S-Bahn München:Verlässliche Verspätung

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Riesenverspätungen, Zugausfälle, überfüllte Abteile und viele Ansagen: Der Fahrplan der S-Bahn wird nicht nur im Winter immer wieder zur Makulatur.

Dominik Hutter

Säße die arme Dame tatsächlich live am Mikrophon - sie müsste sich rasch wegen Erschöpfung und Heiserkeit ablösen lassen. Denn die Stimme aus dem Computer, mit der die Fahrgäste auf den S-Bahnsteigen über Störungen informiert werden, befindet sich mal wieder im Dauereinsatz: "S8 zum Flughafen, Abfahrt um 8.15Uhr, hat voraussichtlich zehn Minuten Verspätung", flötete es am Mittwoch in Eichenau. Was freilich nicht die ganze Wahrheit war. Denn es dauerte gut eineinhalb Stunden, um an diesem frostigen Morgen in die Münchner Innenstadt zu gelangen.

Münchner S-Bahn (Foto: Foto: Robert Haas)

Schuld an der nervigen Stop-and-Go-Tour durch verschneite Landschaften waren mehrere Faktoren gleichzeitig: Vereiste Weichen bockten, die Kupplungen der Züge streikten - und weil obendrein an der Hackerbrücke ein Notarzt anrücken musste, blieb die Stammstrecke mitten im Berufsverkehr für 15 Minuten gesperrt.

Was eine solche Blockade für den Fahrplan der darauffolgenden Stunden bedeutet, wissen die S-Bahn-Pendler zur Genüge: Riesenverspätungen, Zugausfälle, überfüllte Abteile und viele Ansagen der Dame aus Blech.

Unterschiedliche Gründe

Auch einen Tag zuvor, am Schnee-Dienstag, war nicht alles glatt gelaufen: Zehn Minuten Verspätung auf allen Linien, zwischendurch auch mal 20, waren während des zugegeben heftigen Wintereinbruchs normal. Das klingt, aus der Perspektive des warmen Stübchens, nicht allzu schlimm - draußen auf den zugigen Bahnsteigen aber fühlt sich das Warten anders an.

Dennoch ist es nicht der Winter, der viele Fahrgäste an der Investition für eine Monatsmarke zweifeln lässt. Den hat die S-Bahn ansonsten recht ordentlich gemeistert. Es ist die Verlässlichkeit, mit der alle paar Tage, und manchmal auch mehrfach am Tag, aus den unterschiedlichsten Gründen der Fahrplan zur Makulatur wird. "Das ist für die Fahrgäste ärgerlich", räumt auch ein Bahnsprecher ein. Nur: Was lässt sich unternehmen gegen ein Sammelsurium an Verspätungsursachen, in dem kein roter Faden erkennbar ist?

Schon ein Blick auf die Vorfälle seit Anfang Februar zeigt: Die S-Bahn ist derzeit die reinste Wundertüte - keiner weiß, was als Nächstes auf dem Programm steht. Ein kleiner Auszug, was bisher geschah: Es gab Streckensperrungen wegen Schienenbruchs (15.Februar), wegen eines liegengebliebenen Güterzugs (14.), wegen eines Oberleitungsschadens (5.) und wegen zweier Polizeieinsätze (beide am 5.).

Dazu kommt, den Passagieren der S2 wohlbekannt und daher fast schon als kleiner roter Faden im Verspätungsgeschehen geeignet, das berüchtigte Stellwerk Riem, das gleich an zwei aufeinanderfolgenden Tagen, dem 10. und 11. nämlich, den Dienst verweigerte. Bei Stellwerksausfällen können die Züge entweder nur im Schneckentempo oder, wie diesmal, gar nicht mehr passieren. Dann beginnt die Schlacht um die raren Plätze im Ersatzbus.

Investieren in verspätungsanfällige Anlagen

Dass mit dem Stellwerk Riem einiges im Argen liegt, räumt nach anfänglichem Leugnen inzwischen auch die Deutsche Bahn ein. Drei der elf dort installierten Rechner, berichtet ein Sprecher, sorgen für immer wiederkehrende Probleme. Die von 1991 stammende Anlage soll deshalb noch in diesem Jahr mit moderner Technik nachgerüstet werden.

Für die Bahn kann es sich schon aus rein finanziellen Gründen lohnen, in verspätungsanfällige Anlagen zu investieren. Denn der Freistaat, der die Zugleistungen bestellt und auch bezahlt, zeigt sich bei mangelhafter Leistung durchaus verstimmt. So haben die massiven Verspätungen im vergangenen Herbst "auch ein finanzielles Nachspiel", berichtet Verkehrsminister Martin Zeil (FDP).

Da die vereinbarten Pünktlichkeitswerte nicht eingehalten wurden, "fallen Vertragsstrafen in erheblichem Umfang an". Eine konkrete Höhe wollte Zeil nicht nennen. Die Erfahrungen der vergangenen Jahre zeigen aber, dass es sich dabei durchaus um zweistellige Millionensummen handeln kann.

© SZ vom 19.02.2009/pfau - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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