Prozess wegen Beleidigung:Staatsschutz auf Abwegen

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Eine Podiumsdiskussion über Neonazis endete mit einem Eklat: Ein Journalist soll Vergleiche zwischen Polizei und SA gezogen haben. Gestern stand er vor Gericht - und wurde freigesprochen.

Bernd Kastner

Es hätte eine Veranstaltung werden können, wie sie sich Politiker von den Bürgern wünschen. "Was tun gegen Rechts?!" Unter diesem Titel luden im Juli 2006 unter anderem die Journalisten-Gewerkschaft dju und der Kreisjugendring zu einer Podiumsdiskussion über Neonazis ins Eine-Welt-Haus. Es kam aber ganz anders. Gestern stand der Organisator vor dem Strafgericht.

(Foto: Foto: dpa)

Beleidigung eines Polizisten wird Michael Backmund, Journalist und Gewerkschaftsmitglied, vorgeworfen, mit 30 Tagessätzen will man ihn bestrafen. Er habe das Vorgehen der Polizei mit den Methoden des Nationalsozialismus verglichen, ja, sogar gleichgesetzt.

Das bestreitet Backmund vehement und schildert Amtsrichterin Alexa Römer ausführlich, was an jenem Abend geschehen sei. Dass sich zu Beginn der Diskussion mit 60 Besuchern zwei Männer "einzuschleichen" versucht hätten. Einer habe mehrfach erklärt, er sei privat hier. Sein Kollege aber habe sich als Staatsschützer zu erkennen gegeben. Man sei da, um die Veranstaltung "zu beobachten und zu überwachen".

Daraufhin wies sie Backmund mit Verweis auf sein Hausrecht und die Versammlungsfreiheit aus dem Saal. Wenig später aber rückten die Polizisten erneut an - mit Unterstützung einer Einsatzhundertschaft. Unter Protest brach Backmund die Veranstaltung ab.

Nervös und unsicher

Die angebliche Beleidigung schildert der Journalist, verteidigt von Angelika Lex, so: Er habe den Beamten mehrfach klarzumachen versucht, dass ihr Vorgehen rechtswidrig sei und dass die Gewerkschaften aufgrund der historischen Erfahrung auf die Trennung von Polizei und Geheimdiensten achteten. 1933 habe die SA unter Beobachtung der damaligen Polizei das Gewerkschaftshaus gestürmt. Nie aber habe er die heutige Polizei mit der damaligen verglichen oder gleichgesetzt. So etwas läge ihm, der sich intensiv mit der Geschichte befasse und an der Ausstellung über NS-Orte in München in der Pinakothek der Moderne mitgewirkt habe, völlig fern.

Nach und nach wird klar, dass wichtige Dokumente in der Gerichtsakte fehlen: Der erste Polizeibericht nach dem Vorfall, in dem von Beleidigung keine Rede ist. Oder der Mitschnitt des Gesprächs zwischen Backmund und dem Polizisten. Und dass der Schlussvermerk der Polizei datiert ist auf den 31. Mai 2006 - sechs Wochen vor der Veranstaltung.

Schließlich tritt als Zeuge der beleidigte Kriminalkommissar, 36 Jahre alt, auf. Er wirkt nervös und unsicher. Da es sich bei den Veranstaltern um "linksgerichtete Organisationen" handle, habe man Störungen von Rechts befürchten müssen, die Polizei sei also zum Schutz dagewesen. Seine Erinnerung an die Diskussion mit Backmund aber ist vage: "Ich kann nicht sagen, wie die Wörter damals gewählt wurden." Die Stimmung sei aufgeheizt gewesen, "es wurde aus allen Rohren auf mich geschossen". An den Begriff SA aber könne er sich erinnern, "tausendmal" sei der gefallen.

Dass er die Beleidigung nicht in seinem ersten Bericht erwähnt habe, erklärt er so: Anfangs habe er sich "nicht so die Gedanken darüber gemacht". Man habe das erst "strafrechtlich bewerten" müssen. Schließlich sei man zum Schluss gekommen, "dass ich mich beleidigt gefühlt habe". Doch selbst die Staatsanwältin sieht das anders und plädiert auf Freispruch für Backmund. Die Richterin schließt sich an: "Die Kosten trägt die Staatskasse."

© SZ vom 10.05.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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