Schlechtes Einkommen und andere Abhängigkeiten:Woran der Tierarzt­beruf krankt

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Der Staat lockt mit Ausbildungsplätzen an Universitäten, aber das beseitigt die Hauptprobleme nicht

Der Staat hätte gerne mehr Tierarzt-Nachwuchs für ländliche Regionen. Dass das schwierig ist, könnte auch an der Bezahlung liegen. (Foto: imago)

"Bayern will Tierärzte aufs Land locken" vom 17. November:

Eine Landtierarztquote (reservierte Anzahl von Tiermedizin-Studienplätzen für Studenten, die sich verpflichten, als Landtierarzt zu arbeiten) halte ich nicht für sinnvoll. Jedes Jahr legen seit 1990 in etwa die gleiche Anzahl an Hochschulabsolventen die Staatsprüfung als Tierarzt an den fünf deutschen Universitäten ab. Trotzdem nimmt die Zahl der niedergelassenen Landtierärzte ab, was weniger an der Anzahl von approbierten Tierärzten oder den Arbeitsumständen liegen dürfte.

Das Hauptproblem ist das finanzielle Auskommen als Landtierarzt, was diesen Beruf so abstoßend macht. Bei Angestelltengehältern von etwa 35 000 Euro pro Jahr brutto in der Nutztierpraxis inklusive Nacht- und Wochenenddiensten kann man sich vielleicht als Single ein Leben in Bayern ermöglichen, aber mit Familie und Kindern ist das kaum vorstellbar. Auch als selbständiger Tierarzt mit 60 bis 70 Stunden Arbeit an sieben Tagen in der Woche rund, um die Uhr, steht der Aufwand absolut nicht im Verhältnis zum Verdienst und zum Ausbildungsaufwand.

Warum sind der Verdienst und der Umsatz in der Nutztierpraxis so gering? Erstens liegt das Hauptproblem in der Ausbildung der Tierärzte. Das Studium ist ausschließlich auf veterinärmedizinische Fachbereiche ausgerichtet. Das entscheidende betriebswirtschaftliche Wissen, was selbst jeder Handwerker in der Berufsschule und später auf der Meisterschule lernt, fehlt den Tierärzten völlig.

Wie viel Umsatz muss eine Praxis generieren, dass sie sich rentiert? Muss ich als Tierarzt (freier Beruf) Gewerbesteuer abführen? Wie viel Umsatz muss ein Assistent generieren, dass eine Anstellung sich für die Praxis lohnt? Welche Möglichkeiten habe ich, meinen Umsatz zu steigern, etcetera? In meinen Jahren als Assistent in verschiedenen Gemischt- und Nutztierpraxen wurden die Rechnungen nie nach der Gebührenordnung für Tierärzte geschrieben (GOT), sondern nach eigenen Standardbeträgen, was dazu führte, dass die Leistungen teilweise massiv unter den gesetzlich vorgeschriebenen GOT-Sätzen lagen. Notfallgebühren, Nachtzuschläge oder Anfahrtspauschalen wurden zum Beispiel nie berechnet. Kontrolliert hat das niemand.

Das zweite große Problem stellen zumindest in Südbayern Organisationen wie der Tiergesundheitsdienst dar, die tierärztliche Aufgaben wie Bestandsbetreuung unter Bedingungen anbieten, mit denen niedergelassene Tierärzte nicht konkurrieren können. Das führt dazu, dass der Landtierarzt mehr und mehr zum "Feuerwehrtierarzt" verkommt und nur noch zu Notfällen, allerdings rund um die Uhr, gerufen wird. Primäres Qualitätskriterium ist hier: möglichst schnell und möglichst billig.

Die von Herrn Minister Glauber zitierte Aussage - "mehr Wissen heißt mehr Tierschutz" - als Begründung für Fortbildungen für etablierte Landtierärzte ist völlig fehl am Platz. Tierärzte werden während des Studiums umfangreich in Tierhygiene, -haltung und -schutz geschult und geprüft.

In der Praxis kann der selbständige Tierarzt bei Tierschutzverstößen als Hinweisgeber und Berater fungieren. Im Äußersten kann oder muss er seinen Kunden beim Veterinäramt anzeigen, womit er mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit diesen Kunden verlieren wird. Somit befindet sich der selbständige Tierarzt bei Tierschutzfragen immer in einem Interessenskonflikt, weshalb Tierschutz eine Aufgabe der staatlichen Behörden sein muss. Dr. med. vet. Teut Kürn

Holzkirchen

© SZ vom 25.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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