Pontifikalrequiem:Abschied vom "Zeugen der Menschenfreundlichkeit"

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Abschied von Altabt Odilo Lechner: Viele Gläubige kamen in die Kirche der Abtei St. Bonifaz, in der der Sarg bis Mittwoch aufgebahrt war. (Foto: Robert Haas)

Erzbischof Reinhard Marx hebt beim Trauergottesdienst für Altabt Odilo Lechner die Verbindung des Klosters St. Bonifaz mit den Ärmsten der Armen hervor

Von Marco Wedig, München

Das Blitzlicht war er gewöhnt. Odilo Lechner, Altabt von St. Bonifaz und Andechs, der am vergangenen Freitag im Alter von 86 Jahren starb, pflegte schließlich einen offenen Umgang mit den Medien. Auch am Mittwochabend, als für die breite Öffentlichkeit die letzte Möglichkeit bestand, sich von dem in St. Bonifaz aufgebahrten Toten zu verabschieden, wurden viele Fotos gemacht. Allerdings weniger von der Presse, sondern von Privatpersonen, die den Moment festhalten wollten. Die Trauergäste defilierten an dem mit weißen Rosen geschmückten Sarg vorbei und besprengten diesen mit Weihwasser. Im Vorraum der Kirche unterhielten sich zwei ältere Frauen: "Viele haben den Abt geschätzt", sagte die eine. "Er war sehr charismatisch", sagte die andere. "Ist doch schön, dass noch so viele Leute herkommen, um sich zu verabschieden."

Auch Ingrid Scheitler war deswegen gekommen. Gerne wäre sie bis zum Sterbe-Rosenkranz geblieben, doch saß sie schon eine Stunde in der Kirche und war bereits ganz durchgefroren. Was hat ihr Odilo Lechner bedeutet? "Sein Motto: mit weitem Herzen, das hat mir immer sehr zugesagt." Vor ein paar Tagen hatte sie die Wiederholung eines Interviews mit Lechner bei Bayern 2 gehört. Das war der Anlass für sie, am Sarg Abschied zu nehmen. In jenem Interview erzählte Lechner, dass er früher davon träumte, als Schrankenwärter zu arbeiten und nebenbei zu dichten. Dazu kam es nie. Dennoch verfasste er viele Werke. So fand sich am Mittwochabend auch ein Literaturkritiker unter den Trauergästen. Klaus Hübner schätzte Lechner als "guten, profilierten Redner". Er habe stets gewusst, zu welchem Publikum er sprach. "Komplexe theologische Themen konnte er bündig und verständlich wiedergeben." Es gab auch kritische Stimmen: Zwar habe ihm die väterliche Ausstrahlung des Altabtes immer imponiert, sagte ein Mann mittleren Alters, doch sei er in mancher Hinsicht zu sehr mit dem Zeitgeist verheiratet gewesen. Diese Reibung sei allerdings auch als etwas Positives zu verstehen.

Auf die stille Verabschiedung in St. Bonifaz folgte am Donnerstagmittag das Pontifikalrequiem unter der Leitung von Erzbischof Reinhard Marx. Lechners Nachfolger Johannes Eckert sprach von einem "schmerzlichen Einschnitt" für die Glaubensgemeinschaft und bedankte sich dafür, den Gottesdienst in der Frauenkirche feiern zu können, hätte das Interesse doch die räumlichen Möglichkeiten von St. Bonifaz gesprengt. In der Tat: Selbst die Frauenkirche war bis auf den letzten Platz besetzt, in den Seitenschiffen drängten sich die Menschen, um die Predigt von Marx zu hören. Dieser nannte Lechner einen "Zeugen der Menschenfreundlichkeit, heiter und gelassen, Benediktiner durch und durch". Lechner habe einen suchenden Glauben praktiziert. Marx hob die Verbindung des Klosters mit den Ärmsten der Armen hervor. Eine Bewirtung nach den Trauerfeierlichkeiten fand nicht statt, stattdessen sind die Gäste des Obdachlosenhauses von St. Bonifaz zu einem Festmahl eingeladen.

© SZ vom 10.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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