Primor im Literaturhaus:Avis Lehrstunde

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Deutschlands liebster Israeli dröselt den Nahostkonflikt auf - und erklärt dem Münchner Publikum, warum israelische Sportler so schlecht abschneiden.

Oliver Das Gupta

Am Ende des Abends hat Avi Primor noch einen Seitenhieb auf Politiker parat: "Ich habe nicht den nötigen Charakter zur Parteipolitik", antwortet er lächelnd dem Zuhörer, der ihm gerade attestierte, das Zeug für höchste Ämter zu haben.

Primor mit Moderator Mezger im Literaturhaus (Foto: Foto: Das Gupta)

"Jeder soll tun, was er kann", schiebt Avi Primor nach. Und seine Sache ist das Analysieren des Nahostkonflikts und seiner außen- und sicherheitspolitischen Verbindungen.

Eigentlich plante der Verein Lichterkette e.V. im Rahmen seiner "Deutschstunden"-Reihe, dass der langjährige israelische Botschafter in Bonn und Berlin an diesem Donnerstagabend im Literaturhaus aus seinem aktuellen Buch "Mit dem Islam gegen den Terror" liest und anschließend mit dem Weltspiegel-Moderator Peter Mezger diskutiert.

Primor lässt das Buch beiseite

Es kommt anders, und das ist gut so: Primor lässt das Buch beiseite und hebt zu einer umfassenden Analyse der Lage im Nahen Osten an, Mezger bleibt die Rolle des patenten Stichwortgebers.

Primors Auftritt in der nahezu ausverkauften Veranstaltung verläuft wie eine Lehrstunde: Aspekt für Aspekt dröselt der Israeli die komplizierte Lage im Nahen Osten auf - und das verblüffend verständlich.

Zur Kurzweiligkeit trägt Primors Art der Darbietung bei: Er rudert mit den Armen und mimt dabei mit hoher Stimme aufgebrachte arabische Gesprächspartner, die nicht glauben können, dass das hochgerüstete Israel tatsächlich Angst vor ihnen hat.

Süffisant weist er darauf hin, dass selbst Hardliner wie Ariel Scharon mit der Hamas Vereinbarungen getroffen haben. Primor wirkt agil und jugendhaft. Dabei ist er 73 - nur acht Jahre jünger als der Papst.

Primors bekanntes Credo lautet auch an diesem Abend: Verständigung in Nahost ist möglich, wenn alle Seiten auf Pragmatismus setzen. "Die Araber sind verdammt, mit uns Israelis zu leben", sagt er. Auf der anderen Seite komme Israel nicht umhin, die Hamas "wahrzunehmen".

"Die Araber fühlen sich gedemütigt"

Fein zeichnet Primor die Emotionen von Israelis und Arabern, ein wichtiger Aspekt, der viel zu wenig beachtet wird. "Sie fühlen sich gedemütigt", sagt Primor zum Minderwertigkeitskomplex der Palästinenser. Man müsse ihnen das Gefühl von "Würde" geben.

Ungeschönt spricht der Ex-Botschafter auch vom "Elend" der Palästinenser, in dem sie leben. Man müsse ihnen eine reale Hoffnung geben, sonst "folgen sie den falschen Propheten."

Auf israelischer Seite gibt ein anderes Gefühl den Ausschlag: Die Angst, nicht sicher zu sein. Militärisch sei Israel von den Nachbarn nicht zu besiegen. "Können Islamisten Israel mit primitiven Raketen vernichten?", fragt Primor spöttelnd in den Saal. "Das ist doch Quatsch!"

Primor macht klar, dass auf dem Weg zu einer Verständigung Hilfe von Außen möglich ist - eine Hilfe, die nicht nur aus Vermitteln besteht, sondern auch darin, bisweilen "auf den Tisch zu hauen".

Israels Ex-Botschafter Avi Primor fordert mehr Engagement von der EU. (Foto: Foto: dpa)

Dabei denkt er in erster Linie nicht an den US-Präsidenten Barack Obama ("Der muss sich erstmal um die Wirtschaft kümmern, das ist klar"), sondern an die Europäische Union.

Konkret: Primor fordert eine "robuste" Friedenstruppe im Westjordanland, die die israelischen Soldaten ablösen soll, bis eine stabile palästinensische Verwaltung aufgebaut ist. Eine solche Truppe würde beiden Seiten Ängste nehmen, und noch mehr: Den Israelis die Sorge um ihre Sicherheit und den Palästinensern das Gefühl, besetzt zu sein.

"Das können auch gerne türkische Soldaten sein", sagt Primor - ein Vorschlag, den er erstmals in einem Interview mit sueddeutsche.de im vergangenen Frühjahr gemacht hat.

"Die warten nur darauf"

Syrien könne man einbinden ("Die warten nur darauf, dass man ihnen einen Ausweg zeigt"), die iranische Atombombe nicht verhindern - müsse man auch nicht. Schließlich würde Teheran einen Nuklear-Angriff auf Israel auch nicht überstehen, sagt Primor zwinkernd und spielt auf das nicht offizielle Atomwaffen-Arsenal seines Landes an. "Die Mullahs sind schließlich nicht lebensmüde."

Ob es sich um Iran handelt oder den Nahost-Konflikt: Mit launigen Sätzen formuliert Primor für die großen Konfliktherde Lösungen, manchmal etwas zu simpel. Den "Weltkrieg gegen den Terror" könne man mit einem "Weltmarschallplan" der reichen Länder gewinnen, indem man der verarmten muslimischen Welt auf die Beine hilft, sagt er etwa.

"Das ist sicherlich nicht ganz einfach", merkt Moderator Mezger an. "Was ist denn schon einfach?", wiegelt der Ex-Diplomat undiplomatisch ab.

Primor spricht fast 90 Minuten, danach applaudiert das Publikum ihm lange. Drei Fragen lässt Primor noch zu. Eine davon lautet: "Warum sind israelische Sportler so selten erfolgreich?" Israel rangiere im olympischen Medaillenspiegel immer ganz hinten, auf den letzten Plätzen. "Vielleicht liegt das daran, dass wir Israelis uns so sehr auf unsere Sicherheit konzentrieren, dass wir anderes vernachlässigen", sagt Primor lächelnd. "Das wird sich ändern, wenn wir Frieden haben."

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