. In einem Visionspapier, das am Montag an alle Konferenzteilnehmer verteilt wurde, heißt es: "Mit der Entwicklung des Regionalen Gesamtplans wird das Ziel der Daseinsvorsorge insbesondere im Bereich Wohnen für die bestehende und zukünftige Bevölkerung der Großregion München und Großstadt München verfolgt." Ziel sei es, "ausreichend bezahlbaren Wohnraum für alle" zu schaffen.

© SZ vom 16.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: