Rot-Grün contra Stadtwerke:Keine Kohle

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Das Rathausbündnis untersagt den Stadtwerken, in weitere klimaschädliche Kraftwerke einzusteigen.

Jan Bielicki

Einen Einstieg der Stadtwerke in weitere Kohlekraftwerke "halte ich aus heutiger Sicht für völlig falsch", erklärte Ude der SZ. Das sei auf einer Experten-Anhörung des Stadtrates am Donnerstag "sehr deutlich geworden".

Stadtwerke-Chef Kurt Mühlhäuser bestätigte, dass sein Unternehmen sich nach der Beteiligung an einem neu zu bauenden Meiler in Herne nun doch nicht in weitere Kohlekraftwerke einkaufen werde. "Was nicht möglich sein soll, ist halt nicht möglich", sagte Mühlhäuser der SZ.

Damit haben sich nach den Grünen nun auch der OB und eine Mehrheit in der SPD-Fraktion von dem energiepolitischen Grundsatzbeschluss verabschiedet, zu dem sich die beiden Koalitionspartner im Herbst 2006 durchgerungen hatten.

Darin hatten sie das Vorhaben Mühlhäusers unterstützt, die Stadtwerke an Steinkohlekraftwerken in Nordrhein-Westfalen zu beteiligen. Mühlhäuser wollte so den Strom ersetzen, der derzeit noch aus dem Atomkraftwerk Ohu kommt. Der Atommeiler, der den Stadtwerken zu einem Viertel gehört und in dem sie rund 37 Prozent ihres Stroms erzeugen, soll 2019 vom Netz gehen.

Dass nun auch Sozialdemokraten von der Kohlestrom-Strategie ihres Parteifreundes Mühlhäuser abrücken, liegt vor allem an einer Entscheidung, die am Mittwoch die Große Koalition getroffen hatte.

Danach erhalten Kraftwerksneubauten jene Zertifikate, die ihnen den Ausstoß des Klimagiftes Kohlendioxid (CO2) erlauben, nun doch nicht kostenlos, wie von der Bundesregierung ursprünglich vorgesehen. Ein Teil dieser Zertifikate wird versteigert - was die Stromproduktion erheblich verteuert.

Alternativen unklar

"Der CO2-Ausstoß wird deutlich teurer werden", erklärte Franzjosef Schafhausen vom Bundesumweltministerium während der Anhörung im Stadtmuseum. So würden derzeit die Zertifikate für bloße 13 Cent pro ausgestoßene Tonne Kohlendioxid gehandelt, für die von 2008 an benötigten Berechtigungsscheine seien aber bereits rund 23 Euro pro Tonne CO2 fällig - eine Preisexplosion um mehr als das Hundertfache.

Und nach 2012, so der für den Emissionshandel zuständige Ministerialrat, "wird die Luft noch dünner". Andere Experten wie Jörg Schindler von der Denkfabrik Ludwig-Bölkow-Systemtechnik stellten Prognosen vor, nach denen auch Kohle, ähnlich wie Gas, auf den Weltmärkten immer knapper und damit teurer wird.

"Unser Unbehagen an der Kohle hat sich bestätigt", fasste die stellvertretende SPD-Fraktionschefin Constanze Lindner-Schädlich die im Vorfeld zum "Klimagipfel" hochgejubelte Anhörung zusammen. Noch nicht klar erscheinen jedoch die Alternativen zur Kohlepolitik, die zu prüfen die Koalition den Stadtwerken nun auferlegen wollen.

Mühlhäuser hatte in der Anhörung noch für einen "Risiko-Mix" bei Kraftwerks-Investitionen geworben und gewarnt, dass die Stadtwerke wegen der zunehmenden Regulierung der Netze ihr Geld künftig eher in der Stromproduktion als im Stromhandel verdienen müssten. Die umstrittenen Kohlekraftwerke würden ohnehin gebaut, sagte auch der Ministerialbeamte Schafhausen, "die Entscheidung von München hat darauf keinen Einfluss".

"Die Stadtwerke werden uns für den Ausstieg noch mal dankbar sein", meinte dagegen ein führender Grüner. Michael Mattar, der OB-Kandidat der FDP, sah durch die Anhörung jedoch nur "den wirtschaftlichen Wahnsinn des Atomausstiegs" bestätigt. Die CSU wollte nicht einmal hören, was die Experten zu sagen hatten. Kein einziger ihrer Stadträte war ins Stadtmuseum gekommen.

© SZ vom 22.6.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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