Privatunterkünfte boomen:Meine Couch ist deine Couch

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Privat übernachten anstatt ins Hotel: Immer mehr Touristen suchen sich via Internet Schlafplätze bei Privatleuten. Das ist billiger und wesentlich persönlicher. Auch die Vermieter können sich so etwas dazuverdienen. Und manchmal macht man ganz spezielle Erfahrungen.

Beate Wild

Zentraler geht es kaum. "Helles Zimmer direkt am Isartor, 22 Quadratmeter, über den Dächern von München", steht in der Anzeige. Der Preis: 60 Euro pro Nacht. "Ein Hotelzimmer in der Innenstadt kostet wesentlich mehr", sagt Sandra Neumeister. Deshalb hat die 29-Jährige aus Köln bei ihrem München-Besuch das Privatzimmer gemietet, statt in einer professionellen Herberge abzusteigen. Gefunden hatte sie es im Internet, wo es immer mehr Portale gibt, die Gäste und Vermieter zusammenbringen wollen.

Dieser Eindruck soll nicht täuschen: Selbstverständlich bieten die Vermieter über Portale wie Airbnb oder Wimdu keine Schlafplätze im Freien an. Meistens sind sie trotzdem recht günstig. (Foto: dpa)

Airbnb.de ist der größte Anbieter und hat für München etwa 1500 Angebote auf seiner Seite; in den umliegenden Landkreisen sind es jeweils mehrere Dutzend. Bei Wimdu.de finden sich rund 300 verfügbare Zimmer in München, bei 9flat.de mehr als 100. In der Schwulen- und Lesbenszene beliebt ist das Portal ebab.de.

Ausgestattet war das Zimmer am Isartor mit Fernseher und einem großen Bett, Küchen- und Badbenutzung inklusive. Bettwäsche und Handtücher wurden gestellt. Vermieterin ist Christine, die sich ein bisschen was dazuverdienen will. "Seit meiner Scheidung habe ich Platz in der Wohnung. Und das Geld kann ich gut gebrauchen", sagt die 36-jährige Bankkauffrau, die ihren Nachnamen lieber nicht in der Zeitung lesen will. Probleme mit ihren Mietern habe es noch nie gegeben, erzählt sie. Doch man müsse schon damit leben können, dass fremde Leute in der eigenen Wohnung ein- und ausgehen.

In München und Umland, wo Mieten und Lebenshaltungskosten ständig steigen, kommen immer mehr Menschen auf die Idee, sich mit Untervermietungen etwas dazuzuverdienen. Seit etwa einem Jahr gibt es in Deutschland Vermittlungsportale im Internet, sie werden immer populärer. Für die Zusammenführung von Mietern und Vermietern kassieren sie eine Provision: Drei Prozent muss der Vermieter übernehmen, bis zu zwölf Prozent der Mieter. Damit alles ganz korrekt abläuft, überweist der Gast das Geld an den Vermittler. 24 Stunden nach der Anreise, wenn von beiden Seiten keine Beschwerden kommen, wird der Betrag an den Vermieter weitergeleitet - abzüglich der Vermittlungsgebühr. Und wenn ein ungestümer Gast etwas kaputt machen sollte, sind Schäden bei Airbnb bis zu einer Höhe von 700.000 Euro versichert, bei Wimdu bis zu 500.000 Euro.

Eine begeisterte Vermieterin ist Dalila Hadri. Sie bietet Zimmer in ihrer 118-Quadratmeter-Wohnung im Olympiapark an. 35 Euro verlangt sie für eine Person, 60 für zwei Personen pro Übernachtung. Zur Wiesn-Zeit wird es teurer, da steigen ihre Preise auf 60 beziehungsweise 85 Euro. Insgesamt haben schon 70 Gäste bei Hadri gewohnt, während des Oktoberfests im vergangenen Jahr waren es alleine 20. "Mir macht es Spaß, immer wieder neue Leute zu treffen", erzählt sie. "Die kommen aus der ganzen Welt nach München." Auch wenn sie selbst in den Urlaub fährt, wohnt sie nicht mehr im Hotel, sondern privat.

So wie Katja Rösener. Die Münchnerin kommt gerade aus Barcelona zurück, wo sie mit drei Freundinnen ihren Junggesellinnenabschied gefeiert hat. "Die Hotels dort sind so teuer, dass ich zum ersten Mal auf die Idee gekommen bin, privat unterzukommen", sagt die 33-Jährige. Jede der Freundinnen bezahlte 45 Euro pro Nacht. "Die Lage war unschlagbar zentral, und es gab sogar einen Pool auf dem Dach", schwärmt die Münchnerin. In Zukunft will sie nur noch so verreisen.

Doch nicht jede Erfahrung beim Mieten von Privatzimmern ist so schön. Ein Münchner Pärchen, das sich für ein verlängertes Wochenende in einer Wohnung in Paris eingemietet hatte, fand die Bleibe derart verdreckt und unordentlich vor, dass aus dem romantischen Trip ein Ekelerlebnis wurde. "Nie wieder", sind sich die beiden sicher. Freilich hätte man beim Anblick dieses Chaos noch einen Rückzieher machen und die Wohnung fluchtartig verlassen können. Doch die Hemmschwelle dem Vermieter gegenüber war dann doch zu hoch. Und woher auf die Schnelle noch ein günstiges Hotel auftreiben?

Nicht nur deshalb sieht Ralf Schell, Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands, die neuen Angebote kritisch. "Wir können diese Para-Hotellerie nicht gutheißen", sagt er und klagt über eine "eklatante" Wettbewerbsverzerrung. "Während dort Dumpingpreise geboten werden, müssen wir Hoteliers gewisse Standards einhalten, etwa Hygiene oder Brandschutz, die Geld kosten", erklärt Schell.

Generell sei gegen private Zimmervermietung zwar nichts einzuwenden, doch die professionelle Vermarktung solcher Angebote über Internetportale beobachte er mit großer Besorgnis. "Mich würde auch interessieren, ob die Privatanbieter ihre Mieteinnahmen dem Finanzamt melden", sagt Schell. Zudem müssten die Wohnungseigentümer einer Untervermietung zustimmen. Das Ganze finde in einer "rechtlichen Grauzone" statt.

Nicht mit den Angeboten von Wimdu oder Airbnb zu verwechseln sind die Couchsurfer. Auf www.couchsurfing.com können Menschen ihre Wohnung gratis zur Verfügung stellen. Das Ganze beruht auf reiner Gastfreundschaft, ohne jeden Profitgedanken. Und bei den Bewertungen, die begeisterte Besucher nach ihrem Aufenthalt in München den Gastgebern auf ihre Profilseite schreiben, ist zu spüren, dass es hier um gelebten Altruismus geht.

Unter dem Wohnangebot eines gewissen Basti steht etwa: "Es hat solchen Spaß gemacht! Er hat mich zu den schönsten Plätzen in München gebracht, mit mir das beste Bier getrunken, mir ein bisschen Deutsch beigebracht und mich seinen Freunden vorgestellt." Und bei Johanna ist zu lesen: "Ein fantastisches Mädchen mit einem Herz aus Gold. Sie hat mir die schönsten Seiten Bayerns gezeigt. Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder."

Manchmalergeben sich daraus Freundschaften fürs Leben, denn auch den Gastgebern macht Couchsurfing Spaß. Ein Giesinger erzählt, wie er neulich zwei Schwedinnen beherbergte. Er hat den beiden die Stadt gezeigt und war mit ihnen feiern. "Die haben mehr vertragen als ich", sagt er und lacht. "Es war unglaublich lustig."

© SZ vom 08.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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