Religiöse Feste:Dem Osterhasen auf der Spur

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Kindertageseinrichtungen begehen vor allem christliche Feiertage, können aber auch andere Feste feiern

Von Melanie Staudinger

Kurz lassen sich die Kinder von ihrem eigentlichen Vorhaben ablenken. Der Osterhase, so berichtet ihre Erzieherin, hat eine Spur gelegt. Und tatsächlich, die Terrassentür ist weit geöffnet. Die Mädchen und Jungen blicken neugierig hinaus. Den Osterhasen müssen sie knapp verpasst haben. Dann fällt ihnen ganz plötzlich wieder ein, warum sie hier sind: Ostereiersuchen. Die Kinder schwärmen im Raum der Mullewapp-Gruppe aus, durchsuchen Regale, schauen in Kisten und unter Stühle - solange, bis jeder seine Papiertüte gefunden hat. Die Kinder wissen, wie ihr Geschenk aussieht, sie haben die Tüten zuvor selbst bemalt. Ein Stück Schokolade darf jeder sofort essen, der Rest ist für daheim gedacht.

Ostertüten statt Nester: Im Kinderhaus der AWO in Oberföhring haben die Kinder der Mullewapp-Gruppe alle versteckten Süßigkeiten gefunden. (Foto: Robert Haas)

Es ist ein normaler Ferientag im Kinderhaus der Arbeiterwohlfahrt am Hochstiftsweg im Stadtteil Oberföhring. Die Jungs aus dem Hort sind zum Bouldern aufgebrochen, in der Krippe wird fleißig gemalt und im Kindergarten steht heute alles im Zeichen des Osterhasen. In den AWO-Einrichtungen entscheiden Kinder und die Eltern über das Programm mit und damit auch, welche Feste in den Kita-Alltag integriert werden. "Wir überlegen genau, welche Feiern wir größer machen und welche nicht ", sagt Leiterin Nina Wallner. Ihre Einrichtung betreut 124 Kinder - der Organisationsaufwand für Feierlichkeiten ist entsprechend hoch. "Weihnachten und das Sommerfest sind gesetzt", sagt Wallner. Ostern hingegen feiere jede Gruppe für sich. Ärger hat es in Oberföhring wegen des christlichen Festes noch nie gegeben, auch wenn etwa jedes fünfte Kind in der Kita keine deutschen Wurzeln hat.

In der Caritas-Krippe Schmetterlingsbaum in Obersendling haben Erzieher und Kinder eine Osterkerze gebastelt. (Foto: Robert Haas)

So viel Harmonie hätte sich die AWO im Landkreis Ebersberg wahrscheinlich gewünscht. In Markt Schwaben machte die Runde, dass die dortige Kita Villa Drachenstein das Osterfrühstück durch einen Brunch zum St.-Patrick's-Day ersetzt habe. Der Pfarrer rebellierte, Lokalpolitiker liefen Sturm und sogar im Landtag schimpfte die Münchner Abgeordnete und neue Integrationsbeauftragte Mechthilde Wittmann (CSU), dass die AWO das Betrinken feiere.

Christoph Frey, Geschäftsführer der AWO in München, kann die Aufregung nicht verstehen. In AWO-Kitas gebe es interkulturelle Kalender, in die alle Feste eingetragen würden, die die Familien der Kinder zu Hause feierten. Personal, Eltern und Kinder setzen dann Schwerpunkte. "In Markt Schwaben ist das Osterfest nicht ausgefallen", sagt Frey. Der St.-Patrick's-Day sei zusätzlich begangen worden. Was wiederum nicht verboten ist. Das bayerische Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz schreibt lediglich vor, dass alle Kinder "zentrale Elemente der christlich-abendländischen Kultur" erfahren sollen. Die städtischen Tagesstätten in München halten es genauso wie die AWO. Sie entscheiden gemeinsam mit den Eltern, welche Feste gefeiert werden, wie eine Sprecherin des Bildungsreferats erklärt. Allgemeingültige Vorschriften existierten nicht. "Es gibt auch einige Kitas, die - je nach Zusammensetzung der Gruppen - die Feste interreligiös feiern", sagt die Sprecherin. Islamische Feste seien genauso selbstverständlich wie jüdische oder christliche, auch wenn mancher Politiker das nicht wahrhaben will.

In konfessionellen Kindertageseinrichtungen wie denen der Caritas werden christliche Feiertage grundsätzlich thematisiert. "Wir feiern Erntedank, Sankt Martin, Sankt Nikolaus, Weihnachten und Ostern", sagt Eden Iyob, Leiterin der Caritas-Kinderkrippe Schmetterlingsbaum nahe dem Luise-Kiesselbach-Platz. Wichtig sei, die Bedeutung der Feiertage auch an die Eltern zu vermitteln - weshalb alle Aktivitäten in der Krippe von Aushängen begleitet sind. "Wir erklären zum Beispiel an Nikolaus, dass wir den Heiligen Nikolaus feiern, und nicht den Weihnachtsmann von Coca Cola", sagt Iyob. Zu Sankt Martin gebe es eine Martinsgans: "Die essen alle Kinder unabhängig von ihrer Religion gerne." Und zu Ostern haben die Kinder mit einer Erzieherin eine Osterkerze gestaltet, die nun beim Morgenkreis brennt - unter Einhaltung sämtlicher Brandschutzvorgaben. "Wir wollen die Religion über die Atmosphäre spürbar machen", sagt Iyob.

© SZ vom 28.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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