Qualifikation von Tagesmüttern:Gütesiegel für Betreuer

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Nach dem Tod von Christopher wird diskutiert: Wie kann man sichergehen, dass Tagesmütter nicht überfordert sind - und somit auch die Kinder schützen?

Anne Goebel

Es ist seit Jahren das gleiche Bild: Betreuungsplätze für Kinder sind rar in München, als Alternative ziehen viele eine Tagesmutter in Betracht. Laut Sozialreferat kümmern sich derzeit 444 vom Jugendamt vermittelte Tagesmütter und -väter um jeweils maximal fünf Pflegekinder - die Höchstzahl schreibt das Gesetz vor. Um fremde Kinder in den eigenen vier Wänden betreuen zu dürfen, bedarf es spezieller Voraussetzungen, die offenbar nicht überall ausreichend erfüllt sind. Jedenfalls hat das Bundesfamilienministerium ein Aktionsprogramm gestartet, das unter dem Motto "Wir brauchen mehr gut qualifizierte Tagesmütter" Mindeststandards schaffen soll.

Das Münchner Jugendamt schreibt Tagesmüttern jährlich 15 Stunden Weiterbildung vor. (Foto: Foto: dpa)

Voraussetzung für die Arbeit einer Tagesmutter ist die Erteilung der "Pflegeerlaubnis" durch das Jugendamt. In München muss eine Bewerberin dafür eine Fortbildung von 115 Stunden absolvieren - die bundesweite Initiative strebt 160 Stunden als "fachlich anerkannten Standard" an, für den es ein Gütesiegel geben soll. Bisher liegt die vorgeschriebene Mindestzahl in Bayern bei 60 Stunden.

Für Überforderung sensibilisieren

Pädagogische Fragen und Themen wie "Gesund leben in der Tagespflege" werden den Betreuerinnen in Kursen vermittelt. Der Umgang mit Stresssituationen ("Bevor der Kragen platzt") macht einen geringen Anteil aus. "Der Schwerpunkt liegt auf Bildung und Erziehung von Kindern", bestätigt Martina Heitkötter, wissenschaftliche Referentin für Kindertagespflege am Deutschen Jugendinstitut (DJI).

Das DJI hat die Richtlinien für die Pflegeerlaubnis erarbeitet, und Heitkötter gibt zu bedenken, dass selbst bei 160-stündiger Fortbildung die Fähigkeit zur "Selbstreflexion" nicht umfassend vermittelt werden könne. Für Situationen der Überforderung, wie sie die Angeklagte Alexandra S. offenbar erlebte, könne man allenfalls "sensibilisieren".

Das Münchner Jugendamt schreibt den Tagesmüttern jährlich 15 Stunden Weiterbildung vor. Außerdem soll die Basisschulung ausgebaut werden. Die ab Januar 2010 vorgesehenen zusätzlichen 45 Unterrichtseinheiten finden teilweise während der Betreuung statt.

Damit wolle man, so das Sozialreferat, einen "fachlichen Eindruck über die pädagogische Eignung der Tagesmutter" gewinnen. Rosa Hochschwarzer, Vorsitzende des bayerischen Landesverbands für Kindertagespflege, appelliert angesichts des Falls Alexandra S. an die Jugendämter, den Austausch mit und unter den Tagesmüttern zu forcieren und zu kontrollieren. "Der Kontakt muss so sein, dass sich eine überforderte Tagesmutter traut, anzurufen und um Hilfe zu bitten."

© SZ vom 16.06.2009/pfau - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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