Porträt:Mit kraftvoller Hartnäckigkeit

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"Ich finde es toll, etwas mit heiligem Ernst zu erschaffen, das nicht real ist und so viel mit der Realität zu tun hat", sagt Eli Wasserscheid über ihren Beruf. (Foto: Catherina Hess)

Eli Wasserscheid hat sich ihren Ruf als Darstellerin erarbeitet und ist als Wanda Goldwasser im Franken-Tatort mittlerweile etabliert in der deutschen Filmlandschaft. Der Weg dorthin führte über Sisi, Dominik Graf, das Metropoltheater - und eine Rolle als Baum

Von Gerhard Fischer

Eli Wasserscheid ist irgendwie sehr "hell", als sie ins Café kommt. Die Haare sind nicht dunkel wie im "Tatort", sondern eher so straßenköterblond. "Bis gestern war ich ganz blond - für eine Rolle", sagt Wasserscheid. "Für Tannbach, da spiele ich in der Fortsetzung mit." In "Tannbach" geht es um ein Dorf an der bayerisch-thüringischen Grenze - der neue Dreiteiler spielt in den Sechzigerjahren.

Dann setzt sich Wasserscheid auf die Bank. Es gibt ja im Café Bankhocker und Stuhlsitzer. Eli Wasserscheid ist ein Bankhocker. "Da kann ich alles überblicken", sagt sie. Manche machen das, um die Kontrolle zu behalten. Bei Eli Wasserscheid ist es wohl eher Neugier. Sie ist ein sehr interessierter Mensch.

Mit interessierten Menschen kommt man schnell ins Gespräch, und man bleibt selten an einem Interviewplan kleben. Mit Eli Wasserscheid, 38, spricht man also nicht gleich über den dritten Franken-Tatort, der am 9. April gesendet wird und in dem sie die Ermittlerin Wanda Goldwasser spielt, sondern erst mal über die Freiheit des Menschen im Beruf. Weil es sich gerade so ergibt.

Wasserscheid sagt, sie habe im Metropoltheater in Freimann in dem Zwei-Personen-Stück "Emma in Love" mitgespielt. Die zwei Personen sind eine Angestellte und eine Geschäftsführerin. Die Angestellte unterschreibt einen Vertrag, der ihre Freiheit erheblich einschränkt; unter anderem muss sie die Leitung informieren, wenn sie in der Firma eine Beziehung anfängt. "Sie hat dann eine Beziehung und hält es geheim", sagt Eli Wasserscheid.

Die Frage, die über allem stehe, sei: Wie weit lasse ich mich beschränken? Wie viele Informationen lasse ich über mich sammeln? "Und das ist topaktuell", sagt die Schauspielerin.

Das Emma-in-Love-Stück war für sie auch in anderer Hinsicht wichtig: Eli Wasserscheid stand auf einer Rundbühne mitten im Metropol, drum herum die Zuschauer, die vergaßen, dass sie im Theater saßen und das Geschehen sogar kommentierten. "Ich konnte da viel zeigen und spielen", sagt sie, "und es ist ein sehr schöner Moment, wenn der Regisseur einem das anvertraut - dass er mir vertraut hat." Das war schon vor Jahren, weit vor dem Franken-Tatort.

Elisabeth Wasserscheid ist mitten in Bamberg aufgewachsen, mitten in einer musikalischen Familie, in der Eli Bratsche lernte, und das als Mittleres von sieben Geschwistern. "Wir sind sechs Schwestern und ein Bruder - er ist und bleibt für immer unser Lieblingsbruder", sagt sie. Eli Wasserscheid macht gerne eine witzige Bemerkung. Danach ist sie wieder konzentriert beim Erzählen und beim Zuhören. Wasserscheid ist eine Gesprächspartnerin, die es nicht mehr oft gibt: null egozentrisch, null prahlerisch, null larmoyant. Dafür reflektiert und unterhaltsam.

Vielleicht fing alles - gemeint ist das Berufliche - mit Sisi an. "Wir haben die Sisi-Filme nachgespielt", erzählt Eli Wasserscheid. "Meine Schwester war acht und hat den Kaiser Franz Joseph gespielt, ich war fünf und die Sisi." Sie hat sich dann das Kissen unter den Bademantel gesteckt und behauptet: Ich bin schwanger. "Ein Höhepunkt war auch, als meine Schwester das Stockbett hochgeklettert ist, um das berühmte Edelweiß für mich zu pflücken." Sie lacht noch heute, als sei es gestern erst gewesen.

Film und Theater - das ließ sie nicht mehr los. Geschichten erzählen - das war und ist ihre Leidenschaft. "Ich finde es toll, etwas mit heiligem Ernst zu erschaffen, das nicht real ist und so viel mit der Realität zu tun hat", sagt sie. Außerdem liebt sie das Gemeinschaftserlebnis; "dass man zusammen auf einen Zielpunkt hinarbeitet."

Eli Wasserscheid hat an der Schule Theater gespielt. In der Vorbereitung des ersten Stücks war sie mit viel Eifer dabei. "Aber es endete damit, dass ich im Sommernachtstraum der Baum war", sagt sie. Heute kann sie darüber lachen. Natürlich hat sie das nicht entmutigt. Sie spielte weiter in der Schule, später bei der Volkshochschule und am kleinen Brentano-Theater in Bamberg. Und fast überall traf Eli Wasserscheid Menschen, die sie ermutigt haben - Lehrer, Regisseure oder Schauspieler.

Aber wenn die Eltern sie fragten, was sie denn werden wollte, sagte sie: Weiß nicht. "Ich bin mit dem Wunsch, Schauspielerin zu werden, nicht hausieren gegangen", sagt sie. Vielleicht, weil sie nicht wusste, ob sie gut genug sei. Vielleicht, weil sie keine Angeberin ist.

1998 ging sie nach München, auf die Neue Münchner Schauspielschule. Danach habe eine "Berg-und Talwanderung" begonnen, sagt sie. Es gab Phasen, in denen sie nicht wusste, was in drei Monaten sein würde, in denen sie sich fragte: Wie kann ich dann die Miete bezahlen? Aber sie wollte nie aufgeben. "Ich habe mich immer überprüft und gefragt, ob ich das wirklich will und warum ich das will", sagt sie. Und dann sei sie "mit kraftvoller Hartnäckigkeit" dran geblieben.

"Der Eintritt war der Münchner Tatort ,Aus der Tiefe der Zeit' von Dominik Graf", sagt Eli Wasserscheid. 2011 war das. Dann hatte sie Rollen bei "Huber und Staller" und bei Rita Falks "Dampfnudelblues", solche Sachen.

Eli Wasserscheid blickt einem in die Augen, wenn sie spricht. Sie grimassiert nicht, sie gestikuliert ein wenig. Manchmal wirbeln ihre Arme durch die Luft und beschreiben Kreise, als müsse sie ihre Erzählung vorantreiben. Manchmal wischt sie mit einer Hand imaginäre Krümel vom Tisch.

"Ich gebrauche gerne das Bild, dass man Gärtner ist", sagt Wasserscheid, "ich habe bei der Schauspielerei einige Knollen in den Boden gesteckt, manche verkümmern, manche blühen sofort, manche schlafen länger in der Erde und gehen irgendwann auf." Heute könne sie den Beruf des Schauspielers "in all seiner Vielseitigkeit leben".

Heute spielt sie häufig am Metropoltheater, sie gibt Unterricht an der Bayerischen Theaterakademie und sie lehrt an Schulen - dort erarbeitet sie mit Schülern ein Stück und führt es auf.

Und sie hat den "Franken-Tatort". Eli Wasserscheid spielt dort mit Dagmar Manzel (als Paula Ringelhahn resolut und sympathisch), Fabian Hinrichs (als Felix Voss ungeheuer charismatisch), Andreas Leopold Schadt (als Sebastian Fleischer) und Matthias Egersdörfer (als Spusi-Leiter Michael Schatz). Wie ist es denn, neben Alpha-Figuren wie Manzel und Hinrichs zu spielen?

"Wanda Goldwasser ist in der zweiten Reihe", sagt Eli Wasserscheid, "sie ist ein Mensch, der es schätzt, mit qualifizierten, menschlichen Chefs zusammen zu arbeiten." Sie sei offen und "kein Bewertungsmensch - und ein Mensch, der seine Arbeit mag. Da sind wir uns ähnlich." Apropos ähnlich: Wasserscheid, Goldwasser? "Der Name der Figur stand schon fest, bevor ich die Rolle bekam", sagt sie.

Im dritten Fall am 9. April ermitteln Goldwasser und Hinrichs alias Voss undercover in einem Flüchtlingsheim. Voss, der eine tschetschenische Oma hat, gibt sich als Asylbewerber aus. Man sieht den Kommissaren gerne zu, manchmal ist der Tatort auch witzig. Einer, der in der Unterkunft etwas zu sagen hat und seine Macht gerne ausnutzt, will von Voss wissen, was "Ich liebe dich" auf Tschetschenisch heiße. Voss antwortet auf Tschetschenisch: "Ich liebe Kartoffelsuppe."

Wasserscheid sagt, es interessiere sie - in ihrem Beruf - sehr, warum Figuren so agieren, wie sie es tun. Was liege unter der Oberfläche? Also, was liegt unter der Oberfläche der tatkräftigen und teamfähigen Wanda Goldwasser, die nur zufällig auch ein Wasser im Nachnamen hat? "Das soll langsam entfächert werden", sagt Eli Wasserscheid, "es soll beim Franken-Tatort erst um die Lösung der Fälle gehen - das Private wird dann später entdeckt." Erst wird ermittelt, mit kraftvoller Hartnäckigkeit.

© SZ vom 29.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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