Projekt Hofstatt:Baustelle statt Boulevard

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Die Geschäftsleute an der Sendlinger Straße sind verärgert. Beim Projekt Hofstatt gibt es Verzögerungen. Abrissbagger und Bauzäune versperren Passanten den Weg.

Alfred Dürr

Riesige Kipplaster mit der Aufschrift "Abbruch+Recycling" bahnen sich ihren Weg durch die engen Straßen des Hackenviertels und fahren den steilen Weg hinunter in die Baugrube. Wenn sie vollbeladen mit Kies und Erde das Gelände wieder verlassen, tragen die Reifen den Matsch und Schmutz auf die Straßen. Polizist Peer Lüthje beobachtet die Situation genau.

Am Mittwoch wurden beispielsweise 86 Tonnen Stahl angeliefert. Ein Anwohner hat sich bei seinem Revier über die "unzumutbaren Straßenzustände" beschwert. Nun dreht eine spezielle Kehrmaschine ihre Runde und versucht, wenigsten die gröbsten Verunreinigungen zu beseitigen. So geht es eben zu auf einer Großbaustelle.

Der Frost ist vorbei, aber der Frust in der Sendlinger Straße bleibt. Wo einst die Abendzeitung und die Süddeutsche Zeitung ihre Redaktionen und Verlagsabteilungen hatten, wird nach der witterungsbedingten Pause wieder an dem neuen Einkaufs-, Wohn- und Büroprojekt Hofstatt gearbeitet. Für vieles haben die Geschäftsleute in der Nachbarschaft Verständnis, aber nicht für alles.

Die Bauverzögerungen, die durch die finanziellen und personellen Turbulenzen beim Investor Landesbank Baden Württemberg (LBBW) ausgelöst wurden, nerven nach wie vor. In der Sendlinger Straße sollte eigentlich schon seit Monaten das ehemaligen AZ-Gebäude abgerissen worden sein. Jetzt steht vor der Fassade, im abgesperrten Baustellenbereich, ein großer Abrissbagger.

In den nächsten Tagen geht es wirklich los, versichert man bei der LBBW in Stuttgart. Wahrscheinlich nachts soll dieser Bagger zu Werke gehen, um den Betrieb in der Geschäftsstraße möglichst wenig zu beeinträchtigen. Doch dafür braucht man wieder spezielle Genehmigungen - und das dauert.

Willy Lindner ist der Seniorchef des Traditionsgeschäfts Juwelier Fridrich, das gegenüber der Baustelle liegt. Lindner ist auch der Sprecher der Ladenbesitzer in der Sendlinger Straße. Dass dort drüben Container und Bauzäune die eine Hälfte der Straße versperren und die Wege der Passanten versperren, sei schon ein Ärgernis an sich. Als viel schlimmer empfindet er aber, dass so lange überhaupt nichts vorangegangen sei. Das empört Lindner erst richtig: "Wir werden an der Nase herumgeführt."

Auch der Vorsitzende des Altstadt-Bezirksausschusses, Wolfgang Püschl, streift ziemlich sorgenvoll um das Baugelände: "Wir sind hier nur ein paar Schritte vom Marienplatz entfernt und finden dann diese unerfreuliche und geradezu lieblose Situation vor."

Die Menschen würden doch gleich abdrehen, wenn sie am Eingang zur Sendlinger Straße die Zäune und Container sehen. Püschl vermisst zum Beispiel die inzwischen überall an Bauobjekten gebräuchlichen Abdeckungen der Häuserfronten, die neben Werbung auch die ursprünglichen oder künftigen Fassadengestaltungen abbilden.

Was Püschl jedoch am meisten ärgert, ist die seiner Ansicht nach mangelhafte Kommunikation der LBBW. Man habe großes Verständnis, wenn es um die Lösung von Problemen auf der Baustelle gehe. Der Boden ist zum Beispiel mit dem bei Druckfarben gebräuchlichen Lösungsmittel Toluol verseucht und muss speziell entsorgt werden.

Andererseits würden die Bürger aber kaum über Zeitpläne, Verzögerungsgründe oder Baufortschritte informiert: "Das Projekt hat große Auswirkungen auf das gesamte Viertel. Da muss man alles tun, um bei den Menschen um Zustimmung zu werben."

Nun gebe es zusätzliche Irritationen, weil niemand weiß, wie es überhaupt mit den anspruchsvollen Planungen für die Hofstatt weitergehe, sagt Püschl. Die LBBW versucht ihr Projekt zu "optimieren" und auf das System von Passagen durch den Neubau zu verzichten.

Die Verhandlungen mit der Stadt laufen noch. Das Planungsreferat will mit allen Mitteln verhindern, dass es zu grundsätzlichen Änderungen des Konzepts kommt. Sicher ist: Einigt man sich nicht, bedeutet das jahrelange Bauverzögerungen.

© SZ vom 05.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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