Preis "Münchens ausgezeichnete Unternehmen":Hilfe wie "drei Lottogewinne"

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IT-Hilfe für das Kinderhaus Atemreich, Blumen für krebskranke Kinder, warme Mahlzeiten für Bedürftige oder eine behindertengerecht umgebaute Drechselbank: Vier Beispiele, wie sich Münchner Firmen für die Gesellschaft engagieren

Von Sven Loerzer

"Drei Lottogewinne": IT-Hilfe für das Kinderhaus Atemreich

Von ihrer ersten Begegnung mit den IT-Experten schwärmt Felicitas Hanne, Geschäftsführerin des Kinderhauses Atemreich, nach zwei Jahren noch immer. Dabei ging zunächst eigentlich alles schief, als sie an der Reihe war, ihr Problem auf dem Hackfest 2018, zu dem Microsoft Deutschland eingeladen hatte, zu präsentieren. "Mein Rechner ging nicht an, ich konnte mein Problem mit der selbstgeschriebenen Datenbank nicht darstellen." Bei dem Treffen erzählte Hanne den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Microsoft von den 18 Kindern im Alter zwischen vier Monaten und 18 Jahren, die, obwohl sie nicht selbständig atmen können, im Kinderhaus dank vieler engagierter Mitarbeiter so normal wie möglich leben. Das Datenbankproblem haben die Experten dann innerhalb von zwei Stunden beseitigt. "Und sie haben ganz viele Dinge gefunden, wo sie Atemreich unterstützen können. Sie sind nicht zu bremsen." Seit 2018 gebe es nun ein Team von 50 Microsoft-Leuten, "die sich regelmäßig zu Wochenbeginn treffen und die auf vielen Ebenen für uns Lösungen suchen", freut sich Hanne. So haben sie mittels des Programms Teams die Informationsweitergabe unter den Atemreich-Mitarbeitern verbessert, die sich in Schichtarbeit um Pflege und Betreuung der Kinder kümmern.

Von der Digitalisierung im Kinderhaus Atemreich, die Microsoft vorantrieb, profitiert Bianca, die rund um die Uhr medizinisch versorgt werden muss. (Foto: Atemreich)

Und die Digitalisierung vorangetrieben: Die vielen Daten, die auf den Überwachungsmonitoren für die Lebensfunktionen der Kinder auflaufen, die zum Teil abgeschrieben wurden, "konnten wir früher nicht wirklich auswerten", sagt Hanne. Die IT-Experten holten kurzerhand eine auf Datenanalyse spezialisierte Firma mit an Bord. Dadurch ließ sich die Gabe krampflösender Medikamente um ein Drittel verringern, wodurch sich unerwünschte Wirkungen reduzieren. Die Pflegedokumentation ist erleichtert worden, "wir haben mehr Zeit, für die Kinder da zu sein", freut sich Hanne. Für eine kleine Einrichtung sei das wie "drei Lottogewinne auf einmal". Die Unterstützung mit Knowhow und viel Engagement sei jedenfalls großartig.

Im vergangenen Jahr erhielt Microsoft dafür den Preis "Münchens ausgezeichnete Unternehmen". Ehrenamtliches Engagement gehört für Microsoft zur Unternehmenskultur. "Gutes tun tut gut", formulierte es Andre Kiehne, Mitglied der Geschäftsleitung. "Wir sehen es als unsere Verantwortung, mittels Technologie Menschen zu helfen", am Leben teilzuhaben. Damit wolle man auch die Empathie der Mitarbeiter fördern, "denn das schafft Kreativität und macht zufrieden."

So ist ein Marketingfilm ist entstanden, der sich erfolgreich für die Personalanwerbung bei Atemreich einsetzen ließ. Und weil die Atemreich-Kinder nicht mit der Xbox spielen können wegen ihrer Handicaps, "wollen die Programmierer nun Spiele entwickeln, die für unsere Kinder geeignet sind", freut sich Hanne über die "Microsofties". Sie ist überzeugt: "Wenn jedes Unternehmen dieser Welt sich eine soziale Einrichtung schnappen würde und ihr das Knowhow zur Verfügung stellt, da würde die Welt zusammenwachsen."

Behindertengerechte Drechselbank

Revoneer erarbeitete eine Lösung, die es Menschen mit motorischen Einschränkungen erleichtert, die Drechselbank in der Förderstätte des Münchner Förderzentrums zu steuern. (Foto: MFZ)

An der Drechselbank in der Förderstätte des Münchner Förderzentrums (MFZ) finden Menschen mit schweren Behinderungen eine Beschäftigungsmöglichkeit. Für Menschen mit motorischen Einschränkungen war sie aber nicht gut zu bedienen. Revoneer, ein junges Unternehmen, das Ingenieurdienstleistungen rund um Maschinenbau, Elektrotechnik und Informatik anbietet, erarbeitete pro bono für die Förderstätte eine Lösung, die es erleichtert, die Maschine zu steuern. So konnten die elektronischen und mechanischen Komponenten der bestehenden Drechselbank für die behindertengerechte Nutzung erfolgreich angepasst werden. Um Menschen mit Behinderung die Bedienung des Gerätes zu erleichtern, hat das Revoneer-Team einen elektrischen Antrieb mit entsprechender Ansteuerung und den nötigen Sicherheitseinrichtungen entwickelt. Für die 2018 gegründete Firma mit zwölf Mitarbeitern im Kernteam gehört ehrenamtliches Engagement für ökologische, humanitäre und kulturelle Projekte zur Firmenphilosophie. Ziel sei, "einen Mehrwert in gesellschaftlicher sowie ökonomischer Sicht zu erreichen". Denn nur eine gesunde Gesellschaft könne ein erfolgreiches Unternehmen hervorbringen.

Frisches Essen für Tafel-Bedürftige

Dreimal pro Woche kocht das Unternehmen Bayern-Bankett Gastronomie 200 frische Mahlzeiten für die Münchner Tafel. (Foto: Bayern-Bankett)

Eigentlich verteilt die Münchner Tafel vor allem Lebensmittel über ihre 27 Ausgabestellen im Stadtgebiet an mehr als 20 000 Bedürftige. Doch das Unternehmen Bayern-Bankett Gastronomie, das zu den großen Anbietern von System-Gastronomie und Catering-Dienstleistungen gehört, kocht seit zwölf Jahren nicht nur für Firmen, sondern auch für die Münchner Tafel. Keine Reste, 200 frisch zubereitete Mahlzeiten, dreimal je Woche. "Das läuft bei uns einfach in der Produktion mit", sagt Geschäftsführer Stefan Hartmann. "Wir unterstützen die Tafel im Rahmen unserer Möglichkeiten." Mehr als 30 000 Portionen sind das jedes Jahr, und bisweilen helfen Hartmann selbst oder seine Mitarbeiter bei der Verteilung mit. "Alle Schicksale, die es gibt, begegnen einem dort." Unbürokratische Hilfe für die Empfänger, "eine große Freude", für die Tafel-Vorsitzende Hannelore Kiethe sehr dankbar ist. Für Bayern-Bankett gehört es zur Firmenphilosophie, Nachhaltigkeit zu leben und Verantwortung über den Geschäftsalltag hinaus zu übernehmen. Der Betrieb setzt deshalb auch auf Einkauf aus regionaler Erzeugung und artgerechter Tierhaltung.

Blumen für kleine Patienten

Acht oder neun Jahre ist es her, da kam eine Frau, die nicht in München lebte, zum Blumenstand von Jozef Warmerdam am Goetheplatz. "Sie wollte Blumen kaufen für ein krankes Mädchen", erinnert er sich. Das Mädchen lag im Haunerschen Kinderspital, litt an Leukämie und bekam in der Klinik eine Chemotherapie. "Ich rede immer mit den Leuten", sagt Warmerdam. Der Frau versicherte er sein Mitgefühl und versuchte, sie zu trösten: "Ich sagte ihr, wenn sie wiederkommt, darf sie sich umsonst Blumen bei mir holen." Sie kam wieder, und Wochen später kam ein junges Mädchen im Rollstuhl zu ihm an den Stand, um sich für die Blumen zu bedanken. "Sie hatte keine Haare am Kopf." Seitdem schenkt Warmerdam einmal in der Woche Blumen für die Stationen der Kinderklinik. Und beschert Kindern, die dort oft lange Wochen verbringen müssen, mit liebevoll gebundenen Sträußen eine kleine Freude.

Seine Blumen erfreuen alle im Haunerschen Kinderspital: Jozef Warmerdam versorgt die Klinik nicht nur im Frühjahr kostenlos mit Sträußen. (Foto: Catherina Hess)

Das Schicksal der Kinder bewegt Warmerdam: "Wenn man selbst gesund ist, soll man das auch schätzen und andere unterstützen, den es nicht so gut geht." Da zähle jede Hilfe, "auch wenn es nur ein paar Blumen sind". Eigentlich wollte er nicht, dass darum irgendein Aufhebens gemacht wird. "Jeder tut doch ein bisschen was, ich möchte mich nicht hervorheben." Dass er, der selbst Vater zweier Kinder ist, mit seinen Sträußen den kleinen Patientinnen und Patienten Freude machen kann, "tut mir gut - und den Kindern tut es auch gut".

"Unser Blumen-Jozef" heißt er bei Astrid Simader, Ergotherapeutin und Leiterin der Kulturinitiative im Kinderkrankenhaus. Gerade hat sie einen Riesenstrauß bei ihm abgeholt. Müssen Kinder ihren Geburtstag im Krankenhaus verbringen, erkundigt er sich bei ihr nach der Lieblingsfarbe, um einen passenden Strauß zu binden. "Ein Highlight, den Kindern und ihren Mamas hilft das ganz viel", die Station wirkt gleich viel freundlicher. "Seine Blumen bringen ein Stück Natur ins Krankenhaus." Das hilft über schwierige Zeiten hinweg, wenn die Kinder, wie im Winter oder bei schweren Erkrankungen, kaum rauskommen.

Astrid Simader war es, die Warmerdam im vergangenen Jahr bekniete, sich für die Auszeichnung zu bewerben. Mit Erfolg: Sein Blumenstand darf sich nun mit dem Preis "Münchens ausgezeichnete Unternehmen" für die Kategorie "Kleinstunternehmen" schmücken.

© SZ vom 19.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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