Risiken:Umstrittene Alternative

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Noch gibt es keine Klarheit darüber, ob der Zigarettenersatz gefährlich ist

Von Stephan Handel, München

Jede technische Neuerung teilt die Menschheit zunächst in zwei Gruppen, wahrscheinlich seit der Erfindung des Rades: Begeisterung und sofortige Benutzung auf der einen Seite - Warnung, Bedenken und Betonung möglicher Gefahren auf der anderen. So ähnlich ist das auch bei der E-Zigarette, hier besonders ausgeprägt, weil harte Fakten über Langzeit-Folgen noch nicht vorliegen können. Erst seit fünf Jahren wächst die Zahl der Dampfer, und ob sie etwa einem erhöhten Krebs-Risiko ausgesetzt sind, das wird man erst untersuchen können, wenn eine ausreichende Menge über einen langen Zeitraum gedampft hat.

Dennoch gibt es natürlich Gruppen, denen die potenzielle Gefährdung reicht, um zu warnen vorm Dampf. Zuletzt hat das, heuer im Mai, eine Koalition aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg und dem Aktionsbündnis Nichtrauchen getan, dabei unterstützt von einer Vielzahl medizinischer Fachgesellschaften und anderen, der Gesundheit verpflichteten Vereinigungen. In einem Memorandum weist das Bündnis darauf hin, dass der Dampfer mit jedem Zug ein Gemisch inhaliert, dessen Bestandteile alles andere als unbedenklich sind: Propylenglykol, Glyzerin, Aromastoffe, meistens auch Nikotin. Der Dampf enthalte krebserregende Stoffe - in geringer Menge zwar, aber es gebe keinen Schwellenwert, unterhalb dessen ihre Aufnahme unbedenklich sei. Das Propylenglykol könne zu Atemwegsirritationen führen, der beigemischte Aromastoff zu allergischen Reaktionen. Und Nikotin ist und bleibt ein Nervengift; bei Schwangeren könne es das Ungeborene schädigen.

Die Befürworter der E-Zigarette hingegen betonen ihre Vorteile gegenüber dem herkömmlichen Tabak-Konsum: Beim Abbrennen einer Zigarette entsteht das hauptsächliche Risiko ja nicht durch das inhalierte Nikotin - sondern durch die Aufnahme von Stoffen, die der Raucher nicht unbedingt braucht, die aber durch den Verbrennungsprozess unvermeidbar eingeatmet werden, Kohlenmonoxid und Teer in erster Linie. Das falle bei der E-Zigarette ganz weg, weil ja nichts verbrannt werde.

Als weiteres Argument für den Dampf wird angeführt, er könne helfen, mit dem Rauchen aufzuhören. Auch dazu ist der Forschungsstand noch recht unklar. Wenn überhaupt, wird die Frage mit einem mehr als vorsichtigen Ja beantwortet: In einer Studie schafften es neun Prozent der beteiligten Raucher aufzuhören, ihr Dampf war mit Nikotin versetzt. In einer Placebo-Gruppe, die nikotinfrei dampfte, gelang nur vier Prozent der Ausstieg. Das gilt jedoch natürlich nur bei Menschen, die zuvor Tabak-Zigaretten geraucht haben - bei Jugendlichen, so warnen Experten, könnte die E-Zigarette exakt den umgekehrten Effekt haben: Als gefahrlose Alternative zum Rauchen angepriesen, könnte sie Beginnern das "Rauch-Ritual" schmackhaft machen und sie eventuell verleiten, auch mal eine "richtige" Zigarette zu probieren. Bei einer Studie an 75 000 koreanischen Jugendlichen kam heraus, das der Konsum von Tabak bei vielen von ihnen durch die E-Zigarette nicht reduziert, sondern im Gegenteil noch gesteigert wurde.

Aus der unsicheren Faktenlage schließt das Aktionsbündnis aus Krebsforschern und Nichtraucherschützern in seinem Memorandum: "Vorsicht ist geboten." Die EU sieht das wohl ähnlich - unterscheidet aber in der neuen Tabak-Richtlinie, die 2016 in Kraft tritt, zwischen nikotinfreien und nikotinhaltigen Angeboten. Nur für letztere gelten die Bestimmungen. Zu ihnen gehört unter anderem ein Werbeverbot für E-Zigaretten und die zu ihrem Betrieb nötigen Zusatzprodukte. Ein Verbot des Verkaufs an Jugendliche enthält die Richtlinie aber nicht.

© SZ vom 18.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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