Retuschiertes Stadtplakat:Uptown-Tower zu unfotogen

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Der Plakatdruck zum 850. Stadtgeburtstag treibt seltsame Blüten: Weil die aktuelle Ansicht nicht gefiel, hat die Agentur den Turm wegradiert.

Bernd Kastner

Gewonnen hatte er längst, doch nun hat Georg Kronawitter auf ganzer Linie gesiegt. Per Bürgerentscheid verhinderte der ehemalige Oberbürgermeister einst neue Wolkenkratzer in München, allein, den Bau des Uptown-München-Turmes konnte er nicht mehr stoppen.

Stadtansicht ohne Uptown Tower. (Foto: Foto: LHM)

Doch nun, drei Jahre später, ist der "Vierkantbolzen" wieder weg. Ausradiert. Was durchaus wörtlich zu verstehen ist.

Und das kam so. Für den 850. Stadtgeburtstag im kommenden Jahr wirbt München mit einem großen Plakat. Auf dem ist - hinter klatschenden Händen, goldenen Luftballons, dem Rathausturm und der Frauenkirche im Vordergrund - die Stadtsilhouette zu sehen.

Am nördlichen Horizont finden sich Olympiaturm und BMW-Hochhaus - aber kein Uptown-Tower. Ein einhundertsechsundvierzig Meter hohes Haus - verschwunden. Hat man etwa ein Uralt-Motiv verwendet?

Das schärfste Bild Münchens

Nein, sagt Henriette Wägerle, überlegt ein wenig, und sagt dann nochmals: nein! Sie hat im Referat für Arbeit und Wirtschaft das Erstellen des Plakates ge-managt. Das sei doch eine recht aktuelle Aufnahme gewesen, da müsste das Hochhaus drauf sein. Doch wo ist es geblieben? Frau Wägerle ist überrascht, und sie tut nicht nur so.

An diesem Gebäude am Georg-Brauchle-Ring hatte sich vor Jahren der Streit um neue Hochhäuser entzündet. Für Kronawitter & Co. war es die Ausgeburt verschandelnder Architektur. Der Alt-OB setzte sich durch, und seither darf in München nicht mehr höher als 100 Meter gebaut werden. Der Uptown-Turm aber war da schon fast fertig.

Kann es also vielleicht sein, dass sich München des Hauses nun doch schämt und damit nicht in Hamburg und Berlin für "das Fest des Jahres" in der Bayern-Metropole werben will.

Nein, nein, sagt Wägerle ganz energisch, es habe überhaupt keinen offiziellen Auftrag zum Verschwindenlassen gegeben. Und nein, man schäme sich natürlich nicht. Was man seitens der Stadt den Plakatmachern gesagt habe, war nur, dass sie doch bitte den Olympiaturm und das BMW-Haus "ein bisschen" betonen sollten, sprich: größer machen.

Anruf bei Wolfgang Roucka. Der Münchner Fotograf hat die Panorama-Aufnahme der Stadt gemacht, sie hängt derzeit am Gerüst des Rathauses. Roucka ist, man hört es, mächtig stolz auf dieses Foto, weil es der Oberbürgermeister als "das schärfste Bild Münchens" gelobt habe, und weil es bei Christian Ude im Amtszimmer hänge.

Künstlerische Freiheit der Plakatmacher

Als vergangenes Jahr, bei der Fußball-WM, Fernsehteams aus aller Welt in diesem Büro waren, haben sie sein Foto abgefilmt, und so haben japanische oder brasilianische TV-Zuschauer München via Rouckas Foto kennengelernt. Er habe das mit einer speziellen Technik gefertigt, 2005 ist er mitsamt Equipment auf den Alten Peter gefahren, mit dem Lastenaufzug, denn der Turm war praktischerweise eingerüstet.

Dass an seinem Bild etwas verändert wurde, das habe er erst bemerkt, als er kürzlich das Werbeplakat in der SZ abgedruckt sah. "Ach", habe er sich gedacht, "da ist ja das Uptown-Hochhaus weg." Dass nicht nur der eine Turm verschwand, sondern zwei andere größer wurden, das hatte er nicht bemerkt. Aber egal, meint Roucka, "das ist die künstlerische Freiheit" der Plakatmacher.

Er habe kein Problem damit, auch nicht, dass er nicht gefragt worden sei. Und mal ehrlich, auch in Vor-Digitalen-Zeiten sei verändert worden, meint Roucka: "Eine gewisse Manipulation zum besseren Bild hat's schon immer gegeben."

Gefertigt - oder, um es in der Sprache der PR-Branche zu sagen, "composed" - hat Münchens Geburtstags-Plakat die Kommunikations-Agentur Heller und Partner. Die Firma arbeitet regelmäßig mit der Stadt zusammen und kennt sich aus mit Türmen: Beim Hochhausentscheid 2004 machte Heller die PR - pro Hochhäuser. Und nun hat eben diese Agentur Münchens höchstes Hochhaus eliminiert.

Andreas Timm, Mitarbeiter der Agentur, legt ein paar Plakat-Versionen auf den Tisch und erklärt, wie es dazu kam. Auf Rouckas Foto bilden Dachfirst der Frauenkirche und Horizont eine Linie - bis auf Uptown.

Der Turm spitzelt ein wenig hervor, und wer weiß, wie das auf den flüchtigen Betrachter aus Hamburg oder Berlin wirkt. Wie ein Kamin? Wie das Abluftrohr des Domes? Die Gefahr der Häme angesichts so einer komischen Kirche sei groß gewesen. Also sei leider nur geblieben, das schwer identifizierbare Rechteck zu entfernen.

Damit aber nicht genug der Veränderungen. Das Roucka-Foto sei aufgrund seiner Detailgenauigkeit zwar "die beste Aufnahme, die es von einer Stadt gibt", lobt Timm, aber es berge so manche Tücke. Der Horizont schließt mit dem Dachfirst nämlich nicht ganz exakt ab. Ein bisschen schaut auf dem Original noch hervor, etwas Grünes, Bäume vielleicht, aber das könnte wie Moosbesatz auf dem Domdach wirken.

Zumal diese Stelle auf einer großen Werbetafel genau auf Augenhöhe des Betrachters wäre. Also fiel auch ein Teil des Horizonts dem PC-Radierer zum Opfer. Gelassen hat man überm Kirchenfirst nur die Spitzen des Olympiadachs.

Man hört dann noch, dass solches Aufhübschen gang und gäbe sei. Man glaube gar nicht, was in Köln etwa gemacht werde, um den Dom besser aussehen zu lassen. Oder in Berlin, wo die Baukräne stören. Die Veränderungen am München-Bild, sagt Timm, seien jedenfalls "rein aus ästhetischen Gründen" geschehen. Und: Es sei die Entscheidung der Agentur gewesen, die Stadt habe man nicht gefragt.

Die aber habe dem vorgelegten Entwurf nicht widersprochen. Mittlerweile sind die Plakate in Druck, demnächst werden 1200 davon in großen deutschen Städten geklebt. Und wer weiß, vielleicht spaziert Georg Kronawitter bald durch Hamburg. Und wenn dann sein Blick auf seine Stadt fällt, wird er lächeln und lesen: "München mag dich."

© SZ vom 24.7.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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