Ruderunglück vor Gericht:Fahrlässige Versäumnisse

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Forderung nach ausführlicher juristischer Aufarbeitung des Starnberger Todesfalles

"Ohne Aufsicht ertrunken" vom 7./8. September und "Prozess um Ruderunglück wackelt" vom 7./8. September (Starnberger SZ):

Wie ich der Süddeutschen Zeitung vom 7. September entnehmen musste, erwägt das Amtsgericht Starnberg die Einstellung des Verfahrens gegen die beiden Übungsleiter, welche den Unfall des 13-jährigen Schülers vom 19. April 2015 beim Rudern auf dem Starnberger See zu verantworten haben. Meine Frau, ich, meine drei erwachsenen Söhne und meine Schwiegertöchter wenden sich ganz entschieden gegen die Einstellung des Verfahrens. Als ehemaliger Ruderer und Trainer eines "Achters" halte ich es für nicht nur leichtsinnig, sondern völlig verantwortungslos, einen unerfahrenen 13-jährigen Schüler bei Wassertemperaturen von 8 Grad Celsius ohne entsprechende Schutzkleidung in ein Ein-Mann-Ruderboot zu setzen, selbst wenn das Wetter völlig ruhig ist.

Ein derartiges Boot lässt sich nur mit Erfahrung ausbalancieren. Wird das Ruderblatt nicht senkrecht, sondern schief eingesetzt, was bei Anfängern immer wieder vorkommt, zieht sich das Ruder auf der betreffenden Seite in die Tiefe und bringt leicht das Boot zum Kentern. Die Ruderer sprechen in diesem Fall vom "Fangen eines Krebses".

Ein Kind ohne Begleitung und Aufsicht bei den kühlen Wassertemperaturen ohne entsprechende Schutzkleidung auf den See zu lassen, ist schlichtweg unverantwortlich.

Leider erweist es sich immer wieder, dass Trainer, Bergführer et cetera aus falschem Ehrgeiz und in Selbstüberschätzung und Überschätzung der sportlichen Fähigkeiten der ihnen anvertrauten Personen leichtsinnige Aktionen vornehmen. So ist es in der Vergangenheit auch wiederholt zu Lawinenunfällen unter Bergführern gekommen. Meiner Frau und mir bleibt es bis heute unvergessen, wie uns vor vielen Jahren ein Bergführer ohne jede Not in einen Lawinenhang geführt hatte, dann aus Angst vor Lawinen weggefahren war und uns allein im Lawinenhang zurückgelassen hat. Ich erinnere mich auch noch eines Unfalls, als es bei einer Drachenregatta zu einem Todesfall gekommen ist, weil die Regattaleitung bei Sturmwarnung die Regatta nicht rechtzeitig abgebrochen hatte.

Bei dem Unfall vom 19. April 2015 handelt es sich leider um keinen Einzelfall. Deshalb besteht in meinen Augen sehr wohl ein ganz erhebliches öffentliches Interesse daran, dem falschen Ehrgeiz hauptberuflicher oder aber auch ehrenamtlicher Übungsleiter, der leichtfertig Menschenleben aufs Spiel setzt, mit Entschiedenheit Einhalt zu gebieten. Eine etwaige Einstellung des Verfahrens halte ich für einen ausgesprochenen Skandal.

Ich habe selbst vor circa 20 Jahren miterlebt, wie zwei Jugendliche bei Sturmwarnung mit ihrem Laser-Segelboot im April mitten auf dem See gekentert waren und der eine bereits vom Boot abgetrieben und unmittelbar vor dem Ertrinken war, ehe beide Kinder in letzter Minute gerettet werden konnten. Wenn man so etwas miterlebt hat, ist vollständig klar, dass man bei den niedrigen Wassertemperaturen ein Kind - noch dazu ohne Schutzkleidung - nicht aus den Augen verlieren darf. Dr. Dr. Oswald Braun, Starnberg

© SZ vom 02.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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