Porträt:Der lustige lange Lulatsch

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Arnd Schimkat arbeitet als Komiker, Schauspieler und Autor. Das sind nicht drei Einzelberufe - die Kombination macht ihn so besonders

Von Thomas Becker

Mit Arthur Senkrecht auf der Bühne zu stehen, ist kein Spaß. Zumindest nicht, wenn man Bastian Pusch heißt. Seit 13 Jahren wird der Musiker von seinem Kompagnon gehänselt, gedemütigt, ignoriert, lächerlich gemacht. Bei jedem Satz fällt er ihm ins Wort, bei keinem Auftritt fehlt ein billiger Witz über Puschs geringe Körpergröße. Der sagt: "Manchmal kommen nach dem Auftritt Leute zu mir und sagen: ,Wie halten Sie das bloß aus mit diesem Menschen? Der ist ja unmöglich!' Wenn man unsere Show für bare Münze nimmt, ist das natürlich Wahnsinn. Aber zum Glück ist er im richtigen Leben ja nicht so."

Arnd Schimkat, Jahrgang 1969, spielt auf der Bühne Arthur Senkrecht. Er ist Patenonkel von Puschs Sohn und ein äußerst zuvorkommender Zeitgenosse, der einem nie ins Wort fallen oder anderweitig unangenehm werden würde. "Er ist ein Herzensmensch", sagt Moses Wolff, ein anderer Weggefährte. Kein Widerspruch. Wobei: Frech sein kann er schon auch.

Das Duo Senkrecht & Pusch, eins der vielen künstlerischen Projekte Schimkats, bezieht seine Komik unter anderem aus dem Größenunterschied der beiden: Der eine misst 2,02 Meter, der andere 1,70. Die beiden haben längst einen "Altes-Ehepaar-Status erreicht", sagt Pusch. Mit der Rolle des Gedemütigten kommt er gut aus: "Das ist so eine Weißclown/Rotclown-Nummer. Ohne meine Figur würde seine nicht funktionieren. Da braucht man schon ein dickes Fell, aber letztlich erzeugen wir zu zweit die Komik." Wobei Schimkat, der lange Lulatsch mit der Schlaghose, die Lacher zieht, wenn er eine Karotte per Bohrmaschine in ein Blasinstrument verwandelt, die Hüften lasziv kreisen lässt oder mit dem Zeigefinger in der Mikro-Halterung stecken bleibt. Ein schöner Schmarrn aus der Abteilung grober Unfug.

Komiker und Clown wollte Schimkat von klein auf werden. "Keiner mit roter Nase, sondern in einem Walter Matthau/Jack Lemmon-Schauspielersinn", präzisiert er. Mit neun fing er an zu zaubern, zusammen mit dem Kindergartenfreund Peter war er später das "Apropos-Zauber-Theater". "Ein tolles Fremdwort! Hatten wir im Lexikon gefunden. Weil das mit A und P anfing wie Arnd und Peter." Bis zum Abi traten sie auf, nahmen an Wettbewerben teil, wurden mit ihrer Comedy-Magic bis nach Hamburg und Berlin gebucht. Auch in der Fußgängerzone probierte er seine Mischung aus Zauberei, Clownerie und Akrobatik aus: "Das Härteste, was man machen kann, aber auch das Beste. Eine extreme Schule."

Will als Comedian und Drehbuchautor hoch hinaus: Arnd Schimkat. (Foto: Catherina Hess)

Apropos: Nach dem Abi an der Waldorfschule ist für ihn klar, dass er sich Richtung Schauspiel entwickeln will. Wie der ältere Bruder beginnt er zwar eine Lehre als Landschaftsgärtner, bricht aber nach drei Monaten ab. "Motorsäge war schon lustig", sagt er, aber eben nicht seine Bestimmung. Seine Bestimmung findet er nach der Theaterschule in Paris: Innerhalb von zwei Jahren macht er Varieté-Karriere und schafft es bis nach New York. Bei "Pomp Duck and Circumstance" gibt er den tapsigen Kellner-Azubi, der sich immer verletzt, ist einer von 12,13 internationalen Clowns, spielt in Berlin, Paris, Barcelona und irgendwann tatsächlich im Big Apple - vom Zirkuswagen ins Fünf-Sterne-Hotel. Schimkat erinnert sich: "Am Flughafen wurde ich mit einer Stretch-Limo abgeholt, hatte in Manhattan ein Appartement im 37. Stock, über drei Seiten Fenster bis zum Boden - und das mit 23!" Ein Dreivierteljahr lang lebt er diesen Traum, spielt im Spiegelzelt im damals noch ziemlich finsteren Stadtteil Hell's Kitchen, hat ein Angebot vom Cirque du Soleil sowie Aussicht auf einen Zwölf-Jahres-Vertrag bei MGM für Las Vegas - und sitzt doch kurze Zeit später wieder daheim: Tochter Carlotta kommt 1995 zur Welt. "Von Manhattan nach Pasing: Das war schon ein Kulturschock", gibt er offen zu, "ich war umworben und sehr erfolgreich in der Branche." Stattdessen hieß es: sich wieder neu erfinden.

Mitten in der Sinnkrise lernt er auf der Kanaren-Insel La Graciosa den Philosophen und Psychologen Hans Halstenbach kennen. "Der hat jeden Tag meine Träume gedeutet", erzählt Schimkat, "das hat bei mir die Grundlage für das Geschichtenerzählen gelegt." Doch das sollte noch eine Weile dauern. Zunächst wendet er sich wieder der Schauspielerei zu: "Ich habe gemerkt, dass meine Stärke die Kombination aus Schauspiel und Komik ist. Ich habe ein Talent für beides. Chaplin fand ich auch toll, aber ein bisschen zu künstlich. Für mich waren Matthau und Lemmon echte Typen, denen man das so abgenommen hat. Da war mein Humor zu Hause, da wollte ich selbst hin." Er macht sich auf den Weg, gibt in "Zimmer frei" ein Dutzend Mal den schrägen Nachbarn, debütiert mit einem Soloprogramm in der Bongo Bar, gründet später das Duo mit Pusch, wird von Marcus H. Rosenmüller entdeckt, spielt in Filmen wie "Nordwand", "Otto's Eleven", "München 72", aber auch in "München 7" und "Dahoam is dahoam". Weitere Serienprojekte sind derzeit in Entwicklung.

2008 stirbt er fast. Bei einem Sturz in der Badewanne brechen mehrere Rippen, die Milz reißt, um ein Haar verblutet er innerlich. Nach einer Not-OP kann er nicht mehr herumtingeln und beginnt zu schreiben - ein neues Kapitel in seinem Künstlerleben. Er merkt: "Man muss nicht ewig auf ein Drehbuch warten, man kann es selbst schreiben - und dann auch spielen, vielleicht sogar noch Regie führen." Man könnte also der "Woody Allen von Pasing" werden - ein Gedanke, der ihm ziemlich gut gefällt: "Ich will jedes Jahr oder jedes zweite einen Film schreiben und auch machen."

Aktuell sitzt er an einem Drehbuch für die angesagte Produktionsfirma Pantaleon-Film: "In "King Arthur" geht es um eine engelsähnliche Figur, die erkennt, dass Liebe in der Welt vonnöten ist, sagt Schimkat, "und vielleicht bekomme ich auch die Hauptrolle". Er sieht sich als komischen Schauspieler: "Ich bin - in der Reihenfolge - Komiker, Schauspieler und Autor. Das sind nicht drei Einzelberufe, das ergibt vielmehr ein Ganzes. Es gibt wenige Schauspieler, die komisch sein können. Robert de Niro hat das drauf, obwohl man es ihm nie zugetraut hätte. Ein guter Komiker kann auch immer eine ernsthafte Rolle spielen, weil das Drama Teil der Komik ist, jüngstes Beispiel: Dieter Hallervorden. Wenn du komisch sein kannst, musst du das Drama schon verstanden haben. Komik steht über dem Drama, Komik hat Regeln. Aber letztlich ist Komik etwas sehr Persönliches."

Einer, der seinen Sinn für das Komische teilt, ist Moses Wolff, für den Schimkat unlängst die Regie für dessen Soloprogramm übernahm. Gemeinsam schrieben sie das Drehbuch zu "Highway to Hellas", einem Warner-Film mit Christoph Maria Herbst in der Hauptrolle, der sich im vergangenen Winter gegen die Blockbuster-Konkurrenz James Bond, Star Wars und Tribute von Panem zwar schwer tat, aber einen Roman und sogar ein Musical nach sich zog. Kein Wunder, das Wolff von seinem "lebenslangen Freund" in höchsten Tönen schwärmt: "Er ein Feingeist, ein toller Visionär, ein großartiger Regisseur, ein vielseitiger und brillanter Schauspieler, ein fabelhafter Komiker und einer der besten Freunde, die man sich wünschen kann."

Ist dieser Arnd Schimkat am Ende doch nicht dieser Ego-Zahn, den er bei Bastian Pusch auf der Bühne immer rauskehrt? Das lässt sich am Freitagabend im Lustspielhaus überprüfen. Da treten die beiden mit der Big Band der Hochschule München auf, die Pusch seit 17 Jahren unterrichtet. Es wird nicht nur geswingt, sondern auch viel rumgealbert, vor allem wenn Schimkat sich als Dirigent versucht, aus einem riesigen Instrumentenkoffer eine Mini-Stimmgabel fischt und wenn die neue Sängerin für Eifersuchtsszenen sorgt - die Baker Boys lassen grüßen. Und wenn man Bastian Pusch glaubt, dann ist es sehr wohl ein großer Spaß, mit diesem Arthur Senkrecht auf der Bühne zu stehen.

© SZ vom 22.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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