Schulen und Kindertagesstätten im Corona-Modus:Das große Warten muss endlich aufhören

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Noch immer gibt es keinen Fahrplan für die Rückkehr aller Kinder. Warum eigentlich kümmert sich die Politik nicht stärker darum?

"Das große Wagnis" vom 10. Juni:

Schulen und Kindertagesstätten beklagen sich über Unsicherheit und nicht umsetzbare Vorgaben der Regierung. Gleichzeitig sprechen sie von "Normalbetrieb" - und bieten Eltern zwei bis vier Stunden Betreuung statt vorher acht oder zehn an. Sie beschweren sich, dass sie keine Vorgaben "von oben" bekämen. Information und Kommunikation hierzu: Fehlanzeige! Es ist zum Heulen...

"Das große Wagnis" nennt es die Süddeutsche: Kinder wieder hinein in Schulen und Kitas. Gruppengröße fünf, zehn oder zwölf Kinder, Geschwisterkinder dazu, jetzt die Vorschüler, übermorgen die Vorschüler des Jahrgangs 2021 - die schrittweise Öffnung der Kinderbetreuung und Bildungseinrichtungen stellt vor allem die Leitungen vor große Herausforderungen. Ja, das verstehe ich. Es wird um das Verständnis bei den Eltern geworben. Das verstehe ich mittlerweile aber nicht mehr. Denn: Das Dilemma der Eltern und Kinder ist noch viel größer. Wir warten auf Informationen, zehren unsere eigenen Kräfte auf und hören: gar nichts!

In einem Schreiben an die städtischen Kindergärten und Häuser für Kinder in München heißt es, dass die begrenzte Gruppengröße ab dem 15. Juni aufgehoben ist, "wenn die Raumgröße angemessen sei". - Was ist aber angemessen, fragt sich die stellvertretende Leitung? Sie muss sich bei der nächsthöheren Dienststelle erkundigen, wie viele Kinder sie ab Stichtag wieder ins Haus holen könne. An die Eltern hat das Haus seit drei Monaten keinerlei Informationen herausgegeben. Angeblich dürfen sie wegen der DSGVO keine E-Mails verschicken. Angerufen wurden die Eltern mit Vorschulkindern und Schulkindern, die wieder einen Anspruch auf Betreuung hatten, einzeln von der Leitung - wer also nichts gehört hat, konnte sich seine wichtigste Frage selbst beantworten: "einfach weiter abwarten". Am Zaun des Hauses hängen bunte Bilder, die zusammen den Satz "Wir vermissen euch" bilden. Das war's!

Die Nicht-Kommunikation von Stadt, Land und Bundesregierung wie auch das Dilemma der stetig wechselnden Möglichkeiten drückt sich zumindest in unserer Einrichtung in einer absoluten Warteschleifen-Mentalität aus. Ich war vor Corona sehr begeistert von unserem Haus. Meine Tochter (4) besucht hier derzeit den Kindergarten mit weiteren 50 Kindern, mein Sohn (6) geht in den Hort mit nochmals 50 Kindern. Der Kindergarten steht mit seinem großen Außengelände direkt neben der Grundschule, in der der Hort untergebracht ist. Mitten in München - ein Sechser im Lotto. Mein Mann und ich arbeiten beide Vollzeit. Unsere Kinder wurden hier vor Corona von 8 Uhr bis 16.30 Uhr betreut, an manchen Tagen bis Torschluss um 17 Uhr. Das hat für alle gepasst.

Das Netzwerk und die Grundlage unseres Familien-Konstrukts ist seit März außer Kraft gesetzt. Und so langsam habe ich das Gefühl: unwiederbringlich! Ich frage deshalb: Warum spricht das keiner laut aus? Warum lese ich erst am Ende des besagten Beitrags in der SZ, dass die Gewerkschaft Erziehung- und Wissenschaft (GEW) glaubt, dass absehbar nur etwa die Hälfte des gewünschten Angebots möglich sei? Warum erzählen sich Eltern nur auf dem Spielplatz verunsichert, dass die Direktoren der Grundschule sagten: "Na ja, ob wir im September einschulen, wissen wir ja noch gar nicht!" Die Bayerische Lehrergewerkschaft plädiert aktuell sehr deutlich für die Einschulung erst ab April 2021.

30 Prozent der Lehrer sind derzeit nicht im Dienst. Gibt es dann weiterhin ab dem neuen Schuljahr drei Zeitstunden Unterricht alle zwei Tage? Wie viele Erzieher fehlen aktuell wegen Vorerkrankung und Risiko in den Krippen, Kindergärten und Horten? Bleibt es bei Teilzeitbetreuung oder auch Nicht-Betreuung zum Beispiel der Dreijährigen ohne Geschwisterkinder?

Für Eltern wird damit aus dem "großen Wagnis", wie es die Erzieher sehen, das "große Heulen" - denn gar nichts ist überhaupt planbar. Und es wird absolut nicht großartig thematisiert!

Ich bin Mutter und Unternehmerin und deshalb Arbeitgeber für derzeit neun Angestellte. Ich arbeite mehr als je zuvor, um mein Unternehmen auf Kurs zu halten und die Arbeit von Angestellten zu erledigen, die sich wiederum wegen fehlender Kinderbetreuung nicht zum Dienst oder auch krank melden. Das mache ich jetzt neben meinen neuen Tätigkeiten als Krisen-Kommunikationsmanagerin für den Kindergarten (Elternbeirat), Homeschooling-Lehrerin und Perlensteck-Bügelautomat...

Welche Pläne liegen für die Zeit ab September in den Schubladen? Bis zu den Ferien und der Sommer-Schließzeit von drei Wochen wird sich in den kommenden Wochen sowieso nicht mehr viel ändern, das ist mir klar.

Aber das Personal kommt nicht plötzlich, auch mit geringen Corona-Infektionszahlen, zurück. Die Angst bleibt. In Schulen wie im Bereich der Kinderbetreuung. Die Fee mit den drei Wünschen wird nicht kommen. Anpacken und Ärmelhochkrempeln ist angesagt.

Das große Warten muss endlich aufhören! Nina Meckel, München

© SZ vom 19.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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