Reittraining ohne Worte:Schmerzfrei, aber mit Gefühl

Lesezeit: 2 min

Erster vorsichtiger Kontakt: Trainer Bernd Hackl mit seinem Quarter-Hengst. (Foto: Hubert Fischer)

Überraschend Neues und nicht ganz so Neues bei Pferd International in Riem

Von Eva-Elisabeth Fischer

Die Sonne strahlt, der Himmel auch. Über der Olympia-Reitanlage liegt entspannte Heiterkeit. Wie schön, dass Pferd International diesmal nicht im Matsch versinkt! Auf den Hüpfburgen ist Hochbetrieb ebenso wie an den Eisständen. Am Reitplatz für die Schaureiter pesen pfeffrige Ponys bei Geschicklichkeitsspielen Richtung Ziel, während ihre Reiterinnen nach Socken in Eimern fischen oder Becher von Stange zu Stange versetzen. Das alles im rasenden Galopp, unterbrochen von ebenso halsbrecherischem Stop and go.

Ein Mordsspaß ist das und eine prima Einstimmung auf einen inzwischen auch televisionell vermarkteten Platzhirschen unter den Pferdetrainern: Bernd Hackl aus dem Allgäu, Westernreiter mit lockerem Sitz und ebensolchem Mundwerk. Wie er da seinen zweijährigen Quarter-Hengst am langen Strick umherschickt, wo er ihn hinhaben will - ohne ein Wort, dafür aber mit umso beredterer Körpersprache, eine Schau! Hackl ist kein Freund von Stimmhilfen: "Ich möchte meinem Pferd nicht den jeweiligen Stand meiner Verzweiflung mitteilen", sagt er. Die Pointe sitzt, die Leute lachen. Der Jungspund, roh, also noch nicht angeritten, merkt auch nonverbal schnell, wo dem Hackl sein Hammer hängt: Also hübsch Abstand halten und immer brav in die richtige Richtung gehen.

Das Training von Bernd Hackl schmückt täglich zweimal das Show-Programm der Pferd International als bestens besuchte Attraktion. Denn der Mann, der junge Pferde und reitende Frauen gleichermaßen betört, ist ja nicht nur wegen seiner Trainerfähigkeiten so beliebt. Ebenso gut beherrscht er das Sprüche-Klopfen und erzählt dann, auch wenn er im Fernsehen und sonstwo als "Pferdeflüsterer" vermarktet wird, was seine Mama immer gesagt hat: "Wer flüstert, lügt." Und lügen tut Hackl bestimmt nicht. Nur vergaloppiert er sich schon mal verbal, wenn er den allerdings glimpflichen Reitunfall eines Mannes kommentiert, der sein Pferd nicht im Griff hatte. Was der verdient hat? - "Genickschuss", befindet der Hackl Bernd und setzt nach, als das Publikum ungläubig raunt: "Wer andere gefährdet, muss bestraft werden."

Manch andere Reiter, die nicht so bestimmt und dabei gewaltfrei mit ihren Tiere umgehen, machen ihre Pferde mit Sporen und Schlaufzügeln auf Anschlag durch Schmerz gefügig. Wie jene Springreiterin auf dem Abreiteplatz, die unbehelligt von Stewards ihren Schwarzbraunen quälen darf. Nicht nur für diese Frau wäre das Trainingspferd gleich ein paar Meter weiter die Lösung. Es ist so groß wie ein lebender Warmblüter, mindestens ebenso sensibel, aber garantiert schmerzunempfindlich. Es buckelt nicht, hat auch sonst keine Unarten, zeigt aber über Bildschirm jeden kleinsten Fehler seiner Reiterin an. Es handelt sich um einen Pferde-Simulator, entwickelt für Reittherapie nach Unfällen oder bei Rückenproblemen, aber hauptsächlich doch als Trainingsgerät zum Reitunterricht von den ersten Anfängen bis zum Grand Prix gedacht.

An fünf Stellen seines Kunststoffkörpers verbergen sich Sensoren: Rechts und links am Leib, in den Maulwinkeln und am Genick, an den empfindlichen Stellen also, wo die Reiterhilfen ankommen. Liegt das Reiterbein falsch, ist die Hand zu hart und damit der Zügel zu straff, wird das umgehend signalisiert. Bei der Springreiterin, die ihr Pferd mittels "Rollkur" in Form zwingt, müssten die Alarmglocken schrillen.

© SZ vom 29.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: