Sammlerstücke:Gipfelglück am Ammersee

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Gondeln aus Val d'Isère, Kabinen aus Sölden: Luis Weber besitzt bereits 120 ausrangierte Sessellift-Sitze. Jetzt hofft er auf ein Exemplar der alten Eckbauerbahn

Von Carolin Fries

Es begann mit einem Zweiersessellift vom Spieljoch im Zillertal, da war Luis Weber gerade einmal 17 Jahre alt. Als er mitbekam, dass die Bahn abgebaut werden sollte, beschloss er, sich von seinem Ersparten drei Sitze für mehrere hundert Euro zu kaufen. "Alles am Berg übte eine wahnsinnige Faszination auf mich aus", sagt er. Hätte es die Möglichkeit gegeben - der junge Mann hätte wahrscheinlich auch Skikanonen oder Pistenraupen gekauft. So verlud er damals zusammen mit seinem Vater drei Sesselliftsitze auf einen Laster der familieneigenen Baufirma in Utting am Ammersee. Inzwischen hat er auf dem Firmengelände knapp 120 Liftsitze und Skigondeln versammelt.

Es ist ein ungewohnter Anblick, die trockengelegten Kabinen aus Sölden, Tignes, vom Arl- und Finkenberg im Innenhof des Familien- und Firmensitzes in der Sonne stehen zu sehen, mitunter auf Paletten gestapelt. Was seine Mutter und die beiden Brüder zu seinem Hobby sagen? "Na ja", sagt Luis Weber. Unterstützt habe ihn vor allem sein Vater, der vor wenigen Wochen gestorben ist. "Er fand das cool."

Und nicht nur er. Um seine Sammelleidenschaft zu finanzieren, vermietet und verkauft der 20-Jährige die alpinen Transportmittel weiter - mit wachsender Nachfrage. Insbesondere in Norddeutschland seien Skigondeln als Garten-Accessoire analog zum Strandkorb in bayerischen Grünanlagen heiß begehrt. Aber auch als Raucherkabinen vor Lokalen, als Hingucker im Besprechungsraum und Hotel-Dekoration kommen Webers Gondeln zum Einsatz. In München formiert ein Kioskbetreiber am Englischen Garten Webers Gondeln seit vergangenem Jahr im Halbkreis als Winter-Biergarten inklusive Beleuchtung und Heizung. Ein Hotel in Düsseldorf will seine Gäste heuer bei kühleren Temperaturen ebenfalls in Weber-Gondeln auf der Terrasse bewirten. Die meisten Gondeln und Liftsessel aber, die Weber mithilfe von Speditionen durch Europa transportiert, verschwinden in privaten Gärten, Garagen oder Kellerräumen. Die jüngsten Modelle - Alu-Gondeln aus Val d'Isère und Courchevel - gingen nach Köln und in die Niederlande. Die Preise für den Verkauf beginnen bei 1600 Euro pro Stück. "Die alten Gondeln sind am meisten gefragt. Aber die gebe ich nicht her", sagt Weber.

Er weiß, was er will - und hat einen ausgeprägten Geschäftssinn. Um Geld zu verdienen, saß er bereits als Kind am selbstgebauten Ladentisch am Straßenrand und bot Passanten Bastelarbeiten an, als 15-Jähriger verkaufte er jeden Samstag auf dem Wochenmarkt selbstgebackene Kekse. Nach dem Realschulabschluss macht er eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann in einem Segelladen, vor wenigen Wochen begann er eine Weiterbildung zum Handelsfachwirt in München. Dort konnte er die Ausbildung dank seiner Berggondeln sofort beginnen. "Eine einjährige Berufspraxis ist Voraussetzung", sagt er. Und die sammelt er nun weiter neben der Schule: Kalkulationen machen, Angebote verschicken, Transporte organisieren, die Website überarbeiten und nebenbei neue Ideen entwickeln und umsetzen. Neben dem Schreibtisch liegt eine lange To-do-Liste. Anfragen kommen aus der ganzen Welt. Ein Einerliftsessel ging für einen Kletterhochseilgarten nach Südkorea, eine Eventfirma in Rumänien kaufte eine Vierer-Gondel.

Zu Webers Raritäten, die er ausschließlich vermietet, gehört die Stehgondel aus dem Jahr 1968 für zwei Personen, wie sie einst Wintersportler in den Dolomiten mit einem Hauch von Sitz zum Gipfelglück beförderte. Ebenso die knallroten Kunststoff-Gondeln aus den Siebzigerjahren aus der Schweiz, die der junge Mann aus Utting in der Zweier- und Vierer-Variante ergattern konnte. "Die sind so etwas von Retro", sagt Weber, der von sich behauptet, zu spät geboren worden zu sein, derart groß sei die Anziehungskraft alter Dinge auf ihn. Er poliert die alten Schmuckstücke gerne auf, führt sie einer neuen, modernen Nutzung zu, ohne ihnen den charmanten Used-Look zu nehmen. Dazu gehören mitunter ein paar hölzerne Ski von anno dazumal in den Halterungen neben den Türen. Aber auch Schaf-Felle, rot-weiß-karierte Kissen mit Herzerl auf den hölzernen Sitzbänken und eine Eichenplatte, wie sie Weber in einer der Retro-Gondeln montiert hat. "Fehlt nur noch das Laptop, und das Büro ist fertig", sagt er.

Aktuell bastelt er an einer Skigondel mit Fotobox, die zu Events ausgeliehen werden kann. Auch Messe-Auftritte kann er sich für seine Gondeln gut vorstellen oder Hochzeiten mit alpinem Outdoor-Touch. Und ja: Ohne den klassischen Schweiß- und Wurstsemmelgeruch wirken die Gondeln wie heimelige Zufluchtsorte, die Weber noch mit echten Glasscheiben im Angebot hat, wie sie einst produziert wurden.

Die Vermietung sowie der Verkauf läuft mehr oder weniger nebenbei. Die meiste Zeit recherchiert Weber, wo es wann in Italien, Frankreich, der Schweiz, Deutschland und Österreich welche Gondeln zu holen gibt. "Eine Bahn hat vielleicht 80 Gondeln. Die Nachfrage ist groß, da muss man schnell sein", sagt er. Erst vor wenigen Tagen war er in Garmisch-Partenkirchen, wo demnächst die alte Eckbauerbahn abgebaut und durch eine moderne Bahn ersetzt werden soll. Er zeigt die Bilder der seitlich offenen Zweierkabinen auf seinem Handy. Eine ganze Galerie. "Die sind von 1957. Wenn ich da eine bekomme, dann wären das meine ältesten." Luis Weber wischt fast zärtlich mit den Fingern über die Bilder, als würde er das genietete Alu streicheln wollen. Er sehnt sie förmlich herbei, die Nachricht, dass eine ihm gehören wird. In der großen Garage wird sich schon noch ein Platz finden. Er öffnet das Tor: Die Wänden hängen bis unter die Decke voll mit Pistenplänen und Schildern von Liftanlagen. Auch Nummernschilder von Stützpfeilern hat Weber hier festgeschraubt. "Da bin ich in die Skigebiete gefahren und selbst den Pfeiler raufgeklettert, um die abzuschrauben", sagt er.

© SZ vom 18.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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