Schlechte Luft in München:Es riecht stark nach Fahrverbot

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Gerichte drängen die Politik, die Schadstoffbelastung durch Dieselautos einzudämmen - doch es herrscht Uneinigkeit

Von Dominik Hutter

Der Trend ist eindeutig: In den vergangenen zehn Jahren, das belegen die Statistiken des Bayerischen Landesamts für Umwelt, ist die Belastung der Münchner Luft mit Stickstoffdioxid deutlich zurückgegangen. Dass trotzdem seit Monaten im Rathaus helle Aufregung in Sachen NO₂ herrscht, hat mit einer gewissen Ratlosigkeit zu tun - und mit der Angst, dass die Gerichte der Politik das Heft des Handelns aus der Hand nehmen. Anders als beim Feinstaub, der die Umweltdebatte vor zehn Jahren bestimmte, haben sich die Verantwortlichen bislang auf keinen Weg einigen können, wie sich die europaweiten NO₂-Grenzwerte irgendwann einhalten lassen. Außer mit radikalen Fahrverboten, aber das gilt bei den meisten Volksvertretern auch nicht gerade als erstrebenswert.

Spätestens seit dem 27. Februar aber ist auch den Münchnern klar, dass Fahrverbote für Dieselautos längst kein Tabu mehr sind. An diesem Tag beschloss der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, dass der Freistaat für München ein Konzept für Dieselfahrverbote ausarbeiten muss. Weil es ohne solche Eingriffe vermutlich nicht möglich sein wird, die EU-Schadstofflimits einzuhalten, erklärte damals der Vorsitzende Richter Rainer Schenk - in München gilt nun einmal EU-Recht. Die Sache hat nur einen Haken: Bislang weiß niemand, ob Dieselfahrverbote überhaupt zulässig sind. Die Fachwelt wartet daher mit Spannung auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts - das Verfahren hat sich allerdings um einige Monate verzögert. Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof wollte den Leipzigern nicht zuvorkommen. Der Münchner Beschluss ist daher ein Auftrag zur Vorsorge: Das Konzept soll schon einmal ausgearbeitet werden, damit es rasch in Kraft treten kann, falls Dieselfahrverbote für zulässig erklärt (oder vom Bundestag per Gesetz ermöglicht) werden. Die bayerische Staatsregierung reagierte auf den Beschluss in einer für demokratische Gremien ungewöhnlichen Art und Weise: Sie ignorierte ihn weitgehend. Eine vom Gericht angeforderte Aufstellung besonders belasteter Münchner Straßenzüge kam nur mit Verspätung, das Konzept für Fahrverbote verweigert der Freistaat hartnäckig. Der Münchner Stadtrat will sich derweil mit 20 kommunalen Messstellen ein eigenes und vor allem detaillierteres Bild von der Lage machen. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hat bereits öffentlich angekündigt, dass es wohl einschneidende Fahrverbote geben wird, falls die Politik nicht in die Puschen kommt. Als realistische Lösung gilt die Verschärfung der Münchner Umweltzone, die bislang nur auf Feinstaub zugeschnitten ist, durch Schaffung einer neuen Plakette. Das aber kann nur der Bund beschließen.

Unklar ist auch, wie es mit einem weiteren Münchner Luftverschmutzer weitergeht, dem mit Steinkohle betriebenen Block 2 des Kraftwerks München-Nord. Das Thema war schon bei den Rathaus-Koalitionsverhandlungen von 2014 virulent und führte dazu, dass die ÖDP in der Opposition blieb. Die Partei aber machte weiter, sammelte zusammen mit einem breiten Bündnis die erforderlichen Unterschriften und setzte am 5. November bei einem Bürgerentscheid die Stilllegung der Anlage bis Ende 2022 durch. Mit einer in absoluten Zahlen überschaubaren Mehrheit, die aber nach den Regularien des Bürgerentscheids ausreicht: 119 000 Münchner stimmten mit Ja, 78 000 mit Nein, und rund 900 000 nahmen gar nicht erst teil.

Die Stadtwerke haben den Antrag auf Stilllegung der (im bundesweiten vergleich eher kleinen) Anlage bereits bei der Bundesnetzagentur erreicht. Deren Zustimmung gilt allerdings als unwahrscheinlich, da bis 2022 wohl noch keine ausreichend dimensionierten Leitungstrassen für Windstrom aus dem Norden zur Verfügung stehen und obendrein das Atomkraftwerk Isar 2 vom Netz geht.

© SZ vom 28.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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