Polizeihauptmeister fälschte Zeugnis:Sechs in Latein

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Er wollte unbedingt Polizist werden, es störte nur noch die blöde Sechs in Latein: Einem Polizeihauptmeister droht die Entlassung, weil er vor mehr als 30 Jahren sein Zeugnis gefälscht hat.

Ekkehard Müller-Jentsch

Hugo war gerade 17 und wollte unbedingt Polizist werden. Endlich hatte er auch die notwendige Körpergröße: im Vorjahr war seine Bewerbung noch abgewiesen worden, weil er einen Zentimeter zu klein war. Jetzt störte nur noch die blöde Sechs in Latein, wegen der er nach der zehnten Klasse das Gymnasium verlassen musste. Aber wozu müssen Polizisten Latein können?

Kurz entschlossen frisierte der Jugendliche mit Tipp-Ex sein Zeugnis um - mit einer Fünf in Latein. Dazu bastelte er sich ein passendes Abschlusszeugnis. Mit diesem windigen Papier wurde er problemlos in die Polizei aufgenommen. Doch im vergangenen Jahr, 33 Jahre später, ist dieser Schwindel durch einen anonymen Brief aufgeflogen - und Hugo K., inzwischen ein respektierter Polizeihauptmeister, soll aus dem Dienst fliegen.

Die "Beamtenkammer" am Münchner Verwaltungsgericht steht vor keiner leichten Aufgabe. Sie muss über die Frage entscheiden: Ist es noch verhältnismäßig, einen bewährten Beamten nach drei Jahrzehnten Dienst bei der Polizei im Großraum Rosenheim wegen einer Jugendsünde aus der Personaldatei zu tilgen? Denn der Freistaat beabsichtigt, die Ernennung von Hugo K. zum Polizeimeister aus dem Jahre 1978 zu widerrufen. Alle weiteren Ernennungen und Beförderungen würden damit in sich zusammenfallen - so, als hätte es diesen Polizeibeamten nie gegeben.

Eigentlich sei die Rechtslage eindeutig, erklärte der Vorsitzende Ditmar Zwerger: "Alles außer Mord verjährt spätestens nach 30 Jahren - nur im Beamtenstatusgesetz ist keine Verjährung vorgesehen." Und objektiv hat Hugo K. damals die Einstellungskriterien für den Polizeidienst nicht erfüllt. Mit seinen Fälschungen habe er zudem eine "erhebliche kriminelle Energie" an den Tag gelegt. "Wer schummelt, muss gehen." Im Übrigen sei der Fall praktisch einmalig: "Präzedenzfälle gibt es nicht."

"Sein Joker ist die Frage der Verhältnismäßigkeit", zeigte der Richter den einzig denkbaren Ausweg auf. In seinem damals echten Schulzeugnis, also zur "Tatzeit", sei festgehalten, dass Hugo "noch sehr verspielt" sei. Seine Laufbahnprüfung habe er dann aber sehr gut bestanden. Vergleichbar sei die Rechtslage bei Bundeswehrsoldaten: Der Minister könne in besonderen Härtefällen eine Ausnahme anordnen - wenn etwa ein Zeitsoldat bei der Einstellung falsche Angaben gemacht, sich später dann aber besonders bewährt habe.

Martin Bauer, Rechtsanwalt des Polizisten, gab zu bedenken, dass der Fall eigentlich aus einem Ludwig-Thoma-Stück stammen könnte. "Natürlich kann man nicht gutheißen, was mein Mandant getan hat", sagte er, "aber wenn bei der Einstellung mal einer genau hingeguckt hätte . . . " Allein schon das fehlende Dienstsiegel im angeblichen Abschlusszeugnis hätte auffallen müssen, und auch ein Schreibfehler.

Der Anwalt fragte, wo das öffentliche Interesse liege, den bewährten Ordnungshüter wegen seiner Jugendsünde nun zu entlassen. "Eigentlich sollte er gerade zum Kommissar befördert werden - doch jetzt droht aus ihm ein Hartz-IV-Fall zu werden." Hugo K. sagte dem Gericht, dass die Sache mit dem Zeugnis aus seiner damaligen Sicht die letzte Möglichkeit für ihn gewesen sei, zur Polizei zu kommen. Wer ihn nun verraten habe, wisse er nicht. Auch nicht, ob seine Scheidung eine Rolle gespielt haben könnte.

Selbst wenn das Gericht zu dem Schluss kommen sollte, dass der Beamten-Widerruf nicht verhältnismäßig ist, wäre die Sache nicht zu Ende: Dann müsste K. sich einem Disziplinarverfahren stellen. Das Gericht will am Mittwoch sein Urteil verkünden.

© SZ vom 17.10.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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