Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium:Das G8 ist gescheitert - und zwar mit Ansage

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Da macht Seehofer womöglich noch ein Fass auf... SZ-Zeichnung: Dieter Hanitzsch (Foto: N/A)

"Seehofer liebäugelt mit dem G9" vom 14. April, "Elternverband warnt vor schneller Rückkehr zu G9" vom 18. April und "Bei Schülern gefragt, bei der CSU vertagt" vom 21. April:

Wie naiv darf man sein?

In der SZ vom 18. April muss man, bezogen auf eine DPA-Pressemeldung lesen, dass die Vorsitzende der Landeselternvereinigung der Gymnasien, Susanne Arndt, vor der schnellen Rückkehr zum G9 warnt. Leider ist das kein Irrtum.

Nachdem die Frage "G8 oder G9" von der Landesregierung in eine "Zeitschleife" - genannt Pilotversuch - geschoben wurde und sich nun sicherlich ganz gegen die Erwartung der Initiatoren herausstellt, dass die Eltern und Schüler mehrheitlich das G9 fordern, warnt die Vorsitzende der bayerischen Gymnasialeltern vor einer "schnellen Rückkehr zum G9".

Man erinnert sich an die Situation nach dem erfolgreichen "Antiraucher-Volksbegehren", als alle Oppositionsparteien auch wiederum ein Volksbegehren für die Erhaltung des G9 starteten - leider jede Partei ihr eigenes. Ein eher soziales für die SPD, ein liberales für die FDP, ein grünes für die Grünen und ein bayerisches für die Freien Wähler. Das Ergebnis steckt allen Eltern und Schülern Bayerns noch heute in den Knochen. Wenn man davon ausgeht (-leider ausgehen muss), dass politische Parteien sich, mit welchem Thema auch immer, profilieren wollen oder müssen, um Wähler zu gewinnen, sollte man aus den desaströsen Ergebnissen der erfolglosen Volksbefragungsversuche lernen. Diese hatten sich in der anschließenden absoluten Mehrheit der CSU für die Regierung Seehofer niedergeschlagen. Dann kam in Sachen G8/G9 der Pilotversuch, weil es in der CSU durchaus keine eindeutige Mehrheit für das G8 gab. Aus den nun veröffentlichten Angaben zum Ergebnis des Pilotversuchs zeigt sich, dass die Eltern und Schüler mit eindeutigem Mehrheitswillen für das G9 plädieren.

Wenn man nun weiß, dass der Landesvater immer geneigt ist, durchaus auf den Willen des Volkes zu hören, und somit eine erneute Chance besteht, mit ihm und einer Mehrheit der CSU tatsächlich zum G9 zurückzukehren, fragt man sich, ob genau in diesem Moment die Warnung der Vorsitzenden der bayerischen Gymnasialeltern vor einer schnellen Rückkehr zum G9 zeitlich angebracht ist. Egal mit welchen, vielleicht noch so begründeten Forderungen. Wenn die Mehrheitsfraktion und der Ministerpräsident sich für das G9 entscheiden werden - aus welchen Gründen auch immer - wird dies zum Faktum werden, und es geht dann lediglich noch um die Ausgestaltung der Details. Forderungen zur materiellen Ausgestaltung der Gymnasien werden dann für das G9 zu erheben sein. Sie jetzt zu thematisieren, unterstützt lediglich diejenigen, die in der CSU ohnehin alles zu teuer finden. Es ist in Bayern politisch naiv zu glauben, gegen die feststehende Mehrheit der CSU politisch etwas gestalten zu können. Politik bleibt die Kunst des Möglichen, nicht des Erhofften. Thomas Sprengel, München

Auf dem Rücken der Kinder

Als Mutter einer G8-Gymnasiastin, die sich ihr Abitur 2013 unter großen Opfern schwer erkämpfte, empfinde ich das Zurückrudern von Horst Seehofer in Sachen G8 als Schlag ins Gesicht! Von Anfang an ging dieses Experiment eines vom Ehrgeiz zerfressenen Kultusministeriums und einer gewissenlosen Wirtschaftslobby zu Lasten von jungen Menschen, die mitten in der Pubertät stecken, und zu Lasten ihrer Familien. Man hat unseren Kindern ein Lernpensum aufgezwungen, das sie jahrelang zum Verzicht auf sämtliche Freizeit- und Vereinsaktivitäten gezwungen hat, mit dem Mantra, dass nur ein hoher Bildungsabschluss zu einem auskömmlichen Lebensunterhalt führen würde. In der Grundschule begann ein Gefecht zwischen Eltern und Lehrern um jede Note, das teilweise bis vor den Kadi ging. Wer da mithalten wollte, konnte es häufig nur, wenn er private Nachhilfe in Anspruch nahm. Nicht von ungefähr wuchs der Umsatz der privaten Nachhilfeinstitute seit Einführung des G8 in Bayern auf 40 Millionen Euro pro Schuljahr. Und diese Nachhilfe - wenn überhaupt wirksam, dann nur auf Dauer angelegt - können sich nur die gut betuchten Eltern leisten.

Und was ist mit den Folgen des doppelten Abiturjahrgangs wie Wartezeiten, weil nicht genug Studienplätze bereitgestellt wurden, erfolglose Wohnungssuche in überteuerten Unistädten? Den dürfen unsere G8-Kinder bis heute allein ausbaden. Das G8-Experiment und seine politischen Initiatoren sind gescheitert, und zwar mit Ansage! Die Zeichen waren da, von den Verantwortlichen wollte es nur keiner wahrhaben. Wer jetzt das G9 wieder einführt, betrügt die G8-Generation ein zweites Mal! Diane Ebert, Grabenstätt

Leserbriefe sind in keinem Fall Meinungsäußerungen der Redaktion. Wir behalten uns vor, die Texte zu kürzen.

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© SZ vom 25.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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