Schadenersatz-Prozess:Teppich-Händler fordert Millionen

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Bizarrer Streit um Attest vor dem Oberlandesgericht: Wegen des Bruchs der Schweigepflicht soll ein Psychiatrie-Professor Schadenersatz leisten.

E. Müller-Jentsch

Der nun schon Jahre andauernde und mit all seinen Nebenschauplätzen ins Bizarre ausufernde Rechtsstreit zwischen dem bekannten Kunsthändler Eberhart Herrmann und dem renommierten Münchner Psychiatrie-Professor Hans-Jürgen Möller ist am Donnerstag vor dem Oberlandesgericht München fortgesetzt worden.

Beide Kontrahenten dürften nach der mündlichen Verhandlung nicht sehr zufrieden gewesen sein: Herrmann ist seinem Ziel, Schadenersatz von mehr als drei Millionen zu erhalten, keinen Schritt näher gekommen - und Möllers Chancen, von der Schmerzensgeldverurteilung aus erster Instanz "freigesprochen" zu werden, sind gegen Null gesunken. Vielmehr hat das Gericht die Verurteilung zu einer höheren Summe in Aussicht gestellt.

Hans-Jürgen Möller, Direktor der Psychiatrischen Klinik der Ludwig-Maximilians-Universität, hatte ein, wie er selber einräumt, "vorwiegend auf fremdanamnestischen Informationen basierendes Attest", das er gerne "Gutachten" nennt, an Herrmanns Ehefrau gegeben. Dieses auf Klinikpapier ausgestellte und "Fachpsychiatrisches Attest" überschriebene Dokument sollte zur Unterbringung des Kunsthändlers in der Psychiatrie dienen.

Professor Möller weist stets jegliche Unterstellungen zurück, er sei an einem Komplott gegen Herrmann mit dessen Ehefrau beteiligt gewesen. Seine Rechtsanwältin Dorothea Gross machte dem Gericht deshalb klar, dass es sich damals "um eine ganz besondere Situation" gehandelt habe: "Es sollte etwas Gutes getan werden."

Möller erläuterte, dass die Ehefrau angesichts diverser Krankheitssymptome ihres Mannes Hilfe bei ihm gesucht habe. Frau Herrmann sei "gespalten" gewesen in dem Wunsch, ihrem Mann zu helfen und ihn zugleich zu schonen.

Da von einer Fremd- und Selbstgefährdung auszugehen war, sei aber Eile geboten gewesen. Er habe deshalb die Ehefrau mit dem Attest unterstützen wollen, "eine Eilbetreuung in Gang zu setzen". Auf den Einwand der Vorsitzenden Richterin Maria Vavra, dass in Deutschland der Rechtsweg in solchen Fällen über das Vormundschaftsgericht, die Polizei oder die Kreisverwaltungsbehörde führe, schilderte Möller seine schlechten Erfahrungen mit langsamen deutschen Ordnungsbehörden. Seine Anwältin Gross sorgte zudem mit dem Einwurf "Denken sie an Winnenden" für Erstaunen beim Gericht.

Die Vorsitzende Richterin schüttelte den Kopf: "All das kann die Weitergabe nicht rechtfertigen." Und sie äußerte auch Zweifel an der Erklärung: Das Attest sei nicht an einen Betreuer gerichtet, sondern an die Polizei, es sei nicht von "Betreuung" die Rede, sondern von "Unterbringung".

Beim Bayerischen Obersten Landesgericht habe sie vier Jahre lang mit Unterbringungsrecht zu tun gehabt, sagte die erfahrene Richterin, "doch solch ein Attest habe ich noch nie gesehen". Möller behauptete daraufhin, nicht gewusst zu haben, dass er das Attest nicht an die Ehefrau geben durfte. "Es gibt immer Gründe, die ärztliche Schweigepflicht zu brechen", sagte er und berief sich in der Verhandlung auf einen "Verbotsirrtum".

An Herrmann gerichtet machte das Gericht klar, dass es die Rechtslage so sehe wie die erste Instanz: Der beklagte Professor müsse voraussichtlich wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts zwar Schmerzensgeld zahlen, eventuell sogar noch mehr als bis jetzt - doch das Gericht erkenne keinen Zusammenhang zwischen dem Attest und dem behaupteten wirtschaftlichen Schaden.

Denn Herrmann habe seinen Laden ja aus eigenem Entschluss aufgegeben. Anwalt Martin Riemer will nun beweisen, dass nur auf Grund des Attestes Herrmanns Bank-Kreditlinie "auf Null" gesetzt worden war und der Sammlerwert der Teppiche abgestürzt sei. Außerdem machte er die sehr hohen Kosten für Anwälte, Gutachter sowie Gerichtsverfahren geltend.

Da die Akten in diesem Fall inzwischen auf über 2000 Seiten angeschwollen seien, wollte das Gericht von Kläger Herrmann im Übrigen keine weiteren Details seines Ehestreits hören: "Ob die Ehefrau nun Rattengift in den Kaffee getan hat, interessiert mich hier wirklich nicht", meinte die Senatsvorsitzende.

Das Gericht will am 13. August eine Entscheidung verkünden.

© SZ vom 26.06.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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