Produkte aus der Stadt:Die Marke München

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Mode, Getränke, Accessoires: Immer häufiger dienen Begriffe aus der Stadt für kommerzielle Werbung. Der Kunde verbindet Qualität damit. Doch es gibt Grenzen

Von Franziska Gerlach

Bier, BMW und Beckenbauer, dafür kennt man München auf der ganzen Welt. Das Oktoberfest ist selbst dem Kokosnussverkäufer in Bangkok ein Begriff. Hier die glamouröse Maximilianstraße, dort die vielen internationalen Firmen wie Siemens - viele verbinden Wohlstand mit der Stadt. Der Name München strahlt, keine Frage, und zumindest wenn man die Einheimischen fragt, sogar noch ein wenig mehr als der von anderen Städten. "Letztlich ist München an sich eine Marke", sagt Mark Leiblein, Geschäftsführer der Münchner Agentur Namestorm. Warum also den Bekanntheitsgrad nicht nutzen, wenn man gerade einen Namen für eine Geschäftsidee sucht?

Tatsächlich ist die Zahl der Unternehmer, die sich bei der Wahl eines Produktnamens vom Begriff München inspirieren ließen, inzwischen auf ein respektables Maß angewachsen. "Wir wussten, dass wir eine schöne Geschichte brauchen, um das Produkt zu verkaufen", sagt Konstantin von Keyserlingk. Allerdings ging es ihm nicht darum, die Aura des glänzenden Münchens, den Pomp und den Protz, auf den "Monaco Vodka" zu übertragen. Mit dem Namen möchte man Assoziationen hervorrufen an einen der größten Sympathieträger der Stadt, den Monaco Franze aus der gleichnamigen Fernsehserie von Helmut Dietl. Er soll aber auch italienisches Lebensgefühl verströmen und anzeigen, dass der Wodka an der Isar gebrannt wurde - das alles darf durchaus als Hommage an die Stadt verstanden werden. Ganz neu ist die Idee zwar nicht. "Kneipen hießen früher schon Isarperle", sagt Leiblein, "das gibt es schon ganz lange." In den vergangenen Jahren stand München aber auch zunehmend Pate bei Einrichtungen, Firmen oder Produkten, die ein modernes Image pflegen: "München 72" heißt eine Kneipe im hippen Glockenbachviertel, bei "Isargold" gibt es fesche Kindermode, und hinter "TasteMunich" stehen zwei Frauen, die sogenannte Pop-up-Dinner kochen. Meist sind es kleine, regional operierende Anbieter, die mit Lokalkolorit im Namen spielen. Leiblein wertet das als Wunsch, sich abzugrenzen von Massenproduktion und Globalisierung. Der Zeitgeist besinnt sich auf alte Werte. Traditionelle Handwerkstechniken, sorgsam ausgewählte Zutaten und Materialien sind wichtiger denn je. Mehr noch als ein Bio-Siegel betrachtet der Konsument heutzutage alles Regionale als Synonym für Qualität. Da ist es ziemlich schlau, als Hersteller die Wahl des Namens mit der Liebe zur Heimat zu begründen. Und gerade weil München so bekannt sei, so Leiblein, funktioniere solch ein Name auch dann, wenn man seine Produkte eines Tages jenseits der Stadtgrenzen vertreiben wolle.

(Foto: Lukas Barth)

Dass ein entsprechender Name selbst ein russisches Nationalgetränk mit Münchner Charme auflädt, das zeigt das Beispiel "Monaco Vodka" doch recht gut, auch ohne Bairisch oder Deutsch zu klingen. Auffallend und originell sollte ein guter Markenname sein, sagt Leiblein, und möglichst einzigartig. Denn wenn fünf Schokoladenhersteller gleichzeitig auf die Idee kommen, ihre Süßigkeit der Stadt zu widmen, ist der Wiedererkennungswert schnell dahin. Leiblein empfiehlt Sprachspiele und Kombinationen mit anderen Wörtern, um sich von Mitbewerbern abzuheben, und auch ein Beispiel gelungener Namensschöpfung fällt ihm ein: "Isaraufwärts", eine Münchner Werbeagentur.

Ein Name kann allerdings noch so kreativ sein - sieht man im Münchner Rathaus das Image der Stadt gefährdet, fällt die Begeisterung eher verhalten aus. Der SPD-Fraktion im Stadtrat war im Oktober gar nicht wohl bei dem Gedanken, eine Tabakfirma könnte mit ihrer München-Zigarette Kapital schlagen aus dem guten Namen der Stadt. Die Rechtsabteilung im Rathaus prüfte das und forderte den Hersteller in Brandenburg auf, die Zigarette vom Markt zu nehmen. Als wenig später ein Lieferservice für Alkohol mit dem Münchner Kindl warb, schritten die Genossen abermals ein. Das Wappen mit dem Kuttenträger ist geschützt und wird allenfalls genehmigt, wenn die Verwendung den Interessen der Stadt nicht zuwider läuft. Der Lieferservice musste das Kindl von seinen Flyern entfernen.

Viele Produkte klingen Münchnerisch, wie die Fahrradjacke Lehel: die elegante Version

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(Foto: Robert Haas)

Drei Jahre tüftelte Christian Vornehm am Entwurf, ein passender Name war aber schnell gefunden. "Das war ein kreativer Geistesblitz", sagt der Inhaber der Agentur Lichtung.Kreation. Und offenbar macht der Name neugierig: Als der Münchner die drei verschiedenen Modelle seiner neuen Fahrradjacken auf einer Messe in Berlin vorgestellt hat, wurde er gefragt, weshalb er diese Westend oder Lehel getauft habe, und was denn bitte schön Sendling sei? Wer in München lebt, der versteht dagegen: Lehel ist die elegante Version, das Modell Sendling greift den urigen Charakter des Stadtteils auf, und dem Westend wollte der passionierte Fahrradfahrer schon deshalb eine Jacke widmen, weil sich dort sein Büro befindet.

Schmuck IsarPomp: schön doppeldeutig

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(Foto: Robert Haas)

"IsarPomp", dieser Name beinhaltet nicht nur die Initialen von Schmuckdesignerin Iris Pscherer, sondern auch eine Reminiszenz an den Hang der Münchnerin zum glamourösen Auftritt. Eine Doppeldeutigkeit im besten Sinne also, unter der Pscherer da firmiert. Fragt man jene Experten, die Unternehmer bei der Suche nach Firmennamen beraten, bleiben ja genau solche Wortschöpfungen leicht im Gedächtnis haften. Und wenn die junge Münchnerin auch längst nicht mehr so aufgedonnert ist, wie man ihr gerne nachsagt: Gelegenheiten, die pompösen Schmuckkreationen aus funkelnden Swarovski-Steinen und Halbedelsteinen von Iris Pscherer gebührend auszuführen, die gibt es an der Isar zur Genüge.

Geldbörse Schwabing: in Pink bestickt

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(Foto: Matthias Ferdinand Doering, foto,Matthias Ferdinand Doering)

Ein bayerischer Bilderbuchtag, im Frühjahr vor sechs Jahren. Die Vögel zwitschern, Blasmusik, im oberbayerischen Höhenmoos spießt der Maibaum die wenigen Wolken auf, die über den strahlend blauen Himmel ziehen. Auf dem Dorfplatz sitzen die Menschen auf eine Mass beisammen, natürlich in Tracht. "Das Einzige, was nicht standesgemäß gekleidet war, waren unsere Handys", sagt Tom Bäuerle. So entstand Oagwai, ein Label für die standesgemäße Ledergewandung von Mobiltelefonen und Trachtengeldbörsen. Rosenheim oder Berchtesgaden heißen die Modelle, ein pink besticktes Portemonnaie trägt den Namen "Schwabing". Denn: "Solche exotischen, farbenfrohen Trachten trägt man nur in München."

Parfum Eisbach: spritzig unaufgeregt

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(Foto: Robert Haas)

Wer sich der Frage annimmt, wonach denn wohl der Eisbach duftet, der wünscht sich schnell die olfaktorische Begabung eines Jean-Baptiste Grenouille herbei, des Protagonisten aus Patrick Süskinds Roman "Das Parfum". Die Alternative: Man nimmt den Deckel von einem Glasflakon und schnuppert an jenem "Eisbach", den die Münchner Parfummanufaktur Lengling im vergangenen Jahr auf den Markt gebracht hat - natürlich inspiriert von der Liebe zu München und dem Englischen Garten. Nach Grapefruit, Bergamotte und Grünem Tee duftet das Parfum, spritzig-frisch und irgendwie doch unaufgeregt. Der Duft vereint nämlich zwei gegensätzliche Noten: eine Leng, eine Ling.

Aqua Monaco: aus 150 Meter Tiefe

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(Foto: Robert Haas)

Bei diesem Namen muss man nicht lange rätseln, womit man es zu tun hat: Aqua Monaco ist ein Mineralwasser aus der Münchner Schotterebene, seit 2011 wird es dort in 150 Metern Tiefe gewonnen und vor Ort abgefüllt. Ein vor 10 000 Jahren entstandenes Reservoir liefert reines Gletscherwasser. Dessen Qualität eignet sich zum Brauen der Münchner Biere nach dem Reinheitsgebot, dachten sich die Firmengründer, warum also nicht auch ein Mineralwasser daraus herstellen? Inzwischen trifft man die Flaschen mit dem grazilen Schwan überall in München an, aber auch jenseits der Stadtgrenzen ist Aqua Monaco bekannt. Neben Mineralwasser beinhaltet das Sortiment auch Limonaden.

Auch die Münchner Metzger scheiterten letztlich mit dem Versuch, die Bezeichnung "Münchner Weißwurst" schützen zu lassen. 2009 lehnte das Bundespatentgericht dies in letzter Instanz ab. Die Würste kämen mengenmäßig überwiegend aus anderen Regionen Bayerns und nicht aus München, lautete die Begründung. Weshalb aber das Uhrenmodell "München" aus dem Sortiment genommen wurde, will das schwäbische Hersteller Junghans nicht mitteilen. Wie der Markenrechtler Volker Lehmann weiß, sind Städtenamen grundsätzlich zulässig, um den Ursprung eines Produkts zu kommunizieren. Schwierigkeiten könne es in Fällen geben, in denen eine "Monopolisierung" angestrebt werde. Denn: "Eine geografische Herkunftsangabe kann keiner für sich alleine beanspruchen."

In aller Regel unproblematisch ist die Verwendung von Telefonvorwahlen, in München bestens bekannt ist die "089 Bar". Ein hiesiges Phänomen? Mitnichten. Eine Regensburger Modemarke heißt "0941 The Label", in Berlin gibt es "Getränke 030", und auch aus anderen Städten ließen sich Beispiele anführen. Die Firmenphilosophie eines Stuttgarter Anwalts haben aber nicht alle befolgt: "0711 statt 08/15".

© SZ vom 18.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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