Schreibarbeit:Noten mit Kommentar

Lesezeit: 1 min

In Grundschulzeugnissen gibt es neben der blanken Zahl auch eine kurze Erklärung

Von Melanie Staudinger, München

Mit einem Grundschulrektor möchte man zur Zeugniszeit wohl kaum den Job tauschen. Er oder sie muss jedes einzelne Zeugnis lesen und unterschreiben, bei Fehlern müssen die Lehrer korrigieren und den Notenzettel erneut im Rektorat vorlegen. Da kommt einiges an Lesearbeit zusammen, wenn man bedenkt, dass jede Schule durchaus mehrere Hundert Schüler unterrichtet. In diesem Jahr ist das Arbeitspensum erneut ein wenig gestiegen, denn die Grundschulzeugnisse wurden textlastiger. Von der zweiten bis zur vierten Klasse erhalten die Kinder nicht mehr nur Ziffern als Noten, sondern einen kleinen Kommentar vom Lehrer dazu. Das gab es früher nur bei Deutsch und Mathe, jetzt auch in Heimat- und Sachunterricht sowie Religion oder Ethik.

"Gerade bei den Noten zwei und drei gibt es eine große Bandbreite", sagt Elisabeth Deiß, Schulrätin im Schulamt. Lehrer könnten jetzt genauer beschreiben, was ein Kind kann und wo es steht. "Das hat den Vorteil, dass die Eltern mehr wissen", sagt Deiß. Aber auch den Nachteil, dass die Lehrer mehr zu tun haben mit den Zeugnissen. Und dass gerade Eltern mit schlechten Deutschkenntnissen aus bildungsfernen Schichten vieles wohl nicht verstehen werden. Die Erfahrung zeigt: Steht zuviel Text auf dem Zeugnis, geben diese Eltern schnell auf. "Die Lehrer müssen also die Leistung des Schülers differenziert würdigen und dabei darauf achten, dass Familien mit Migrationshintergrund alles verstehen", sagt Deiß.

Das reine Ziffern-Zeugnis steht schon länger in der Kritik, weil Noten nur einen Durchschnittswert abbilden, gleichzeitig aber Objektivität vermitteln. Sie zeigen nicht an, wenn sich Leistungen stetig steigern und werden damit vielen Kindern nicht gerecht, argumentieren Noten-Kritiker. Gerade im Grundschulbereich ist ohnehin eine Abkehr von der harten Beurteilung durch Zahlen zu erkennen. So gibt es statt Zwischenzeugnissen an immer mehr Schulen sogenannte Lernentwicklungsgespräche. Der Klassenlehrer setzt sich mit dem Schüler und dessen Eltern zusammen. Dem Kind werden Stärken aufgezeigt, es wird gelobt und gleichzeitig erfährt es, in welchen Bereichen es sich noch verbessern kann. Hier sehen Lehrer auch, ob die Familien tatsächlich verstanden haben, was die Pädagogen ihnen vermitteln wollen. Vom kommenden Schuljahr an sind Lernentwicklungsgespräche auch in der Mittelschule möglich. Realschulen und Gymnasien setzen hingegen weiter auf Zwischenzeugnisse - geschrieben in einer offiziellen und daher geschönten Sprache. Was "der kommunikative Schüler" wirklich bedeutet, müssen Eltern erst einmal lernen.

© SZ vom 27.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: