Rückblick:Déjà-vu zwischen den Seiten

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Die erste Ausgabe der Ebersberger Neuen Nachrichten war, im Gegensatz zur heutigen Zeitung, noch ausschließlich gedruckt erhältlich. Inhaltlich ist dafür einiges beim Alten geblieben. (Foto: SZ)

Wer durch alte Zeitungsausgaben blättert, findet viel Vertrautes. Manches hat sich in 40 Jahren jedoch geändert - auch zum Guten.

Von Wieland Bögel

Nichts sei so alt, wie die Zeitung von gestern, behauptet eine Redensart, und ehrlicherweise hat sie damit oft recht. Schließlich lebt das Medium Zeitung von der Aktualität. Nicht umsonst machen sich viele Menschen die Arbeit, täglich eine neue herzustellen, in Zeiten digitaler Dauererregung sogar mehrmals am Tag. Manchmal irrt aber auch eine Redensart, denn manchmal ist nichts so aktuell wie die Zeitung von gestern - oder auch von vor 40 Jahren.

Blättert man sich etwa durch die alten Ausgaben der Ebersberger SZ - oder der Ebersberger Neuesten Nachrichten (ENN), wie die Landkreisausgabe in Anlehnung an die große Schwester aus München lange hieß - kommt einem auf mancher Seite (die hier tatsächlich aus Papier und nicht aus Bits und Bytes ist, die Digitalisierung hielt erst viel später in die Archive Einzug) das eine oder andere Déjà-vu entgegen.

Das beginnt schon mit der allerersten Ausgabe vom 3. Mai 1977, die mit einem Thema aufmachte, das die Redaktion in den kommenden vier Jahrzehnten immer wieder beschäftigen sollte - und wohl auch noch darüber hinaus: Der Umgestaltung des Ebersberger Marienplatzes (siehe Artikel rechts). Auch manch anderes hat in den kommenden Jahren gewissermaßen einen Stammplatz in der Zeitung erhalten. So berichteten die ENN wenig später von den Fortschritten auf der Baustelle der Kreisklinik. Viele weitere sollten folgen, die Dauerbaustelle im Dienste der Kreis-Gesundheit war, ist und wird auch weiterhin von Interesse sein. Am selben Tag übrigens, und zu einer Zeit, als noch niemand über G8 oder G9 mit oder ohne plus und minus debattierte, stellten die ENN die Frage "Überfordert die Schule Lehrer und Schüler?". Thema war der Leistungsdruck an den Gymnasien und die Argumente wirken sehr vertraut: zu wenig Freizeit, zu viel Schulstoff und stupides Pauken statt Denken und Verstehen.

Auch über ein anderes Problem berichteten die ENN schon vor 40 Jahren: den Wohnungsmangel. So warnte ein Experte bereits 1977 davor, wenn nicht bald mehr Mietwohnungen gebaut würden, drohe "der Schwarze Markt mit all seinen Auswüchsen". Ebenfalls aktuell klingen die schon damals erhobenen Forderungen an Genossenschaften und Kommunen, mehr für bezahlbare Wohnungen zu tun.

Nicht ganz neu sind auch die Klagen über Verkehr und den Ausbau von Verkehrswegen. Im Jahr 1977 beispielsweise war das große Thema der Weiterbau der Autobahn 94, beziehungsweise die Suche nach einer geeigneten Trasse dafür. Die Debatte ähnelte jenen, die man in den kommenden 40 Jahren, etwa zu Ortsumfahrungen, immer wieder zu hören und zu lesen bekam: Die neue Straße hätte man schon gerne, aber nur, wenn sie möglichst weit weg von der eigenen Ortschaft verläuft.

Zum Glück kein Déjà-vu gibt es bei einem anderen Verkehrsthema: den Unfalltoten, denen man in den alten Ausgaben der ENN alle paar Seiten begegnet. Kein Wunder, die 1970er und 1980er Jahre waren die gefährlichsten für Verkehrsteilnehmer. Laut Statistik kamen damals durchschnittlich jeden Tag zehn Menschen auf den Straßen des Freistaates ums Leben, gut fünf mal mehr als heute. Aber auch die Berichterstattung darüber hat sich gewandelt. Eine Überschrift wie sie etwa am 17. Oktober 1977 zu lesen war: "Auto erfasst Fußgängerin - Am Mittwoch Beerdigung in Ebersberg" würde heute wohl ebenso wenig den Weg in die Zeitung finden wie die damals alle paar Tage abgedruckten Fotoserien bis zur Unkenntlichkeit verbeulter und zerdrückter Unfallwagen samt Blutflecken und Leichentüchern.

Und manche Nachricht, die vor 40 Jahren geschrieben wurde, wirkt heute nur noch kurios. So berichteten die ENN im September 1977 von einem wissenschaftlich wie wirtschaftlich wegweisenden Projekt: der Suche nach Gas- und Ölvorkommen im Landkreis mittels neuartiger Sonartechnik. Eine fahrbare "mit ihren vielen Bildschirmen und Meßzeigern kaum übersehbare Computeranlage" bildete das Herzstück der aus mehreren Spezial-Lastwagen bestehenden Kolonne, die vor allem nachts im südlichen Landkreis unterwegs war. In Zeiten, in denen man sich auf die Energiewende vorbereitet, kaum zu glauben. Zumindest auf den ersten Blick: Denn nur knapp zwei Jahre ist es her, als eine britische Explorationsfirma die Genehmigung erhielt, sich im südlichen Landkreis auf die Suche nach Öl und Gasvorkommen zu machen. Gefunden wurde bislang aber genauso viel oder wenig wie vor 40 Jahren. Manchmal lohnt sich eben doch ein Blick in die Zeitung von gestern.

© SZ vom 06.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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