Prozess in München:"Er hat mein Leben zerstört"

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Im Prozess um Amokfahrer sagt der Witwer aus - seit dem Unfall ist der 48-Jährige krank geschrieben und muss starke Medikamente nehmen.

Alexander Krug

Seine Stimme ist ruhig und leise, seine Sätze sind sachlich und unaufgeregt. Vielleicht ist das dem Naturell von Mohamed S. zuzuschreiben, vielleicht sind es aber auch nur die Medikamente, die er seit dem Unfall nimmt und die stimmungsdämpfend wirken. Wütend oder empört zu sein, dafür hätte der 48-Jährige allen Grund. Er hat durch einen Amokfahrer seine Frau verloren, die Mutter von fünf eigenen Kindern und einem Pflegekind. Und eine Entschuldigung hat er bis heute nicht erhalten - auch am Mittwoch im Schwurgericht nicht. Der angeklagte Amokfahrer Stefan G., 38, wirkte im Gegenteil eher abwesend - vielleicht auch bei ihm ein Zeichen seiner Medikamentierung.

Am 24. September vorigen Jahres raste der an Wahnvorstellungen leidende Stefan B. mit Tempo 100 durch Giesing. Auf der Stadelheimer Straße rammte er von hinten den Fiat der Eheleute S. (Foto: Foto: dpa)

Am 24. September vorigen Jahres raste der an Wahnvorstellungen leidende Stefan B. mit Tempo 100 durch Giesing. Auf der Stadelheimer Straße rammte er von hinten den Fiat der Eheleute S. "Ich hab' nicht einmal einen Knall gehört", sagt Mohamed S. Seine Erinnerung setze erst wieder ein, als er kopfüber in den Gurten hing und Helfer versuchten, ihn aus dem völlig zertrümmerten Wagen zu befreien. Der aus Tunesien stammende Mechaniker erlitt schwerste Verletzungen, seine aus Marokko stammende Ehefrau verstarb noch in derselben Nacht in einer Klink.

Schlafstörungen und Angstzustände

"Ich komme über ihren Tod nicht hinweg", sagt Mohamed S. und nach einer kurzen Pause fügt er noch hinzu: "Er hat mein Leben zerstört." Seit dem Unfall ist der 48-Jährige krank geschrieben und muss starke Medikamente nehmen, einmal in der Woche geht er zur psychotherapeutischen Behandlung.

Schlafstörungen und Angstzustände machen ihm zu schaffen. Auto zu fahren oder alleine auf die Straße zu gehen, fällt ihm schwer. Vier Söhne und zwei Töchter zählt die Familie, die beiden jüngsten leben noch beim Vater. Seine neunjährige Tochter leide am stärksten unter dem Verlust der Mutter, erzählt Mohamed S., sie habe massive Schulprobleme.

Bei der Bewältigung der täglichen Arbeit hilft ihm ein Nachbar, andere Hilfe hat er bis heute nicht bekommen. 10.000 Euro zahlte die Versicherung des Angeklagten bislang. Dies sei aber nur eine Abschlagszahlung, sagt sein Anwalt. Rund 150.000 Euro will er bei der Versicherung einklagen, das Zivilverfahren ruht aber bis zum Abschluss des Strafverfahrens. Hier droht Stefan G. die Unterbringung in der Psychiatrie. Am 18. Juni wird der Prozess fortgesetzt.

© SZ vom 04.06.2009/pfau - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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