Prognosen für München:"Man muss nicht schwarz sehen für 2009"

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Vom Arbeitsvermittler bis zum Tankstellenbesitzer: Zehn Münchner schauen voraus ins neue Jahr. Nicht alle reden von Krise.

Michael Käfer, Gastronom:

Was spricht die Zukunft? Zehn Münchner schauen voraus ins neue Jahr. (Foto: Grafik: Vera Thiessat)

"Wir erwarten im Einzelhandel einen Zuwachs. Der soll den Partyservice-Markt ausgleichen, auf dem wir mit einem leichten Minus rechnen. Aber 2009 bietet auch eine große Chance für uns. Denn in schwierigen Zeiten sind die Preise besser. Wir planen deshalb ein größeres Bauprojekt und den ein oder anderen neuen 'Deli-Markt'. Dort gibt es dann unsere Delikatess-Lebensmittel zu kaufen, und zwar ohne Bedienung, dafür um 20 Prozent günstiger."

Was 2009 in München passiert
:Unbedingt merken!

Eine Rock-Queen feiert ihr Comeback, die Pinakotheken erhalten einen neuen Nachbarn und die Stadt feiert ihren 851. Geburtstag: Was 2009 alles in München passieren wird.

Ingrid Kaps, Richterin und Sprecherin des Amtsgerichts München:

"Wir wissen aus Erfahrung, dass wirtschaftlich schlechtere Zeiten für das Amtsgericht München erheblich mehr Arbeit bedeuten. Aber nicht nur im gewerblichen Bereich können dann immer mehr Geschäftsleute ihre Rechnungen nicht bezahlen - es steigt auch die Zahl der Verbraucherinsolvenzen. Wir im Amts- und Insolvenzgericht München werden uns angesichts der Wirtschaftsprognosen für 2009 also auf massive Steigerungsraten einstellen. Es wird jedoch kein zusätzliches Personal geben, so dass wir bereits überlegen müssen, aus welchen Abteilungen wir eventuell Mitarbeiter abziehen und an die Brennpunkte verlegen können."

Ursula Landeck, Arbeitsvermittlerin bei der Arbeitsagentur:

"Ich habe im Arbeitgeberservice mit den Firmen zu tun und stelle fest: Man muss nicht schwarz sehen für 2009. Im Gegenteil: Zumindest gut Qualifizierte werden weiter gefragt sein, da werden die Firmen eher ihren Bedarf nicht decken können - das Thema Fachkräftemangel bleibt also bestehen. Um so mehr werden die Unternehmen den Wert von Weiterbildung erkennen. Wer auf dem leeren Markt kein Top-Personal findet, stellt schlechter qualifiziertes ein und bildet dieses fort. Viele Unternehmen werden auch ihre Controlling-Bereiche ausbauen - das aber mit dem Ziel, damit Einsparmöglichkeiten zu finden, die dann auf Kosten des Personals gehen können. Bestimmt werden die Chancen der Ungelernten und Angelernten weiter sinken. Insgesamt kann man aber verhalten optimistisch sein."

Müjdat Ayaz, Inhaber OMV-Tankstelle in der Friedrich-Eckart-Straße in Denning:

"Im Moment sind die Leute ja wieder ganz happy und tanken viel mehr als vorher. 'Da habt's ihr ja wieder manierliche Preise', sagen sie zum Beispiel, 'so hab ich ja vor fünf Jahren zum letzten Mal getankt'. Trotzdem ist wohl zu befürchten, dass die wirtschaftliche Lage im nächsten Jahr schlechter wird und die Leute weniger Geld in der Tasche haben. Dann werden einige Firmen vielleicht Leute entlassen, und das werden wir dann auch wieder am Geschäft merken. Aber noch etwas Positives: Uns ist es in Deutschland noch nie schlecht gegangen."

Dieter Reiter, künftiger Referent für Arbeit und Wirtschaft:

"Für mich wird 2009 sehr spannend, mit vielen neuen Aufgaben und Projekten, die mich fordern. Ich führe bereits jetzt Gespräche, um beim Amtsantritt am 1. April gut vorbereitet zu sein. Die Krise, die für mein Gefühl von zu vielen auch zu sehr herbeigeredet wurde, macht mir keine Angst, selbst wenn sie auch an München nicht spurlos vorübergehen wird. Sollte es mehr Arbeitslosigkeit geben, wird die Stadt reagieren müssen, durch eine Stärkung des Münchner Beschäftigungs- und Qualifizierungsprogramms. Einen starken Akzent im Amt will ich auf das Thema Europa setzen - und 2009 werde ich auch damit beginnen, das Jubiläum 200 Jahre Oktoberfest vorzubereiten, damit wir 2010 angemessen feiern können."

Peter Reichl, Pressesprecher Polizeipräsidium München:

Der Putz bröckelt schon lange, fast 20 Jahre haben wir gewartet, jetzt soll es endlich los gehen: 2009 beginnen die Vorbereitungen für die Generalsanierung der Löwengrube, ein Gebäudetrakt des Münchner Polizeipräsidiums. Die unter Denkmalschutz stehenden Häuserteile aus dem Jahr 1912 sollen mit Haushaltsmitteln in Höhe von 27 Millionen Euro bis zum Jahr 2012 komplett erneuert werden. Es gibt einige Dienststellen, für die wird es räumlich hier bei uns eng, weil sie zusammenrücken müssen. Andere Dienststellen werden nächstes Jahr ausziehen müssen. Zum Teil werden die Beamten in staatseigenen Häusern unterkommen, zum Teil müssen auch Büros neu angemietet werden. Wir versuchen, aus dem Umzug auch Vorteile zu ziehen. Die nach der Polizeireform neu gegründeten Kriminalfachdezernate sollen zusammengeführt werden, was deren Arbeit erleichtern wird. Natürlich werden sich gerade für Ermittlungsdienststellen wie etwa die Mordkommission durch den Auszug auch Nachteile ergeben. Wir versuchen, diese Dienststellen hausnah unterzubringen. Und es ist ja auch nur zeitlich begrenzt für drei Jahre. Ein großer Vorteil wird für uns zudem sein, dass wir nach der Sanierung auch technisch auf dem neuesten Stand sein werden."

Diana Oesterle vom Infopoint für Museen und Schlösser in Bayern:

"Die Eröffnung des Museums Brandhorst wird natürlich ein Höhepunkt sein. Man hat ja schon bei der Langen Nacht der Museen gesehen, wie groß das Interesse der Münchner an dem Gebäude ist. Das neue Museum ergänzt die umliegenden Sammlungen und rundet das Spektrum ab. Außerdem gibt es wirklich viele Besucher, die besonders moderne Kunst lieben - wenn das Lenbachhaus für die Renovierung schließt, gibt es für diese Klientel neben dem Haus der Kunst auch noch dieses Museum. Nicht wenige kommen übrigens wegen der Architektur des beeindruckenden Baus. Die Eröffnung des Hauses wird voraussichtlich im Frühsommer stattfinden."

Bettina Hess, Sprecherin der Stadtwerke München:

"Die Stadtwerke verfolgen auch 2009 mit Nachdruck das Ziel, dass München möglichst bald als erste deutsche Großstadt alle Privathaushalte mit in eigenen Anlagen erzeugtem Strom aus regenerativen Energien versorgen kann. Dafür investieren wir in den nächsten Jahren mehr als eine Milliarde Euro. Schwerpunkte der Offensive sind international On- und Offshore-Windkraftanlagen sowie Solaranlagen, aber auch die Geothermie und Biomasse in der Region. In Sauerlach läuft momentan die dritte Bohrung für das Geothermiekraftwerk, das ab 2011 Strom aus Erdwärme erzeugen soll. Und auch die Planungen für eine Geothermieanlage in Freiham werden vorangetrieben, damit wir 2010 mit den Bohrungen beginnen können. Das Fernwärmenetz wird weiter ausgebaut über Laim und Pasing in Richtung Westen, um es langfristig mit dem Nahwärmenetz in Freiham zu verbinden."

Gabriele Weishäupl, Tourismuschefin:

"Wie 2009 wird? Nun, da wissen wir so wenig wie die Wirtschaftsweisen. Aber ich bin Optimistin und deshalb der Ansicht, dass wir unser hohes internationales Niveau, was den Tourismus angeht, halten können - auch wenn es womöglich eine kleine Delle geben wird. Knapp fünf Millionen Übernachtungsgäste kommen im Jahr nach München, durchschnittlich bleiben sie zwei Nächte. Dazu kommen 90 Millionen Tagestouristen. 2008 stand der 850. Stadtgeburtstag im Mittelpunkt, 2010 wird 200 Jahre Oktoberfest das beherrschende Thema sein. 2009 dagegen geht es um die Kultur: Das Brandhorst-Museum wird eröffnet, Ausstellungen wie Kandinsky, die Wittelsbacher und das Reich der Mitte und Tutanchamun werden laufen. Und der 851. Stadtgeburtstag? Der wird ein wenig kleiner sein als 2008. Ob wir das Stadtgründungsfest bis zum Tal ausweiten, ist noch nicht entschieden. Es hängt am Geld, so wie einiges im kommenden Jahr am Geld hängen wird."

Rupert Walser, Galerist für moderne Kunst:

"Ich hoffe, dass jetzt ein neuer Blick aufs Wesentliche und Eigentliche entstehen kann, so wie es angesichts der Wirtschaftskrise, die ja darüber hinaus eine ganz generelle Krise ist, auch mit unserer gesamten Weltsicht geschehen muss und wird. Ich sehe darin eine Chance. Auf die Kunst bezogen: Es hat etwas Befreiendes, wenn man wieder Malerei, Skulptur, Zeichnung als solche wertschätzen wird. Zuletzt war die junge Kunst vor allem ironisch, witzig, zynisch. Das war für diesen Zustand der Welt, ihrer Gesellschaft und deren Werte auch nur zu verständlich. Eine Kunst, die zum Beispiel den Kunstmarkt reflektierte und dessen Absurditäten. Schenkelklatschend hechelte dieser Markt in den Zeiten des Hypes den jugendlichen Helden hinterher, immer auf der Suche nach dem nächsten großen schwarzen Joke. Wenn jetzt die Galerien schon über dramatische Umsatzeinbrüche klagen: Richtig gute Kunst wird immer eine sehr gute Wertanlage bleiben - wenn man es denn unbedingt wirtschaftlich betrachten will."

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