Porträt:Er will nur reden

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Dieser Bus ist vor Robert Giggenbach sicher. (Foto: Stephan Rumpf)

Effendi, der Schwätzer? Eher ein Vielredner mit Substanz. Für Schauspieler Robert Giggenbach also eine Paraderolle. Kollegen sagten damals, Darsteller und Film-Charakter hätten große Übereinstimmungen. Heute ist das anders. Ein Treffen

Von Gerhard Fischer

Ein junger Mann kommt in den Garten der Bar Giornale in Schwabing. Er trägt polierte Stiefel und einen Schal, obwohl es warm ist. Seine Haare hat er nach hinten frisiert. Der Mann zelebriert seinen Auftritt, er lächelt lässig. Dann stolpert er über einen Pflasterstein.

Als Robert Giggenbach auf die Szene aufmerksam gemacht wird, lacht er. "Stolpern ist ja der Inbegriff der Komik", sagt er, "Stolpern kommt unerwartet." Er denkt kurz nach, dann sagt er: "Wir lachen wahrscheinlich auch deshalb über das Stolpern, weil wir unser Leben immer unter Kontrolle halten wollen, aber direkt darunter das Chaos lauert."

Giggenbach bestellt einen Espresso und legt seine Brille auf den Tisch. Vielleicht kann er sich so besser konzentrieren. Besser in die Vergangenheit schauen. Besser den Sepp sehen und den Sir Quickly und die anderen von "Irgendwie und Sowieso". Beim Erzählen nimmt er die Hände zu Hilfe, aber nur dezent. Effendi war viel theatralischer.

Robert Giggenbach, 62, hat vor 30 Jahren den Effendi gespielt, den vergeistigten Abiturienten aus der Serie "Irgendwie und Sowieso", die gerade im Bayerischen Rundfunk wiederholt wird. Regisseur Franz Xaver Bogner hatte lange nach seinem Effendi gesucht. Er lud Giggenbach, der damals in Bochum Theater spielte, in seine Wohnung in München ein; Giggenbach trank zu viel und übergab sich auf Bogners Balkon. Die Rolle bekam er trotzdem. Vielleicht gerade deswegen. Effendi sollte ja nicht brav sein.

Dass Giggenbach Anfang 30 war und Effendi gerade Abitur machte, war kein Problem. Er passte halt so gut. Olivia Pascal, die bei "Irgendwie und Sowieso" die Christl spielte, hat einmal gesagt: "Der Robert Giggenbach war einfach deckungsgleich mit der Figur." Dann hat sie gelacht. "Der ist zu hundert Prozent der Effendi." Sie meinte wohl den Habitus. Das Linkische. Das Intellektuelle. Robert Giggenbach selbst sagt: "Der Charakter vom Effendi war mir nicht fremd." Heute ist Giggenbach anders.

Vor dem Treffen in der Bar hatte er einige Mails geschrieben, und alle waren kurz, spartanisch, prägnant: Treffpunkt, Zeitpunkt, danke, bitte, fertig. Im Gegensatz zu Effendi kam Giggenbach gleich zum Punkt. "Im Laufe der Zeit entwickelt man ein Gefühl für das Überflüssige", sagt er.

Robert Giggenbach ist neugierig, nachdenklich, nett. Nur manchmal wirkt er so, als brauche er ein wenig, bis er eine Position zu Alltagsdingen findet. Anfangs kann er sich länger nicht entscheiden, ob man draußen oder drinnen sitzen solle. "Meine Freundin sagt, ich sei eigen - ich sage das nicht", sagt er und lacht. Wie seine Stimme kommt sein Lachen von irgendwo weit unten. "Ich tue mich nur schwer, Dinge zu tun, die ich nicht einsehe." Er sei "nicht autoritär erzogen".

Das gilt nicht für die Jungs, die in "Irgendwie und Sowieso" die Hauptrollen spielen, am wenigsten für den verklemmten Jungbauern Sir Quickly (Ottfried Fischer), der einen starrsinnigen Stiefvater hat, aber auch nicht für Effendi und den lässigen Automechaniker Sepp (Elmar Wepper). Sie erleben im fiktiven bayerischen Ort Zell die Hippiezeit. Die jungen Männer lieben Musik, Frauen und Autos. Effendi fährt einen roten Alfa Romeo GT 1300/1600 Junior und Sepp einen Buick Riviera. Sie wollen lässig sein, wild sein, sich nichts gefallen lassen. Ein Superstoff also. "Unser Gefühl war von Anbeginn an, dass das was ganz Besonderes wird", sagt Giggenbach. Und deshalb haben sie sich die Zeit genommen, die sie brauchten. Natürlich gab es Ärger, weil die Drehtage immer mehr wurden. Der Produktionsleiter musste gehen. Aber sie haben es durchgezogen. Es ging ihnen darum, dass sich die Figuren entwickeln konnten, die Christl, der Sepp, Sir Quickly, der Effendi, der Binser (Toni Berger), die Marlene (Michaela May).

Effendi ist der Einzige, der auch die Theorie der Rebellion liebt, die Kritik am System. Darüber redet er gerne, oft auch schwammig. Seine Film-Freundin Marlene sagt deshalb zu Effendi: "Du bist der einzige Mensch, der den ganzen Tag Schotter erzählt und den man am Abend trotzdem noch mag." Effendi, der Schwätzer?

Robert Giggenbach verzieht den Mund. "Schwätzer" ist ihm zu negativ. Ein Vielredner, ja, das sei Effendi, aber da sei schon auch Substanz. Schwätzer passe also nicht. Giggenbach mag es nicht, wenn man nicht präzise ist. Dabei geht es nicht um Besserwisserei, sondern darum, dass einer Figur nicht unrecht getan wird. Das gilt wohl auch für Menschen.

Giggenbach ist in Schwabing aufgewachsen und wohnt noch heute dort, nicht weit von der Bar Giornale entfernt. Er erzählt von seiner Kindheit zwei Dinge, die unbedingt erwähnenswert sind: Die Oma lehrte ihn Klavierspielen, was dazu führte, dass er später an die Musikhochschule ging; und zweitens: Giggenbach aß vier Jahre lang nur Marmeladen-Brote. Den Satz muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Giggenbach aß vier Jahre lang nur Marmeladen-Brote. Es hat ihm halt geschmeckt. Hat er wenigstens zwischen, sagen wir Orange und Erdbeere gewechselt? "Nein, immer nur Erdbeere", sagt er. "Aber irgendwann habe ich dann auch Nährbier getrunken - meine Eltern meinten, das wäre gut für mich, um mich groß zu kriegen." Es gibt übrigens eine Analogie zu "Irgendwie und Sowieso": Sir Quickly aß eine Zeit lang am liebsten nur Himbeerjoghurts.

Giggenbach kann also stur sein, aber er kann auch einsehen, wenn er den falschen Weg eingeschlagen hat. Die Sache mit der Musik zum Beispiel. Für eine Solo-Karriere reichte es nicht, und Chorleiter oder Musiklehrer wollte er nicht werden. Was tun? "Ein Freund, der Sohn von Peter Lühr, hat mich auf die Idee gebracht, Schauspieler zu werden", sagt er. Dabei hatte Giggenbach zuvor kaum gespielt. Im Schulspiel halt. Mehr nicht. Dennoch bewarb er sich nach dem Musik-Studium an der Otto-Falckenberg-Schule - und wurde genommen. Übrigens ist daraus eine lang anhaltende Beziehung geworden: Seit 1984 unterrichtet Giggenbach, mit kurzer Unterbrechung, an der Falckenberg-Schule.

Giggenbach nimmt seine Brille in die Hand, legt sie aber gleich wieder ab. Er redet noch einmal über Humor. Sein Herz hänge an der Komik, nicht an der Komödie. "Ich suche die Komik lieber im Normalen", sagt er. Wenn einer stolpert, zum Beispiel. Oder wenn einer mit dem Bus an eine Hausecke fährt, wie Effendi in "Irgendwie und Sowieso". Diese Geschichte muss er natürlich erzählen. Aber dazu braucht er Demonstrations-Objekte. Die Trainer Pep Guardiola und Thomas Tuchel haben mal in einer Bar ihre Spielideen ausgetauscht. Dazu mussten sie die imaginären Spieler auf dem Tisch verschieben, sie nahmen Salzstreuer und Wasserglas.

Robert Giggenbach nimmt zwei Zuckertüten. Die Geschichte beginnt damit, dass der Bus-Unternehmer Burger einen Unfall hat und Sir Quickly, Effendi und Sepp der Burger-Tochter Christl helfen wollen. Als die Busfahrer streiken, weil sie sich vom Rotzlöffel Effendi nichts sagen lassen, fahren die drei Freunde selbst. Und eines Tages wird die Szene gedreht, in der sie den Hof vom Burger verlassen.

Giggenbach legt die beiden Zuckertüten auf den Tisch. "Das hier ist das Gebäude vom Burger und das hier ist die Ausfahrt aus dem Hof", sagt er. "Sir Quickly stand mit seinem Bus rechts vom Gebäude und hatte den kürzesten Weg, Sepp stand links vom Gebäude und sollte als Zweiter rausfahren." Effendi stand mit seinem Bus hinter dem Gebäude und sollte Sepp folgen. "Ich sollte an seinem Heck bleiben."

Aber zunächst warteten sie.

"Plötzlich kam der Aufnahmeleiter ganz aufgeregt zu uns gerannt und sagte: rein in die Busse!", erzählt Giggenbach. Sir Quickly gab Gummi, Sepp auch, doch Effendi kam nicht schnell genug um die erste Hausecke herum und verlor Sepp aus den Augen. Er gab Gas und schnitt die zweite Hausecke, der Bus wurde auf der Seite aufgerissen und von einer Staubwolke verschluckt. Sepp sah das im Rückspiegel und stoppte. Effendi sah aber nicht, dass Sepp gebremst hatte, er gab Gas, um den Rückstand aufzuholen, und fuhr in den Bus, der vor ihm stand. Sepp hatte ein Schleudertrauma, beide Busse waren hin.

Auf der Fahrt, die später gedreht wurde, gehen noch ein paar Busse kaputt. Sepp und Effendi fahren mit einem Bus durch eine Unterführung, die zu niedrig ist, es reißt ihnen das Dach runter. Es ist die Lieblingsszene von vielen Fans der Serie. "Die Busse, die auf der Fahrt kaputt gingen, waren im Budget mit drin, die Busse vom Hof nicht - und die waren teuer", sagt Giggenbach und lacht. "Aber keiner hat mir einen Vorwurf gemacht, keiner."

Giggenbach hat sich in diesem Team wohlgefühlt, und er hat dann gleich nach "Irgendwie und Sowieso" weitergedreht mit Bogner und ein paar Kollegen, mit Berger, May und Fischer: In der Serie "Zur Freiheit" war er der Hanse Weingartner. Er spielte später in Filmen von Michael Verhoeven und Norbert Kückelmann, und er war der SPD-Politiker Ehmke in dem Spielfilm "Im Schatten der Macht", der die letzten 14 Tage des Kanzlers Brandt beschreibt. Manchmal kommt Giggenbach auch ins Bild, wenn man beim Zappen bei "Lilly Schönauer" hängen bleibt. Ein paar Jahre hat er auch als Regisseur gearbeitet.

Mit den Irgendwie-und-Sowieso-Kollegen hatte Giggenbach noch eine Zeit lang Kontakt; heute sieht er sie nicht mehr. "Mit Elmar habe ich noch länger Tennis gespielt", sagt er, aber dann habe Elmar angefangen, Golf zu spielen, und da habe sich das auch verlaufen, irgendwie.

Gibt es eine Lieblingsszene in "Irgendwie und Sowieso"? Giggenbach denkt kurz nach. Schüttelt den Kopf. "Nein, aber es gibt ein Detail, das ich nicht vergessen werde." Es geht natürlich um die Folge mit den Bussen: Effendi will vor den Busfahrern sprechen und sich dazu auf die Werkbank schwingen. Aber der Hebel, an dem er sich hochziehen will, schnellt nach unten und Effendi fällt vor den Busfahrern auf den Boden. Damit hat er sofort alle Autorität verloren. Es ist ein Stolpern.

© SZ vom 09.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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