Polizeireport 2005:Ein Schuss für 50 Euro

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Drogendealer, leere Schnapsflaschen und Glasscherben - Beobachtungen im Stadtteil Haidhausen.

Susi Wimmer

"Der Orleansplatz/Ostbahnhof zählt nach wie vor zu den ,kritischen Bereichen'. Zunehmend ist dort wie an einigen anderen Örtlichkeiten eine Vermischung von Rauschgiftkonsumenten, alkoholkonsumierenden Angehörigen sozialer Randgruppen sowie so genannter Armutsbevölkerung festzustellen." (aus dem Sicherheitsreport 2005 des Polizeipräsidiums München)

Der Münchner Orleansplatz ist ständig bevölkert von Menschen mit Alkohol- oder Drogenproblemen. (Foto: Foto: Haas)

"War Fehler, ja", sagt einer im orangefarbenen Anorak. Er spricht mit osteuropäischem Akzent und geht hippelig vor dem jungen Mann auf der Parkbank auf und ab. Der andere, Deutscher, spricht langsam und verfällt in Wortfetzen: "Nicht Handy sollst du bringen! Sondern Geldbeutel. Du weißt: 50 Euro der Schuss". Und: "Ich hätte Material."

Der Mann im Anorak, etwa 30, ölig wirkende Locken, zieht nervös an der "Bullit Mixed Red"-Flasche und presst nur hervor: "War Fehler, war Fehler." Der andere mit der Bierflasche in der einen und der Selbstgedrehten in der anderen Hand hat ein Einsehen: "Gut, Fehler hab ich auch schon gemacht. Aber immer merken: Du gibst mir Geld in zwei Tagen. Sonst nie wieder Geschäft."

Plötzlich richtet sich der Nebenmann auf und sagt: "Da stehen schon wieder zwei Bullen." Die brünette Frau, auch um die 30, Bierflasche in der Rechten, meint: "Muss kurz weg, wo seid ihr dann?" Gebrummel, dann trollen sich die sechs von der Parkbank am Orleansplatz in Richtung Weißenburger Straße.

Zurück bleiben zwei leere Augustiner-Flaschen. Aber nicht lange. Ein älterer Herr mit weißem Käppi und Shorts, aus denen spindeldürre Beine ragen, setzt sich auf die Parkbank, eine schwarze Tasche auf den Knien.

Er lässt den Blick nach links und rechts schweifen, dann beugt er sich vor, fischt die leeren Flaschen vom Boden und steckt sie ein. Er steht wieder auf und geht. Vorbei an Glasscherben und leeren Schnapsflaschen am Boden, über den von Kastanien beschatteten und nach Urin stinkenden Platz zur nächsten Bank.

"Wir können diese Treffen nicht verbieten"

Es ist Freitagvormittag, 10 Uhr, mitten in Haidhausen. Im Laufe der nächsten Stunden werden noch mehr Menschen den Orleansplatz bevölkern. In Richtung Ostbahnhof sitzen Angestellte und Spaziergänger auf den Bänken und genießen die Sonne.

In der anderen Richtung gruppieren sich vor allem jüngere Menschen mit Zigaretten, Bierflaschen, Hunden. Etwa 30 an der Zahl. Nicht nur Männer, auch Frauen stehen und sitzen hier im Freien. Sie rauchen, trinken Alkohol und gestikulieren wild. Die Gruppen sind immer in Bewegung. Einer kommt, der andere geht. Die Bank wird gewechselt, der Gesprächspartner ebenso.

Alle halbe Stunde fährt ein Polizeiauto um den Platz herum, von den Gruppen misstrauisch beäugt. Genauso wie Fremde, die sich zu nahe neben sie setzen.

"Wir können diese Treffen nicht verbieten", sagt Polizeisprecher Andreas Ruch. Jedes Jahr, sobald es wärmer wird, mache sich der "Anstieg der Szene" bemerkbar. Der Orleansplatz liege in unmittelbarer Nähe des Kontaktladens "off" für Konsumenten und Substituierte und natürlich mit dem Ostbahnhof direkt an einem Verkehrsknotenpunkt.

"Da kommen und gehen viele Leute, ähnlich wie am Hauptbahnhof", sagt Ruch. Die Beschaffungskriminalität - wie etwa Handtaschendiebstähle - bezeichnet er als "nicht signifikant", und wenn es Streitereien gebe, "dann nur unter ihresgleichen". Eine offene Szene mit Rauschgifthandel würde die Polizei nicht dulden.

Benutzte Spritzen auf Spielplätzen

Auf der benachbarten Postwiese, einer Grünanlage mit Kinderspielplätzen, erzählt eine Erzieherin, dass noch vor ein paar Jahren die Kinder des öfteren benutzte Spritzen gefunden hätten. Erst durch die Einzäunung der Spielplätze habe sich das Problem erledigt: "Aber die Kinder sind trotzdem alle gewarnt."

Das S-Bahn-Sperrengeschoss Rosenheimer Platz, Weißenburger Platz, Pariser Platz, Orleansplatz: Auf dieser Achse versammeln sich Menschen ohne Arbeit, darunter Junkies, vor allem aber Menschen mit Alkoholproblemen.

Ältere Männer und Frauen, manche äußerlich sehr gepflegt, die Gesichter aber aufgedunsen und rot. Junge Typen mit Rastahaaren und dicken Silberringen, abgemagerte mit Raucherhusten, eine Frau in Schwarz mit Lederjacke, die Flasche immer dabei.

"Sicher ist das für Geschäftsleute und Anwohner kein schöner Anblick", sagt Ruch, "aber wir können die Leute nicht unter Hausarrest stellen."

© SZ vom 6.5.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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