Putin in München:Rumtata für den Kremlchef

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Wladimir Putin hat bei seinem ersten Besuch des Freistaates zwar keinen Applaus von den Schaulustigen bekommen - dafür einen Crash-Kurs in bayerischem Brauchtum. Nur die Grünen kritisierten die "weißblaue Schönwetterfassade" - und protestierten.

Andreas Schubert

Salutschüsse, Blasmusik und festlich herausgeputzte Trachtler: Der Empfang von Russlands Staatspräsident Wladimir Putin am Mittag ist erwartungsgemäß folkloristisch ausgefallen. Hunderte Zuschauer haben das Spektakel vor der Münchner Residenz verfolgt.

Für Martin Wach aus Erding ist der Besuch Putins ein besonderes Schauspiel. Er steht gut eine Stunde vor dessen Ankunft an der Absperrung, die Digitalkamera im Anschlag. Dass sich der Präsident verspätet - wegen eines außerplanmäßigen Spaziergangs in Dresden - ärgert den Maschinenbauer, der eigentlich zum Einkaufen in der Stadt ist, nicht. "So einen sieht man nicht jeden Tag live", sagt er.

Auch Marina Schreier aus München hofft auf einen Schnappschuss und hat sich wie viele andere Privat-Paparazzi auf dem Sockel der Max-Joseph-Statue postiert. "Eigentlich mag ich Putin nicht", sagt sie. Dennoch sei der Staatsbesuch ein Erlebnis, das sie gerne festhalten möchte.

Dann kreist ein Hubschrauber über dem Platz - ein Zeichen, dass sich die Wagenkolonne mit dem Staatsgast allmählich nähert. Gegen 12.55 Uhr setzt schließlich Marschmusik ein, die Gebirgsschützen begrüßen Putin mit drei lauten Salven, die Delegation vor dem Eingang zur Schatzkammer der Residenz nimmt Haltung an, zwei Kinder in Trach halten ihren Blumenstrauß bereit.

Fahnen und Dirndl

Doch allzu eilig hat es Putin nicht. Eskortiert von Sicherheitsleuten und Ministerpräsident Edmund Stoiber geht er die letzten Meter vom Eingang der Staatsoper aus zu Fuß. Vorbei an Trachtenverbänden aus ganz Bayern, die stolz ihre Fahnen schwenken. Eine Show, die dem Staatsgast zu gefallen scheint: Zwischendurch posiert er mit der besonders pittoresk aussehenden Trachtlerin Inge Hartl aus Übersee fürs Foto.

Am Max-Joseph-Platz herrscht friedliches Gedränge, viele sind zufällig vorbeigekommen, um einen Blick auf den Staatsgast zu werfen, vereinzelt hört man auch Sprachfetzen aus der Menge heraus, die sich russisch anhören.

Die Polizei schätzt etwa 700 Neugierige, etwa genauso viele Beamte sind für die Sicherheit des russischen Präsidenten im Einsatz - inklusive Verkehrspolizei, die während der Anfahrt vom Flughafen die A9 kurzzeitig sperren musste.

Protest der Grünen

Der Besuch Putins ruft nicht nur positive Reaktionen hervor. So haben Sepp Dürr und Margarete Bause, die beiden Fraktionsvorsitzenden der bayerischen Landtags-Grünen ihre Teilnahme am Staatsempfang abgesagt. Stattdessen halten sie zusammen mit anderen Grünen eine stille Mahnwache ab. In ihren Händen halten sie Bilder der ermordeten russischen Journalistin und Regimekritikerin Anna Politkowskaja. "Eine weißblaue Schönwetterfassade aus Gebirgsschützen und Blasmusik darf den Blick auf die besorgniserregende Lage der Menschenrechte in Russland nicht verstellen", heißt es in der Pressemitteilung zur Protestaktion.

Doch die meisten der Schaulustigen nehmen die kleine Demonstraton gar nicht erst wahr. Als Putin samt Entourage nach etwa 20 Minuten Schnellkurs in bayerischem Brauchtum über den roten Teppich in die Residenz verschwindet, löst sich die Menge rasch auf.

Das erste Resümee der Polizei: Alles Friedlich. Und Münchens Polizeisprecher Peter Reichl erklärt, anders als beim Papstbesuch, habe man keine Gullideckel verschweißen müssen. Der Putin-Konvoi habe sich weitaus flotter durch die Stadt bewegt als das Papamobil.

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