Prozess lässt Fragen offen:Kein Licht im Fall: Gigantischer Feuerball

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Der betrunkene Angeklagte raste nach einer Feier gegen einen Tanklastzug. Nun erinnert er sich weder an den Abend, noch an den Unfall.

Alexander Krug

Das Wort von der Beinahe-Katastrophe fällt oft in diesem Prozess und es ist durchaus begründet: Am 20. April 2007 rammte ein Geisterfahrer auf der A 96 einen mit 35000 Litern Kraftstoff beladenen Tanklastzug. Der gigantische Feuerball war kilometerweit zu sehen, und es grenzt an ein Wunder, dass kein Mensch ums Leben kam. Warum aber der Geisterfahrer neun Minuten lang über eine Distanz von elf Kilometern mit Tempo 130 auf der falschen Fahrbahn entlangraste, diese zentrale Frage blieb am Mittwoch im Amtsgericht auch nach mehrstündiger Verhandlung unbeantwortet.

Um 5.03 Uhr morgens, auf Höhe der Ausfahrt Gräfelfing, rammt Mario B. einen österreichischen Tanklastzug. (Foto: Foto: Feuerwehr)

Mario B., 34, wirkt unauffällig, ruhig und ausgeglichen. Sein Leben lief stets in geordneten Bahnen. Mittlere Reife, Lehre zum Industriekaufmann, Anstellung bei einem Elektronikkonzern. Im April 2007, kurz vor dem Unfall, macht er seiner langjährigen Freundin einen Heiratsantrag, die Hochzeit ist für Juli geplant.

Drogen hat er mal ausprobiert, aber das liegt Jahre zurück. Auch Alkohol ist eigentlich nicht sein Ding - mit einer Ausnahme. Auf Betriebsfesten sagt er, habe er schon gerne mal über die Stränge geschlagen. So auch an jenem Unglückstag: Mario B. feiert im Lenbachpalais, eingeladen hat ein großer Chiphersteller. Der 34-Jährige langt kräftig zu, laut Sachverständigem muss er etwa sieben Pils, sieben Grappa und zwei Gläser Sekt getrunken haben. Etwa zwei Promille werden später ermittelt.

"Er sagte nur, was ist denn los."

Irgendwann macht sich Mario B. in seinem schwarzen Audi auf den Heimweg. Er wohnt in Ingolstadt, nimmt aber die Autobahn Richtung Lindau. Warum? "Ich weiß es nicht, ich wünschte, ich hätte eine Erklärung", sagt er. Er erinnert sich nicht, weder an den Abend im Lenbachpalais noch an den Unfall. Um 5.03 Uhr morgens, auf Höhe der Ausfahrt Gräfelfing, rammt Mario B. einen österreichischen Tanklastzug. Der kippt um, das auslaufende Benzin entzündet sich. Der 42-jährige Fahrer rettet sich, indem er das Fenster auf der Beifahrerseite einschlägt und hinausklettert. Der nur leicht verletzte Mario B. bleibt wie erstarrt in seinem Auto sitzen. Ein anderer Autofahrer zerrt ihn hinaus: "Er sagte nur, was ist denn los."

Die Staatsanwaltschaft klopft im Umfeld des Angeklagten alles ab, um eine Erklärung zu finden. Wollte sich Mario B. umbringen, war er depressiv, ist er psychisch auffällig? Alles Fehlanzeige. Zurück bleibt allein der Alkohol, der allein aber erklärt nicht die Amnesie des Angeklagten. Sein Verteidiger bringt Liquid Ecstasy ins Spiel. Vielleicht sei ihm auf der Feier die Droge unbemerkt ins Glas geschüttet worden.

Im toxikologischen Gutachten fehle diese Untersuchung. Die Staatsanwältin hält diese These für abwegig. "Es ist uns nicht gelungen, Licht ins Dunkel zu bringen", muss sie aber letztendlich eingestehen. Dass der Angeklagte die Kollision mit Absicht herbeigeführt habe, könne ihm nicht nachgewiesen werden. Damit reduziert sich der Strafrahmen von maximal 15 auf maximal fünf Jahre.

"Da kommt ganz gewaltig was auf ihn zu"

Auf die Strafe haben sich die Beteiligten in einer Absprache schnell geeinigt. Mario B. wird wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr zu 23 Monaten Haft mit Bewährung verurteilt. Dies sei nur möglich gewesen, weil "kein Mensch zu Schaden" kam, macht ihm die Anklägerin deutlich. Mario B. nickt. "Es tut mir alles schrecklich leid", sagt er.

Der Sachschaden ist mit mindestens 500000 Euro enorm. Die Versicherung des Angeklagten hat den Schaden bereits beglichen, wird ihn aber in Regress nehmen. "Da kommt ganz gewaltig was auf ihn zu", sagt sein Anwalt.

Seinen Führerschein musste Mario B. gleich nach dem Unfall abgeben. Frühestens im Oktober kann er einen Antrag auf eine neue Fahrerlaubnis stellen. Wann und ob das KVR ihm eine neue Lizenz ausstellt, ist allerdings völlig offen. Alkohol trinkt Mario B. nach eigenen Angaben nicht mehr.

© SZ vom 29.01.2009/agfa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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