Religion und Reichtum:Glaube, Geld und Hoffnung

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Oberbayern ist nicht nur eine der katholischsten, sondern auch der reichsten Regionen in Deutschland. Das lässt vermuten, dass Religion und Reichtum etwas miteinander zu tun haben - aber was?

Nikolaus Piper

Beim Besuch des bayerischen Papstes in seiner Heimat feiert sich das katholische Deutschland auch ein bisschen selbst. Und wer das alles im protestantischen oder heidnischen Norden vor dem Fernseher sieht, dem muss der katholische Süden als die glücklichere Hälfte der Republik erscheinen: wohlhabend und mit sich und Gott im Reinen. Oberbayern ist nicht nur eine der katholischsten, sondern auch der reichsten Regionen.

Noch vor vierzig Jahren sah die Welt anders aus. Da litten viele Katholiken unter regelrechten Minderwertigkeitskomplexen. Der katholische Süden war zurückgeblieben, der protestantische Norden machte das Wirtschaftswunder - so war das Klischee.

Das stimmte zwar noch nie ganz, aber es gab doch genügend Indizien, um es am Leben zu halten: Niedersachsen boomte früher als Niederbayern, das evangelische Nordwürttemberg war erfolgreicher als das katholische Südbaden. Letzteres war ein starkes Motiv für den (katholischen) baden-württembergischen Ministerpräsidenten Kurt-Georg Kiesinger (CDU), in Konstanz eine Universität zu gründen.

Erlösung der Reichen

Heute scheint alles umgekehrt zu sein, umso mehr stellt sich die Frage: Hat Religion etwas mit wirtschaftlichem Erfolg zu tun? Der Diskurs über das Thema wird bis heute geprägt durch Max Weber, genauer: durch eine sehr verengte Interpretation von dessen Werk "Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus" von 1907.

In der Schrift - einer der einflussreichsten des 20. Jahrhunderts - untersucht Weber sehr breit die Entwicklung von Protestantismus, Rationalismus und Industriegesellschaft. Besonders wirkmächtig wurde dabei Webers Auseinandersetzung mit Calvin und dessen Prädestinationslehre.

Nach Calvin hat Gott von Anfang an entschieden, welche Menschen erlöst werden und welche nicht. Der einzelne Gläubige weiß nie mit Sicherheit, ob er dazu gehört; allerdings kann materieller Erfolg ein Indiz dafür sein.

Daher treibt eine Mischung aus Angst und Selbstvergewisserung die Menschen zu Höchstleistungen an - ideale Voraussetzung für Kapitalakkumulation und Wirtschaftswachstum.

Berufen von Gott

Nun mag dies den Wohlstand der calvinistisch geprägten Niederlande oder der Vereinigten Staaten erklären - einer der Zeugen Webers ist der calvinistisch erzogene Präsident Benjamin Franklin -, Deutschland wurde jedoch von Martin Luther reformiert - und der kannte keine Prädestinationslehre.

Die Lutheraner predigen zwar ebenfalls den Wert der Arbeit, betonen dabei aber besonders, dass Gott die Menschen in ihren Beruf stellt, so wie es in einem Kirchenlied heißt: "Gib, daß ich tu' mit Fleiß / Was mir zu tun gebühret / Wozu mich dein Befehl / In meinem Stande führet!"

Daraus lässt sich ein hohes Arbeitsethos ebenso ableiten wie die Scheu vor wirtschaftlichem Wandel. Ein Nachhall findet sich in den Globalisierungsdebatten der Evangelischen Kirche in Deutschland.

Sicher ist, dass sich protestantische Ethik und wirtschaftlicher Erfolg gut vertragen. In früheren Zeiten zeigten dies französische und Salzburger Protestanten, die nach Preußen auswanderten, heute finden sich Belege im relativen Erfolg der protestantischen Minderheit in Frankreich.

Erfolgreiche Minderheiten

Generell waren und sind viele religiöse Minderheiten auffallend erfolgreich: die Juden in Europa, die Mormonen in Amerika, die Sikhs in Indien. Bemerkenswert auch, dass die Länder, in denen die westlichen Kirchen - Protestanten und Katholiken - dominieren, wesentlich erfolgreicher sind als jene unter dem Einfluss der Ostkirchen.

Das könnte mit dem heiligen Benedikt von Nursia zusammenhängen, der dem westlichen Mönchstum eine fast protestantische Arbeitsethik und ein Modell für Effizienz hinterließ. Die ersten großen Kapitalisten, die Medici, die Fugger und die Welser, waren im übrigen gute Katholiken.

Schwer deutbar die Entwicklung im Islam. Bis ins 14. Jahrhundert hinein war das Morgenland wirtschaftlich wesentlich weiter als das Abendland. Dann brach die Entwicklung ab - möglicherweise, weil damals die aufklärerischen Kräfte im Islam, die für eine kritische Distanz zur überlieferten Tradition eintraten, an Einfluss verloren.

Glaube an die Marktwirtschaft

Friedrich A. von Hayek, der Wirtschafts-Nobelpreisträger von 1974, hat sich des Themas auf eine Weise genähert, die für viele Christen gewöhnungsbedürftig ist. Hayek, der für sich den Glauben an einen persönlichen Gott explizit ablehnte, vertrat die These, dass der Glaube an Gott die Menschen zu ökonomisch vernünftigem Verhalten angehalten hat, zum Beispiel zu Ehrlichkeit, Vertragstreue, Respekt vor dem Eigentum und der Familie.

Für Hayek ist das elementar: "Und selbst ein Agnostiker muss zugeben, dass wir unsere Moral und die Traditionen, die nicht nur unsere Zivilisation, sondern nachgerade unsere Existenz ermöglicht haben, dem Festhalten an wissenschaftlich so unannehmbaren Tatsachenbehauptungen verdanken."

Im Gegensatz zu Hayek waren viele Gründerväter der Sozialen Marktwirtschaft tief gläubig: Walter Eucken etwa, Franz Böhm, Adolf Lampe und Alfred Müller-Armack, der den Begriff "Soziale Marktwirtschaft" prägte. Er forderte nach 1945 eine regelrechte "Re-Christianisierung" als Voraussetzung für die Gesundung von Staat und Wirtschaft.

Wahrscheinlich werden die ganzen Forschungen zu Religion und Ökonomie nie ein definitives Ergebnis bringen. Zumindest aber können sie die Gläubigen lehren, dass diesseitiges und jenseitiges Heil kein Widerspruch sein müssen.

Aber das haben die alten Benediktiner auch schon gewusst.

© SZ vom 14.9.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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