Polizisten mit Pflastersteinen attackiert:Punks angeklagt

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Drei jugendliche Hausbesetzer aus der Westendstraße müssen sich jetzt wegen versuchten Totschlags vor Gericht verantworten.

Bernd Kastner

Die drei jugendlichen Punks, die im Juni ein Haus in der Westendstraße besetzten, müssen sich wegen versuchten Totschlags vor Gericht verantworten. Gegen die beiden Männer und die Frau hat die Staatsanwaltschaft jetzt Anklage erhoben, weil sie Polizisten mit Pflastersteinen beworfen hatten.

Das von Punks besetzte Haus in der Westendstraße. (Foto: Foto: Rumpf)

Schauplatz dieses für München seltenen Falls einer Hausbesetzung war das Anwesen Westendstraße 192 bis 198. Es gehört der Stadt, stand damals schon weitgehend leer und soll abgerissen wer-den. Über Wochen trafen sich einige Punks immer wieder im Haus 196, irgendwann reifte bei einigen aus der Szene der Entschluss, das Haus zu besetzen. In der letzten Juniwoche bauten sie im Hinterhof Barrikaden, um den Zugang zu "ihrem" Aufgang zu blockieren. Sie türmten Mülltonnen, Einkaufswagen, Reifen und Bretter zu zwei etwa zwei Meter hohen Wällen auf, bestückten sie mit spitzen Holzlatten und übergossen sie mit Benzin.

Die Treppenhäuser versuchten sie mit ausgehängten Glastüren, die sie auf die Stufen legten, zu blockieren. Zudem hatten sie nach Erkenntnissen der Ermittler Molotowcocktails und bastelten zwei "Kartoffelkanonen". Diese verbotenen Schusswaffen bestehen aus etwa einem Meter langen Kunststoffrohren, aus denen mittels eines Luft-Gas-Gemisches Kartoffeln geschossen werden können.

Als die Polizei am Abend des 28. Juni anrückte, um das Haus zu räumen, waren drei Besetzer anwesend, zwei von ihnen damals minderjährig. Die 17-jährige Martina A. stammt aus München und lebte wie der gleichaltrige Simon G., der aus Nordbayern kam, weitgehend auf der Straße. Nur der Münchner Mirko D., 19, wohnte noch bis zur Besetzung bei den Eltern. (Die Namen der Angeklagten wurden von der Redaktion geändert.)

Die drei warfen Pflastersteine von einer Mauer und dann aus den Fenstern auf die Beamten. Bei dem Einsatz wurden vier Polizisten verletzt, einer brach sich einen Wirbel und war bis Oktober krank geschrieben. Auf ihn waren nach den Erkenntnissen der Ermittler Steine niedergegangen, obwohl er nach einem Sprung von einer Mauer bereits verletzt war und erkennbar wehrlos am Boden gelegen sei. Nach wenigen Minuten wurden die Besetzer im Dachboden festgenommen. Sie sitzen seither in Untersuchungshaft. Den Jugendlichen drohen mehrjährige Freiheitsstrafen.

Die politische Abteilung der Staatsanwaltschaft wertet das Bombardement als versuchten Totschlag, weil die Besetzer mit ihren gezielten Steinwürfen den Tod von Polizisten in Kauf genommen hätten. Ein Gutachten belege, dass die ein bis zwei Kilo schweren Pflastersteine tödlich sein können, wenn sie wie in diesem Fall aus einer Höhe von mehreren Metern eine Person treffen. Diese sogenannte abstrakte Lebensgefahr sei trotz der Schutzausrüstung gegeben gewesen.

Belastet werden die Angeklagten außerdem durch Zeugenaussagen aus ihrem Freundeskreis und von Mithäftlingen. So soll Martina A. im Gefängnis in Aichach gesagt haben, sie habe einen Polizisten erschlagen wollen. Ein Bekannter des Trios gab an, er habe Simon G. vor der Räumung so verstanden, dass dieser den Tod eines Polizisten in Kauf nehmen würde.

Während des Prozesses vor der Jugendkammer des Landgerichts dürften auch einige offene Fragen zur Sprache kommen, die das Agieren der involvierten Behörden, wie etwa des Jugendamtes, und der Polizei in den Wochen vor der Räumung betreffen. Warum wurden Streetworker, die sich regelmäßig im Haus aufhielten, nicht einbezogen, um einen friedlichen Abzug zu erreichen?

Dem Sozialreferat war die psychisch sehr labile Situation Martina A.s bekannt. Warum wurde auch in den Stunden vor der Räumung, als die Polizei längst von einer gefährlich zugespitzten Situation ausging und Mitarbeitern der Stadt dringend vom Betreten des Hauses abriet, das Anwesen nicht abgeriegelt, um es im leeren Zustand zu sichern? Und warum wurden die Jugendlichen nicht zumindest unmittelbar vor der Stürmung zum Verlassen des Hauses aufgefordert?

Die Staatsanwaltschaft hat 33 Zeugen benannt. Beginnen soll der Prozess am 21. Januar, vorerst sind acht Verhandlungstage geplant.

© SZ vom 17.12.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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