Ruhestand:Vorgesorgt

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Ein Forschungsprojekt über Rentnerinnen in München

Verarmt und vereinsamt oder aktiv und selbständig bis ins hohe Alter: Geht es um Rentnerinnen, haben sich diese beiden Bilder in den Köpfen verfestigt. Die Realität aber liegt irgendwo zwischen diesen Extremen. Zu diesem Ergebnis kommt das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Forschungsprojekt "Prekärer Ruhestand. Arbeit und Lebensführung im Alter" am Institut für Europäische Ethnologie der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU). Das Alter sei schließlich weder eine Phase der tatenlosen Depression noch des permanenten Aktivismus, der Rentner von Ehrenamt zu Ehrenamt treibe, sagt Irene Götz. Sie ist Professorin und leitet das auf drei Jahre angesetzte Forschungsprojekt. Götz und ihre Kollegen untersuchen die Lebensverhältnisse von 40 Rentnerinnen aus München.

Im Zuge eines Semesterprojekts befragten Studenten in mehrstündigen Interviews zehn Münchnerinnen dazu, wie sie als alleinstehende Frauen zurechtkommen in der Stadt. Anschließend erstellten sie sogenannte Fallbiografien, an denen sich die Ursachen mangelnder finanzieller Absicherung im Alter ablesen lassen: Die befragten Frauen hatten etwa als Krankenschwestern, Therapeutinnen oder auch Putzhilfe gearbeitet - ein Querschnitt durch die Gesellschaft. Eine der Damen steht mit ihrer Monatsrente von 1600 Euro recht gut da, andere haben nur 600 Euro zur Verfügung. Viele müssten dazu verdienen, doch die Möglichkeiten für Rentner seien leider begrenzt. Neben dem "Altersheim als Schreckensgespenst", wie Irene Götz das formuliert, treibe viele die Angst vor der Zukunft um. Wie wird es sein, wenn die Gesundheit nicht mehr mitmacht? Wenn sie - eine für München ganz spezifische Sorge - ihre Wohnung verlieren. Dabei wollten die Frauen auf keinen Fall ihren Kindern zur Last fallen. Die Wissenschaftlerin erklärt das damit, dass viele der Frauen der Nachkriegsgeneration ihre eigenen Mütter oder Schwiegermütter hätten pflegen müssen und das ihren eigenen Töchtern wohl nicht zumuten wollten.

Man sei aber erstaunt gewesen, wie gut die Damen in ihren Situationen zurechtkämen - und welche Strategien sie entwickelten. Manche Frauen sparen, wo es nur geht, züchten Tomaten oder leisten sich keine Zahnarztbehandlungen mehr. Andere praktizierten in Tauschringen das Prinzip des Gebens und Nehmens. Überhaupt sei ein gut funktionierendes Netzwerk überaus wichtig für das Leben im Alter, auch "kulturelles Kapital" lohne sich beizeiten zu bilden. Denn wer gebildet sei, der könne sich später leichter beschäftigen.

© SZ vom 07.06.2017 / frg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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