Prozessauftakt:"Es ist irgendwie über mich gekommen"

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Unterwegs als "Terminator": Ein psychisch gestörter Amokfahrer hat eine Mutter von sechs Kindern getötet und soll nun dauerhaft in eine Klinik.

A. Krug

Er hat das Leben einer achtköpfigen Familie zerstört, hat sechs Kinder zu Halbwaisen und einen Ehemann zum Witwer gemacht. Doch das zu begreifen, davon scheint Stefan G. noch weit entfernt. Wahrscheinlich ist die Teilnahmslosigkeit seiner Krankheit geschuldet, denn der 38-Jährige leidet an vielfältigen Wahnvorstellungen. Deshalb geht es in dem seit Dienstag im Schwurgericht laufenden Prozess auch nicht um irgendeine Gefängnisstrafe, sondern allein um die Frage, ob er wegen "Gemeingefährlichkeit" dauerhaft in einer geschlossenen Klinik bleiben muss.

Das Münchner Schwurgericht entscheidet, ob Stefan G. wegen "Gemeingefährlichkeit" in eine geschlossene Klinik muss. (Foto: Foto: dpa)

Am 24. September vorigen Jahres raste Stefan G. mit seinem blauen Polo durch Giesing. Mit Tempo 100 schrammte er erst an einem Mercedes vorbei, dann rammte er ungebremst den Fiat 500 der Eheleute Mohamed, 47, und Rhimo H., 44. Der kleine Wagen überschlug sich, Mohamed H. erlitt schwere Kopfverletzungen, seine Frau starb noch in derselben Nacht in einer Klinik. Stefan G. dagegen blieb unverletzt, sprang aus seinem demolierten Wagen, riss sich die Kleider vom Leib und schrie: "Ich bin der Terminator."

Die Filmfigur hatte es dem 38-Jährigen offenbar angetan, denn ursprünglich wollte er "wie der Terminator" mit seinem Auto in die Polizeiwache von Giesing rasen. Auf der Stadelheimer Straße habe er zuerst seinen Gurt abgeschnallt, Vollgas gegeben, "und dann hat es auch schon gekracht". Den Fiat 500 habe er vorher "gar nicht bemerkt". Ob er sich habe umbringen wollen, hakt der Richter nach. "Ich weiß nicht, es ist irgendwie so über mich gekommen", entgegnet der Angeklagte.

"Ich bin der Terminator!"

Stefan G. stammt aus der Oberpfalz, machte Abitur und begann ein Studium der Agrarwissenschaften. Bei einem von der Kirche organisierten Auslandspraktikum im Senegal erlebte er erstmals einen Verfolgungswahn, erblickte in einem Missionar "den Teufel". Später kamen noch andere Wahnvorstellungen wie Größenwahn und Liebeswahn hinzu. Stefan G. brach sein Studium ab, machte eine Ausbildung zum Gärtner und lebte in einer "christlichen Gemeinschaft" in Schwabing. 1997 kam er erstmals in die Psychiatrie, es folgten weitere freiwillige Aufenthalte. Einmal vermittelte ihm seine Gemeinde einen Platz in einer Schwarzwald-Klinik. "Die haben viel mit Musik und Beten gemacht", sagt er. Die Bibel habe er von da an immer "sehr ernst genommen".

Andere Ärzte verschrieben Stefan G. Medikamente, und so lange er die nahm, war alles in Ordnung. Doch wenige Wochen vor seiner Amokfahrt setzte er die Tabletten ab. "Die Nebenwirkungen waren so stark", sagt er. "Ich war ständig müde." Doch das ist wohl nur die halbe Wahrheit. Denn Auslöser war offenbar ein Dauerstreit mit der Verlobten. Sie lebt wie er in der "christlichen Gemeinschaft", hatte aber seinen Heiratsantrag abgelehnt. Offenbar steigerte sich Stefan G. danach in einen Liebeswahn.

In der Nacht vor der Amokfahrt parkte er sein Auto mit voll aufgedrehter Musik direkt vor dem Haus seiner Angebeteten. Die Polizei schritt ein - und löste damit bei Stefan G. den Wunsch nach "Rache" aus. Alle seien gegen seine Heirat gewesen, glaubt er. Seine Freunde, der Leiter der Gemeinde und die Polizei - daher auch der Gedanke, in die Polizeiwache zu rasen. Der Prozess wird am Mittwoch fortgesetzt.

© SZ vom 03.06.2009/sus - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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