Prozess in München:Zahnarzt arbeitet zu billig

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Bleaching zum Schnäppchenpreis: Ein Münchner Zahnarzt wollte mit Rabattaktionen Patienten anlocken - und freut sich über den Erfolg. Der Berufsverband will jetzt die Gewinne abschöpfen. Der Zahnarzt muss vor Gericht.

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Zahnpatienten leiden zweimal - bei der Behandlung und wenn die Rechnung kommt. Seit Krankenkassen nur bezahlen, was sie medizinisch für absolut notwendig erachten, sind preisgünstige Zahnärzte ein Geheimtipp. Der Münchner Zahnmediziner Robert Hansen warb gleich im Internet mit starken Preisnachlässen. Sein Berufsverband stoppte ihn jedoch vor Gericht: Schnäppchenpreise sind berufswidrig. Obendrein wollen die Arztfunktionäre nun den Gewinn dieser Rabattaktion "abschöpfen". Dagegen wehrt sich Hansen am Mittwoch vor dem Landgericht München I.

Der Zahnarzt mit Praxis in bester Lage am Maximiliansplatz hatte online Aktionspreise für Leistungen angeboten, die nicht von den Kassen bezahlt werden. Etwa für eine professionelle Zahnreinigung verlangte er 39 Euro statt 120 Euro - 81 Euro Preisnachlass. Oder für Bleaching plus Zahnreinigung nur 99 statt 520 Euro - 421 Euro gespart. Wer auf diese Internet-Offerten eingehen wollte, musste über das Rabattportal "Groupon" einen Gutschein für die entsprechende Behandlung erwerben.

235 Patienten sollen bei den Sonderangeboten zugegriffen haben

Wenigstens 235 Patienten sollen bei diesen Sonderangeboten zugegriffen haben. Vielleicht sogar noch mehr: Hansen nennt seine Werbeaktion einen "vollen Erfolg". Doch auch wenn seine Patienten mit Preis und Leistung zufrieden sein mögen, so hält der Zahnärztliche Bezirksverband München (ZBV) die Rabattaktion für "unangemessen anpreisend und berufswidrig". Patienten seien nicht durch ansprechende Leistung, sondern durch den Preisvorteil gewonnen worden.

Und die zeitliche Begrenzung habe sie auch noch unter Druck gesetzt. "Die zahnärztliche Berufsausübung sollte sich nicht an ökonomischen Erfolgskriterien, sondern an medizinischen Notwendigkeiten orientieren", sagt der Berufsverband. Die Gebührenordnung für Zahnärzte sei dazu da, einen "ruinösen Preiswettbewerb" zu verhindern. So billig wie angepriesen könne ein Zahnarzt diese Leistungen gar nicht erbringen.

Nachdem das Oberlandesgericht der Standesorganisation endgültig Recht gegeben hat, greift diese nun nach Hansens Verdienst aus der Groupon-Aktion. Vor dem Landgericht will sie den Mediziner zwingen, Auskunft über Patienten und Umsätze sowie Gewinne zu erteilen. Dieses Geld, wenigstens 6500 Euro, solle der Justizkasse zufließen.

In seiner Klage stellt der ZBV die Patienten quasi als Opfer dar: Sie hätten nach dem Erwerb der Gutscheine das Risiko gehabt, ob der Arzt diese überhaupt einlösen werde - außerdem hätten die Gutscheine nach einiger Zeit verfallen können. Überhaupt sei Werbung mit pauschalen Preisen "in übertriebener Form" verboten.

"Der Versuch der Gewinnabschöpfung gegenüber einem Zahnarzt ist ein völlig ungewöhnlicher und wohl erstmaliger Vorgang", sagt Anwalt Friedrich Bernreuther von der Kanzlei Curos. So etwas sei bisher etwa bei Abofallen üblich gewesen, wenn Verbraucher ungewollt einen Vertrag abgeschlossen haben. Damit sei dieser Fall "nicht im Ansatz vergleichbar".

Werbung mit vergleichenden Preise führe nicht zu Vertrauensverlust, sondern zu Preistransparenz. Zudem dürfe die Zulässigkeit ärztlicher Werbung nicht mehr an nationalen Berufsordnungen gemessen werden, sondern an den maßgeblichen EU-Richtlinien.

© SZ vom 02.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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