Reichenbachbrücke:Einfach mal laut sein

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Die "Krachparade" setzt sich für mehr Lärm in München ein

Von Thomas Anlauf

Stille ist ihnen suspekt. Für Florian Raabe und Thomas Suren ist zu viel Ruhe in der Großstadt ein Zeichen dafür, dass etwas nicht stimmt: Dass dort, wo früher Handwerker in Hinterhöfen hämmerten, heute Luxusquartiere stehen. Dass Neuzugezogene sich über nächtlichen Kneipenlärm oder das Knallen der Boards von springenden Skatern beschweren. Dass Wirte ihre Lokale schließen müssen, weil sie ihre Pacht im teuren Viertel nicht mehr zahlen können. "Es ist ein menschliches Grundbedürfnis, einfach mal laut zu sein und das Leben in vollen Zügen zu genießen. Doch dieses Bedürfnis wird im Gegensatz zum Recht auf Ruhe stets eingeschränkt oder gar kriminalisiert", finden Suren und Raabe. Zum zweiten Mal organisieren die beiden deshalb eine sogenannte Krachparade und fordern "mehr Lärm für München". Sie soll am Samstag, 26. August, um 17.30 Uhr an der Reichenbachbrücke beginnen und bis in die Abendstunden dauern.

Bereits im vergangenen Sommer organisierten Raabe und Suren eine Musik- und Tanzdemonstration, die zwar wie eine ausgelassene Party mit 300 Feiernden wirkte, aber eigentlich einen ernsten Hintergrund hat. Sie protestieren gegen Luxussanierungen und die für viele Münchner unbezahlbaren Wohnungen. "Wir fordern die Stadt München auf - nach Jahrzehnten des Zusehens - endlich progressiv und effektiv Wuchermieten und der Verdrängung öffentlicher Räume entgegenzutreten", sagen die Aktivisten. Biophysiker Suren beruft sich gerne auf Studien, wonach Lärm und niedrige Mieten zusammenhängen. Das bedeute im Umkehrschluss, dass Ruhe mit Luxuswohnraum zu tun hat. Die Initiative "Mehr Lärm für München" kritisiert auch, dass das Sozialreferat seit 2014 an Sommerwochenenden Konfliktmanager am Gärtnerplatz einsetzt, die dort Feiernden erklären, dass sie nachts wegen der Anwohner nicht zu laut sein sollten. Als "Maulkorb" für einen der beliebtesten Orte im Viertel empfinden Raabe und Suren das.

Damit übertreiben sie, natürlich, die Konfliktmanager sprechen ja keine Platz- oder Feierverbote aus und in den umliegenden Häusern leben nicht nur Gutverdiener, sondern immer noch viele alteingesessene Münchner. Trotzdem treffen die beiden einen wahren Kern. Wo einst die Kultkneipe "Schwabinger 7" war, steht jetzt ein teurer, fast hermetisch abgeriegelter Wohnblock. Die Lenbachgärten am Alten Botanischen Garten sind Sinnbild für unbezahlbare Appartements, deren Rollläden oft unten sind. Und mit dem Verkauf des alten Heizkraftwerks an der Müllerstraße an den Meistbietenden hat auch die Stadt ihren Anteil daran, dass im Gärtnerplatzviertel die Mieten teils kräftig gestiegen sind und der Luxuswohnturm "The Seven" wie ein riesiger, unheimlicher Fremdkörper in den Himmel ragt.

© SZ vom 24.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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