Polizei warnt vor einem Massenphänomen:Die üblen Methoden der Trickdiebe

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Opfer sind fast ausnahmslos einsame Senioren - berüchtigt sind der "Enkel"- und der "Zettel"-Trick.

Susi Wimmer

Mehrere Gruppen von Trickdieben treiben zur Zeit in München ihr Unwesen. Bevorzugte Opfer: Senioren, die vereinsamt oder krank sind und sich nicht wehren können. Dass es die alten Leute mit gerissenen Dieben zu tun haben, "die in großem Stil organisiert sind", merken sie erst, wenn ihr Geld weg ist. Mit fast 500 Fällen schnellte die Zahl der Delikte im Vergleich zum Vorjahr um nahezu 50 Prozent nach oben. "Die Sache entwickelt sich langsam zu einem Massenphänomen", sagt Kripo-Mann Reinhold Bergmann.

Es sind längst nicht mehr nur die kleinen Ganoven, die sich auf ältere Herrschaften spezialisiert haben: "Das sind richtige Banden, die gut durchorganisiert sind", sagt Bergmann, Leiter des Kommissariats für Trickdiebstahl. Momentan sei aus Norddeutschland die "Enkel-Trick-Masche" nach München geschwappt. "Da sitzt beispielsweise einer in Frankfurt und wertet CD-Roms mit Münchner Namen aus", sagt Bergmann. Und zwar nach alt-klingenden wie Gertrud oder Roberta.

Dort wird dann angerufen. Der Mann gibt sich als Enkel aus, und wenn die alte Dame fragt, "ach, du bist der Emil", braucht der Betrüger nur noch "ja" zu sagen. Es folgt ein einfühlsames Gespräch "zur Vertrauensgewinnung", und schließlich schüttet der Emil sein Herz aus: Dass er dringend Geld bräuchte für ein Auto oder eine Immobilie. "Oft schafft es der Anrufer tatsächlich, dass die Frau zur Bank geht und Geld abhebt."

"Emil" meldet sich wieder, fragt nach dem Geld, und dann folgt noch ein Anruf, in dem "Emil" sagt, dass er es leider nicht persönlich abholen könne, sondern einen Freund vorbeischicke. Währenddessen wird das Opfer von Komplizen vor Ort permanent beobachtet. "Wenn denen was auffällig erscheint und sie befürchten müssen, dass die Polizei eingeschaltet wurde, brechen sie sofort ab", weiß Reinhold Bergmann.

Polizei setzt auf Prävention

Erst Mitte November knöpfte so ein "Enkel" einer alten Frau 11 500 Euro ab. 37 Mal wurde dieser Trick seit Jahresanfang versucht. "In diesem Jahr", sagt Bergmann, "werden wir regelrecht überschwemmt." Zwei Gruppen arbeiten mit dem so genannten "Zettel-Trick". Zwei Männer und zwei Frauen gehen gezielt in der Nähe von Ausfallstraßen alte Frauen beim Einkaufen an.

Sie helfen beim Tragen der Tüten und fragen nach einem Zettel, weil man einem Nachbarn eine Nachricht hinterlassen müsste. Einmal in der Wohnung, lotsen sie die Opfer in die Küche und lassen die Türe offen, damit die Komplizen ungestört ausräumen können. "Auch ein Pärchen ist mit dem Zettel-Trick unterwegs, es hat bislang Geld und Wertgegenstände in Höhe von etwa 75.000 Euro erbeutet."

Durchschnittlich liegt die Schadenshöhe bei knapp 2500 Euro pro Diebstahl. Nicht selten geht dabei das ganze Ersparte der Senioren drauf. An Opfern mangelt es den dreisten Betrügern nicht: In München leben etwa 300.000 Menschen jenseits der 60. Allerdings haben es die Verbrecher schwerpunktmäßig auf 80- bis 85-Jährige abgesehen.

Aufklären kann die Polizei lediglich 30 Prozent dieser Fälle. "Es ist schwierig, die Täter zu schnappen", meint Bergmann, "aber nicht aussichtslos." Bei dem Pärchen wisse man beispielsweise, dass es sich um Polen handle. Es gibt einen Haftbefehl, doch die Täter seien örtlich nicht festzumachen, "was auch symptomatisch für diesen Deliktbereich ist". Schwierig sei die Aufklärungsarbeit auch deshalb, weil viele der betagten Opfer die Polizei zu spät anrufen, Probleme haben, den Täter wiederzuerkennen oder aus Scham gar keine Anzeige erstatten. Nach dem Betrug breche für viele eine Welt zusammen: Sachbearbeiter Michael Einsle erzählt, in den letzten Wochen hätten zwei Opfer nach solchen Vorfällen im Krankenhaus behandelt werden müssen.

Neben der Ermittlungsarbeit setzt die Polizei auf Prävention. Beim Projekt "Münchner Initiative gegen Trickdiebstahl" werden Senioren geschult, die dann als Multiplikatoren ihr Wissen weitergeben. Man trete auch an die Banken heran und bitte um Rückfragen, wenn ältere Kunden plötzlich hohe Beträge abheben. Denn perverserweise hätten die Täter viel Gespür: und zwar für diejenigen Senioren, die recht hilfsbereit, einsam oder krank sind und Geld auf der hohen Kante liegen haben.

© SZ vom 2.12.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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