Polizei rätselt über Motiv:Münchner stirbt bei versuchtem Anschlag

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Bei einem fehl geschlagenen Attentat auf einen Deutsch-Türken im bayerischen Barbing ist das einzige Opfer der 67-Jährige Täter.

Von Rolf Thym und Hans Kratzer

Bei einem versuchten Sprengstoffattentat in der Regensburger Kreisgemeinde Barbing ist in der Nacht zum Freitag der mutmaßliche Täter ums Leben gekommen. Der Anschlag galt offenbar einem 66-jährigen Diplomchemiker, der aber zum Zeitpunkt der Explosion nicht zu Hause war.

Sprengstoffexperten untersuchen in der Schwabinger Moltkestraße den Balkon des Bombenbastlers. (Foto: Foto: ddp)

An seinem Haus waren zwei weitere scharfe Bomben abgelegt, die Experten der Polizei mit so genannten kontrollierten Sprengungen zündeten. In einer Garage im Münchner Stadtteil Schwabing fand die Polizei zwei weitere Rohrbomben, die der mutmaßliche Täter gebaut gebaut haben soll.

In Regensburg wurde weiträumig die Gegend um ein abgestelltes Fahrzeug abgesperrt, das dem Mann aus Barbing gehört. Das Landeskriminalamt (LKA) hat noch keine Hinweise auf ein Motiv für die Tat.

Drei Bomben mit Motorrad transportiert

Bei dem Toten handelt es sich nach Angaben der Polizei um einen 67 Jahre alten Bauingenieur aus München. Nach Erkenntnissen des LKA ist er in der Nacht zum Freitag mit seinem Motorrad nach Barbing gefahren - im Gepäck drei Eigenbau-Rohrbomben.

Am Sportplatz stellte er die Maschine ab und trug die Bomben zum 500 Meter entfernten Wohnhaus des Chemikers. Dort installierte er zunächst zwei der Sprengsätze auf der Terrasse des Hauses. Beim Versuch, die dritte Bombe unter einem Kleinbus anzubringen, der dem Chemiker gehört, explodierte der Sprengsatz gegen zwei Uhr nachts. Der Bombenleger war auf der Stelle tot.

Der Kleinbus und ein daneben geparktes Auto wurden durch die Wucht der Detonation erheblich beschädigt. Aus dem Schlaf geschreckte Nachbarn entdeckten die zerfetzte Leiche und alarmierten die Polizei, die das Wohngebiet umgehend evakuierte und absperrte.

Weitere Bombe mit Roboter entschärft

Gut eine Stunde nach der Detonation trafen Sprengstoffexperten des LKA in der 4600-Einwohner-Gemeinde ein. Ihnen gelang es nicht, die mit einem komplizierten Bewegungszünder ausgerüsteten Rohrbomben auf der Terrasse des Hauses gefahrlos zu entschärfen.

Mit Hilfe eines ferngelenkten Roboters brachten Mitglieder der "technischen Sondergruppe" des LKA die beiden Sprengfallen zur Explosion. Dabei flog ein Metallteil gut 300 Meter weit und richtete geringfügigen Schaden an einem Hausdach an.

Unterdessen hatten Polizisten das am Barbinger Sportplatz abgestellte Motorrad mit Münchner Kennzeichen entdeckt. Eine Halterfeststellung führte sie auf die Spur des 67Jahre alten Bauingenieurs aus München-Schwabing.

Die Polizei geht davon aus, dass der Mann mit hoher Wahrscheinlichkeit der getötete Bombenleger ist. Eine zweifelsfreie Identifizierung stand am Freitagnachmittag jedoch noch aus.

Keine Bastlerbomben

In einer Garage des Getöteten in der Münchner Destouchesstraße fand die Polizei zwei fertige Rohrbomben. Die in Barbing aufgefundenen Sprengsätze waren nach Einschätzung von LKA-Chefermittler Josef Geißdörfer professionell gebaut worden. Sie seien "nicht als Bastlerbomben" einzustufen.

Mit größter Vorsicht drangen Sprengstoffexperten in München in die Wohnung des 67-Jährigen vor, in der weitere Bomben vermutet wurden. Auch dort wurden verdächtige Gegenstände gefunden.

Insgesamt sieben Häuser in der Destouchesstraße wurden sicherheitshalber geräumt. Zeitweilig war 500 Nachbarn der Weg zu ihren Wohnungen versperrt. In Barbing evakuierte die Polizei mehrere Straßenzüge.

Opfer kehrt aus Urlaub zurück

Wenige Minuten vor einer am frühen Freitagnachmittag angesetzten Pressekonferenz des LKA in Regensburg fand die Polizei dann auch den 66-jährigen Chemiker, dem der Bombenanschlag in Barbing offensichtlich gegolten hatte: Der Mann war gerade von einer Reise mit seinem Zweitwagen zurückgekehrt.

Polizisten fanden das geparkte Auto im Osten von Regensburg. Das umliegende Wohnviertel wurde daraufhin ebenfalls weiträumig abgesichert. Zur Überraschung der Polizei meldete sich der Chemiker an der Absperrung und wollte zu seinem Wagen vorgelassen werden.

Die Beamten baten den Mann umgehend zur Vernehmung in die Polizeidirektion. Durch die Aussage des 66-Jährigen erhoffen sich die Ermittler eine rasche Aufklärung des bislang mysteriösen Falles - auch durch Ermittlungen im persönlichen Umfeld des mutmaßlichen Bombenlegers und des Chemikers.

Ermittler prüfen Beziehung zwischen Opfer und Täter

Bis zum Freitagabend blieben die Hintergründe der Tat jedoch völlig unklar. Der Regensburger Leitende Oberstaatsanwalt Johann Plöd sagte, man ermittle in alle Richtungen. Zwischen den beiden geschiedenen Männern soll es eine Beziehung gegeben haben - ob sie persönlicher oder geschäftlicher Art war, stand aber zunächst nicht fest.

Für einen ausländerfeindlichen oder terroristischen Hintergrund - der Chemiker ist ein Deutscher türkischer Abstammung - hatten die Ermittler aber keine Anhaltspunkte.

© SZ vom 13.8.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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