Rathaus:Das Update verzögert sich

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Wenn eine Software-Umstellung am grünen Tisch beschlossen wurde, ohne die Beteiligten einzubeziehen, ist die Gefahr der Ablehnung groß. (Foto: Florian Peljak)

Die eigene Computerausstattung ist ein Sorgenkind der Stadt. Nun wollte Oberbürgermeister Dieter Reiter, dass sich darum ein eigenes, neues Referat kümmert. Und zwar rasch. Doch die eigene Koalition bremst ihn aus

Von Heiner Effern

Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) wollte die Reform der städtischen Computerausstattung zu einem Highspeed-Projekt machen. Die Geräte seiner Mitarbeiter laufen ihm viel zu ruckelnd und unrund, wenn sie überhaupt laufen. Die drei Häuser, auf die im Moment die Verantwortung für die Technik verteilt ist, wollte Reiter deshalb so schnell wie möglich durch ein neues IT-Referat ersetzen. Die Stelle des Chefs sollte noch im Dezember ausgeschrieben und im Mai 2017 vergeben werden. Spätestens am 1. Januar 2018 sollte das Referat den Betrieb aufnehmen und ein Jahr später bereits voll arbeiten. Doch nun fahren die Stadträte Reiters Tempo herunter.

Die Fraktionen von CSU und SPD werden die Neuorganisation der IT und den ambitionierten Zeitplan nicht wie geplant am Mittwoch im Verwaltungsausschuss beschließen. Es gebe noch intensiven Gesprächs- und Beratungsbedarf, das Thema werde vertagt, hieß es übereinstimmend am Dienstag. Gemeint ist damit nicht nur der Fahrplan, sondern auch der Grundsatzgedanke, ob künftig die gesamte Computertechnik der Stadt in einem Referat gebündelt sein muss. Das hatte die Beratungsfirma Accenture in einem Gutachten empfohlen. Reiter hatte diesen Vorschlag übernommen und schnelles Handeln versprochen. "Mir ist bewusst, dass das ein sehr sportlicher Fahrplan ist. Aber das darf man nicht in die Zukunft schieben. Der jetzige Zustand der IT ist inakzeptabel für eine Millionenstadt, die dafür sicher nicht zu wenig Geld ausgibt", sagte Reiter Anfang September.

Dass es nun doch nicht ganz so sportlich wird, nimmt Reiter gelassen. Er spricht sich sogar dafür aus, dass der Stadtrat nun noch einmal ein sogenanntes Kombi-Modell prüfen lassen will: ein schlankes IT-Referat für die politische Steuerung und darunter eine Betriebsgesellschaft, die das operative Geschäft erledigt. "Wenn es sinnvolle weitere Aspekte zu untersuchen gilt, spielen ein paar Wochen keine Rolle", sagt der OB. Er will jedoch weiterhin unbedingt einen politisch verantwortlichen Ansprechpartner für die IT und einen neuen oder vollkommen reformierten IT-Ausschuss im Stadtrat.

Die CSU teilt Reiters Meinung über den Zustand der städtischen IT, nicht aber seine neue Sympathie für das Kombi-Modell. "Da entstehen ja wieder Doppelstrukturen, die jetzt schon das Problem sind", sagt Stadträtin Kristina Frank, die Sprecherin der CSU im Verwaltungsausschuss. "Uns erschließt sich dieses Modell im Moment nicht, wir sehen momentan überhaupt noch nicht den großen Wurf." Ihre Fraktion sehe hingegen noch viele offene Fragen, die dieses Jahr eher nicht mehr zufriedenstellend beantwortet werden könnten. Man wolle die Entscheidung tendenziell bis in den Januar 2017 vertagen, um sich ausgiebig zu beraten. Denn mit der nun anstehenden Neuorganisation wolle man eine Rundumlösung schaffen, die auch in zehn Jahren den Anforderungen standhalte. Das betreffe die Organisationsform, aber über die jetzigen Pläne von OB Reiter hinaus auch das Betriebssystem der städtischen Rechner, sagt Frank.

Das Bündnis aus SPD und Grünen hatte das offene System Linux vor etwa zehn Jahren als Standard eingeführt. Bis zum heutigen Tag ist es aber bei vielen Mitarbeitern wenig geliebt. Die CSU hat noch keine endgültige Meinung, will aber bei einer Neuorganisation der IT auch die Variante einer Rückkehr zu Windows zumindest geprüft haben. Reiter, der die Linux-Euphorie seines Vorgängers und Parteikollegen Christian Ude offenbar nicht übernommen hat, will daran vorerst aber nicht rühren. Das Gutachten habe ergeben, dass das Betriebssystem "nicht der entscheidende Punkt" bei den Problemen der städtischen IT sei.

Reiters SPD-Fraktion will die Kombi-Lösung aus IT-Referat und Betriebsgesellschaft diskutieren. Letztere böte den Vorteil, dass die Stadt auf dem umkämpften Arbeitsmarkt der IT-Experten schneller und auch flexibler bei den Gehältern wäre als mit einem Einstellungsverfahren des öffentlichen Dienstes, sagt Stadträtin Anne Hübner, die IT-Expertin der SPD-Fraktion. Allerdings könnten aus steuerrechtlichen Gründen auch Mehrkosten entstehen. Geprüft werden müsse auch, was mit den jetzigen Mitarbeitern der Stadt geschehe. "Wir werden sicher niemanden entlassen", sagte OB Reiter. Kritisch sieht die SPD-Fraktion eine Idee, die im Hintergrund wohl auch diskutiert wird: dass die Stadtwerke als Dienstleister die städtische IT übernehmen. Es sei nun wichtig, alle Vor- und Nachteile jedes Modells abzuwägen, sagt Hübner. "Auf zwei oder drei Monate kommt es nicht an."

OB Reiter wird nun viele weitere Gespräche führen müssen, denn auch aus der Verwaltung und der Opposition kommt teils massiver Widerstand gegen seine Idee des IT-Referats. Das Kreisverwaltungsreferat, in dem sich wegen abstürzender Computer regelmäßig lange Schlangen von Bürgern bilden, lehnt Reiters Pläne zum Beispiel ab. Eine solche Neuorganisation werde "für die ordnungsgemäße Aufgabenerledigung erhebliche Nachteile bringen". Die als Eigenbetrieb organisierte städtische Müllabfuhr stuft Vorgaben aus einem städtischen IT-Referat für ihre Arbeit als hinderlich und derzeit "nicht akzeptabel" ein. Die Grünen haben sich schon länger für eine eigene GmbH für die städtische IT ausgesprochen

Vorsichtige Zustimmung kommt dagegen aus dem Bildungsreferat. Das hat mit 38 000 Computern mehr Rechner laufen als die gesamte restliche Stadtverwaltung. Da die Probleme dort mindestens genauso groß sind, ist eine schnelle Fusion der IT-Abteilungen allerdings unrealistisch. Der jetzige städtische Dienstleister IT@M hat sich ebenfalls positiv zu Reiters Plänen geäußert. Man begrüße den Vorschlag der Gutachter für ein IT-Referat und die Tatsache, dass der Technik künftig "innerhalb der Strukturen der Stadtverwaltung mehr Gewicht und Bedeutung bei zu messen ist."

© SZ vom 09.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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