Raum zum Lernen:Starthilfe fürs Studierzimmer

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Die Aktionsgruppe Asyl in Erding kann sechs Computer anschaffen, damit geflüchtete Schülerinnen und Schüler in einem Container online lernen können

Von Regina Bluhme, Erding

Eine Gebrauchsanleitung für technische Geräte ist oft eine komplizierte Angelegenheit, und so stehen die drei Teenager Nobel, Adonai und Noh eine ganze Weile vor den zwei fabrikneuen Druckern, lesen sich gegenseitig die deutsche Beschreibung vor und diskutieren über Trommeleinstellungen und Tonerkonsolen. Dann haben es die Schüler geschafft: die Anzeigen blinken, die Laptops am Tisch nebenan laufen ebenfalls. Das Projekt "Studierzimmer" der Aktionsgruppe Asyl (AGA) des Landkreises Erding kann starten. Jugendlichen mit Fluchthintergrund oder aus sozialschwachen Familien steht nun in Erding ein Raum mit sechs Internet-Arbeitsplätzen zur Verfügung.

Der 17-jährige Noh hat einen weiten Weg hinter sich. Mit der Familie ist er aus Eritrea geflohen, über den Sudan gelangte er nach Libyen und schließlich am 20. Februar 2016, das Datum weiß er noch genau, nach Deutschland. Zwei Tage später ging es in den Landkreis Erding. Noh hat es auf die FOS Erding geschafft. Er ist sehr ehrgeizig und lernt, so viel er kann - und so gut es eben geht in einer Flüchtlingsunterkunft ohne Wlan-Anschluss und ohne Rückzugsmöglichkeit.

Margot Hoigt von der Erdinger Aktionsgruppe Asyl, die das Studierzimmer initiiert hat, betreut die Jugendlichen. Adonai, Nobel und Noh (von links) können hier online lernen, denn digitaler Unterricht hat mit Corona an Bedeutung gewonnen. (Foto: Renate Schmidt)

Hausaufgaben oder Referate hat er bislang über sein Handy erledigt. So mussten das auch die beiden Altenerdinger Mittelschüler, der 16-jährige Adonai aus dem Kongo und der 15-jährige Nobel aus Eritrea, während des coronabedingten Online-Unterrichts handhaben. "Das war manchmal schwierig, weil der Akku immer wieder leer war", sagt Adonai, der sich wie Nobel auf den Quali vorbereitet. Mit der Schul-App auf dem kleinen Display zu arbeiten, sei anstrengend gewesen, ergänzt Noh, "das war manchmal schlimm". Auf dem Laptop erscheine nun alles viel übersichtlicher. "Jetzt ist es echt viel besser", freut sich der 17-Jährige.

Die Idee zu dem Studierzimmer sei bereits im vergangenen Jahr gereift, sagt Margot Hoigt, Vorsitzende der AGA. Sie weiß von der schwierigen Lage der Schüler und Schülerinnen in den Unterkünften. Es sei unmöglich, einen ruhigen Platz zum Erledigen der Hausaufgaben oder Lernen zu finden. Zudem sei in den Unterkünften behördlicherseits Internetanschluss verboten. Sie habe deshalb bereits im vergangenen Jahr bei der Ehrenamtsbörse die Gelegenheit genutzt und den Erdinger Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) auf das Projekt angesprochen. Gedacht ist das Studierzimmer für Schülerinnen und Schüler mit Fluchthintergrund, die weiterführende Schulen besuchen, etwa ab der achten Klasse. Aber der Raum soll auch Jugendlichen ohne Fluchthintergrund, die in ähnlich schwierigen Verhältnissen leben, zur Verfügung stehen.

Selber machen gehört zum Prinzip des Studierzimmers dazu: Adonai (links) und Nobel installieren den Drucker. (Foto: Renate Schmidt)

Im Juni hatte sich Margot Hoigt an den SZ-Adventskalender gewandt. Beim Projekt Studierzimmer fehle es noch an der Ausstattung, sagte sie. Für die Anschaffung der Notebooks und Drucker beantragte die AGA-Vorsitzende 3250 Euro. Das Geld wurde genehmigt - die Spenden der SZ-Leserinnen und -Leser ermöglichten so die Finanzierung der Geräte.

Das Landratsamt Erding stellt den Raum sowie Mobiliar zur Verfügung. Fürs Erste ist das Studierzimmer in einem Container untergebracht, der zuvor mit Geflüchteten belegt war. Jetzt stehen dort Schulbänke und -tische, an der Wand hängt eine grüne Tafel. Ein Regal und ein abschließbarer Schrank sollen laut Margot Hoigt noch dazu kommen.

Von außen macht der Container hinter dem Korbinian-Aigner-Gymnasium zwar keinen besonders einladenden Eindruck, aber er bietet ausreichend Platz, damit sechs Personen die Corona-Abstandsregeln einhalten können. Fenster zum Lüften gibt es außerdem.

Auch für die Nutzung gibt es klare Regeln. Wer einen Internet-Arbeitsplatz benötigt, muss sich bei der AGA melden, die im Übrigen nach Angaben von Margot Hoigt noch sehr gut weitere ehrenamtliche Mitarbeiter gebrauchen könnte. Es werde genau Buch geführt, wer in welchem Zeitraum einen Computer nutze, betont die AGA-Vorsitzende. Die Jugendlichen dürfen den Computer mit nach Hause nehmen, die übrigen Geräte werden von der AGA verwahrt. Geöffnet ist das Erdinger Studierzimmer sowohl wochentags als auch am Wochenende von jeweils 7 bis 21 Uhr. Den Schlüssel für den Raum müssen sich die Schüler und Schülerinnen an der Pforte des Kreisklinikums auf der gegenüberliegenden Straßenseite abholen.

Noch stecke das Projekt in der Anlaufphase, erklärt Margot Hoigt. Noh war der Erste, der sich für einen Laptop gemeldet hat. Auch Adonai und Nobel wollen künftig damit arbeiten. Wenn das Projekt gut angenommen werde, so hat es der Landrat Margot Hoigt versichert, dann könne er sich vorstellen, dass im Landkreis Erding noch weitere Studierzimmer eingerichtet werden.

In Erdings erstem Studierzimmer laufen die Computer einwandfrei. Nobel hat probeweise gleich mal Adonai gegoogelt, der gerade erneut zum stellvertretenden Landkreisschülersprecher der Mittelschulen gewählt worden ist. Adonai will lieber nach einem Projekt seiner Schule suchen, das Kindern in Marokko zugute kommt. Das Projekt sei wichtig, sagt Adonai, "damit die auch zur Schule gehen können."

© SZ vom 17.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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