Es ist ein sonniger Sommertag im Jahr 1973, als die Weltstadt mit Herz Klein-Paris spielt. Neben dem Viktualienmarkt, dort, wo heute die Schrannenhalle steht, herrscht heillose Unordnung. Auf dem ersten Blick könnte man vermuten, dass kurz zuvor ein Antiquitätenladen, ein Kaufhaus und ein Möbelgeschäft gleichzeitig in die Luft geflogen seien und sich die Sortimente rund um den Hochbunker an der Blumenstraße verteilt haben. Es ist ein ungewohnter Anblick für jene Münchner, die noch nie den "Les Puces de Paris Saint-Quen" besucht haben, den seit circa 1890 existierenden und damit ältesten Flohmarkt Europas.
An diesem 21. Juli 1973 begann auch in München die Flohmarktgeschichte, begleitet von Wohlwollen, aber auch Skepsis der Stadtväter. "Des Bürgers Wille ist sein Himmelreich", lautete die Parole im Wirtschaftsamt der Stadt. Es dürfe jedoch kein städtisch sanktionierter Müllumschlagsplatz entstehen, warnte die Behörde gleichzeitig. Für die Entwicklung der Trödlerszene in der Landeshauptstadt hatte der Ablauf des Premierenflohmarktes eine eminente Bedeutung. Wenn alles diszipliniert über die Bühne gehe, so hieß es aus dem Wirtschaftsamt, könne man über weitere Flohmärkte in anderen Stadtteilen reden.
Der erste Flohmarkt übertraf alle Erwartungen. Tausende Münchner und Touristen drängten sich am Nachmittag um die Tische von 300 Amateurtrödlern. "A so vui Graffe auf oam Haufa hab i no nia g'sehng", wird ein alter Münchner in der SZ zitiert. Zu dem "Graffe" gehörte unter anderem der Schleudersitz eines Starfighters, der für 205 Mark den Besitzer wechselte. Und weil die Premiere wunschgemäß diszipliniert verlaufen ist, stand weiteren Flohmärkten im Stadtgebiet nichts mehr im Wege. Bald darauf schon hatte auch Schwabing seine Flohmarktszene. Heute ist kein Stadtviertel mehr ohne Flohmarkt. Nur einen gibt es nicht mehr: den an der Blumenstraße.