Prozess um "Mord ohne Leiche":Der Angeklagte hüllt sich in Schweigen

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Die Familie des mutmaßlichen Opfers Konrad Hahn schildert die Vorgänge zum Zeitpunkt seines Verschwindens. Der Angeklagte war kurz zuvor aus einer elfjährigen Haft entlassen worden - jetzt verweigert er die Aussage.

Stephan Handel

Im Prozess um einen "Mord ohne Leiche" hat der Angeklagte Jörg N. zum Auftakt am Montag die Aussage verweigert. Familienangehörige des mutmaßlichen Opfers Konrad Hahn schilderten das Verschwinden ihres Vaters und Ehemannes. Die Staatsanwaltschaft wirft Jörg N. vor, im Januar des vergangenen Jahres den 68-Jährigen Konditormeister im Schlaf überfallen, geschlagen und schließlich getötet zu haben.

Danach soll er Gegenstände aus dem Haus in Trudering gestohlen haben. Auf seine Spur kam die Polizei, weil er versucht hatte, von Konrad Hahns Konto Geld auf das seiner Lebensgefährtin in Hof zu überweisen.

Vor Gericht schilderten Marianne, die Ehefrau des Verschwundenen, sowie die Söhne Sebastian und Benjamin die Vorgänge zum Jahresbeginn 2005: Konrad Hahn hatte am 3. Januar abends noch mit seinem Sohn telefoniert, der in Hamburg eine neue Arbeitsstelle antreten sollte.

Mit seiner - von ihm getrennt lebenden - Ehefrau war vereinbart, dass er sie am nächsten Tag anrufen sollte. Als er das nicht tat, rief die Frau den zweiten Sohn in München an, er solle in dem Haus nach dem rechten sehen.

Merkwürdigkeiten in Hahns Wohnhaus

Als Benjamin mit seiner Freundin dort ankam, fielen ihm sofort einige Merkwürdigkeiten auf: Die Jalousien waren unten, was absolut unüblich war. Seinen Motorroller hatte jemand von der Garage in den Garten geschafft. Das Telefonkabel war aus der Dose gerissen. Das Schlafzimmer war versperrt. Zwei alte Röhrenradios fehlten.

Vor allem aber: Noch nie war der äußerst zuverlässige und gewissenhafte Konrad Hahn einfach so verschwunden, ohne seiner Familie Bescheid zu geben. Nachdem er zwei Tage später immer noch nicht aufgetaucht war, gab die Familie eine Vermisstenanzeige auf.

Und geriet selbst ins Visier der Mord-Ermittler - denn als im Haus ein in den Estrich gesickerter Blutfleck gefunden wurde, war klar: Konrad Hahn war nicht einfach nur verreist. Etwas Furchtbares musste geschehen sein. Jörg N.s Verteidiger Klaus Gussmann hielt Benjamin Hahn vor, dass er selbst bei der Polizei zeitweise als Beschuldigter geführt wurde. "Die hatten halt keinen anderen", antwortete der Sohn lapidar.

Auf die Spur des jetzigen Angeklagten kamen die Ermittler schließlich über Konrad Hahns Konten: Von dort waren 1465 Euro an eine Frau in Hof überwiesen worden - und diese Frau ist Jörg N.s Lebensgefährtin. Der 55-jährige Mann kannte Konrad Hahn aus dem Jahr 2004, als er bei einem München-Aufenthalt gegen Entgelt bei ihm übernachtet hatte.

In seiner Wohnung wurde eines der verschwundenen Radios gefunden. Und in Jörg N.s VW-Bus fand die Spurensicherung Eiweißrückstände, die von Blut stammen. Eine Blutgruppenbestimmung war nicht mehr möglich, weil der Bus mit Essig gereinigt worden war.

16 Eintragungen im Strafregister

Im Oktober 2005 wurde Jörg N. festgenommen. In den Vernehmungen ließ er sich auf ein vages Geständnis ein: Er habe "etwas mit dem Tod des Konditors zu tun". Zum Verbleib der Leiche sagte er nur "Strand, Italien". Deshalb nimmt die Staatsanwaltschaft an, er habe sein Opfer irgendwo vergraben.

Jörg N. war erst kurz vor seinem ersten Aufeinandertreffen mit Konrad Hahn aus einer elfjährigen Haftstrafe wegen mehrerer Raubüberfälle entlassen worden, außerdem weist sein Strafregister 16 weitere Eintragungen auf, unter anderem wegen Körperverletzungsdelikten. Der Prozess wird heute fortgesetzt. Vorerst sind sieben Verhandlungstage terminiert.

© SZ vom 4.10.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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