Politische Debatte :Die kleinen und die großen Dinge

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Der damals noch von Autos umbrauste Schrannenplatz war das erste Foto der SZ Erding am 3. Mai 1977. Landrat Simon Weinhuber steuerte ein Grußwort bei. (Foto: SZ-Repro)

Manche Themen der allerersten Ausgabe der Erdinger SZ - damals noch die "Erdinger Neueste Nachrichten" - würden heute niemanden interessieren, manche sind immer noch hochaktuell.

Von Mathias Weber

Journalisten sind auch nur Menschen. Das merkt man gleich in der ersten Ausgabe des Erdinger Lokalteils der Süddeutschen Zeitung, erschienen am Dienstag, 3. Mai 1977. Irgendwann nämlich hört jeder Journalist, ob in der Ausbildung oder später in der Redaktion, den Hinweis, dass man keine Zitate als Überschriften verwenden soll; das sei uninspiriert und man mache es sich ziemlich einfach. Mag sein, aber ausgestorben sind solche Überschriften nie. Und auch in der allerersten SZ Erding - damals noch "Erdinger Neueste Nachrichten" - haben es sich die Redakteure nicht verkneifen können, ein gesalzenes Zitat über den ersten großen Artikel zu stellen.

Der erste große Artikel der Erdinger SZ beginnt mit einem gesalzenen Zitat

"Ein Stadtrat, der ins eigene Nest macht", steht da, und das macht dann doch Lust weiterzulesen. In Dorfen spielt die Geschichte: Da beschwert sich die CSU in der Stadt öffentlich, dass der Bauhof nicht richtig geführt werde - kritisiert wird die "mangelnde personelle und maschinelle Ausstattung". Der Dorfener Chef des Bauhofs, Sepp Wimmer, der auch der SPD in der Stadt vorsteht, keilt zurück: Er lasse sich nichts in die Schuhe schieben von Leuten, "die nichts verstehen". Auch das Überschriften-Zitat stammt von ihm. Der Streit um den Bauhof bleibt zwar trotz der starken Worte eine Episode - im Dorfener Stadtrat streitet man sich heute aber immer noch gerne, und die Journalisten berichten genauso gerne drüber.

Fast ebenso vergessen sind einige andere Themen der ersten Ausgabe, die den Mitarbeitern damals nur wenige Zeilen wert waren: der "schlechte Zustand" der Schnauppinger Feuerwehrkasse, ein Zuschuss der Gemeinde Taufkirchen für den FC Moosen in Höhe von 10 000 Mark und den geplanten Kanalbau in Forstern. Weniger zeitlos - fast prophetisch - ist allerdings ein Artikel, der sich auf der dritten Seite der ersten Ausgabe findet und den Leser 40 Jahre später staunen lässt. Es geht um ein Thema, das den Landkreis seit Jahrzehnten beschäftigt und noch Jahrzehnte beschäftigen wird. Es geht um die Infrastruktur, es geht um die Autos, es geht um Bahnen, und es geht um die Flugzeuge. "Landkreis fordert Straße und Schiene zum Großflughafen" lautet die Überschrift des Artikels.

Dass der Flughafen ins Erdinger Moos kommen sollte, war den Bürgern im Jahr 1977 schon klar. Seit vier Jahren lief das Planfeststellungsverfahren, das sich noch einige Jahre hinziehen sollte. Bekannt war damals auch, dass es zwei so genannte Flughafentangenten geben solle, eine östliche und eine westliche. Der Landkreis aber wollte mehr, wie aus dem allerersten Flughafen-Artikel zu entnehmen ist: Der Struktur- und Umweltausschuss des Kreistages habe "mit Nachdruck" seine Forderung nach einer Anbindung des geplanten Großflughafens an das Straßennetz bekräftigt. Die Vorstellung des Landkreises: Eine "angemessene Straßenanbindung des Flughafens von Osten" sei "nur über die Einführung der B 388 (Abzweigung bei Grünbach) in das Flughafengelände zu erreichen".

Was da so lapidar gefordert wird, ist 40 Jahre später schon fast Realität: Die Erdinger Nordumfahrung ist aus dem Projekt geworden, tatsächlich die Straße, die die B 388 nach Grünbach mit der Flughafentangente verbindet. Sie soll in der Tat eine bessere Anbindung für den östlichen Landkreis an den Flughafen bringen. Eins aber hat sich geändert: Damals hatte der Landkreis die Straße noch "in Übereinstimmung mit den betroffenen Gemeinden" gefordert - heute wehrt sich Bockhorn gegen die Straße, man befürchtet mehr Durchgangsverkehr. Aber die Straße kommt: Das Planfeststellungsverfahren läuft.

Auch für ein zweites Projekt, von dem die Lokalpolitiker schon 1977 träumten, läuft derzeit ein Planfeststellungsverfahren: der S-Bahn-Ringschluss. In demselbem eher unscheinbaren Artikel, in dem die Straße zum Flughafen gefordert wird, heißt es, dass der Kreistagsausschuss eine "strukturwirksame Anbindung des Flughafens (. . .) auch durch die Schiene" fordere. "Der Landkreis Erding wiederholt daher auch diesbezüglich seine bereits 1974 erhobene Forderung nach Weiterführung der Flughafen-S-Bahn nach Erding (Ringschluß)", wird die Stellungnahme des Kreistags an die Staatsregierung zitiert.

Die Nordumfahrung wünschten sich die Politiker schon vor 40 Jahren

Offenbar dachte man damals den Ringschluss vom Flughafen und gar nicht so sehr von Erding her. Heute sieht man die S-Bahnen ja eher von Süden durch Erding zum Flughafen fahren, nicht andersrum. Aber welche Route man auch immer zwischen dem Flughafen und Erding nimmt - im historischen Vergleich war der Landkreis noch nie so nahe an der Verwirklichung des Projektes wie heute.

Der Weg dorthin aber war lang, und es wurde viel versprochen, wie ein Blick in das Archiv zeigt. Zwar taucht der Begriff "Ringschluss" immer wieder wie ein Gespenst auf, richtig konkret wird es aber um die Jahrtausendwende. Ende September 2001 lädt Staatsminister Hans Zehetmair zusammen mit Wirtschaftsminister Otto Wiesheu zur Pressekonferenz ins Erdinger Landratsamt. Zu verkünden haben die beiden CSU-Politiker "Konkretes und Handfestes", wie es damals hieß: Mit der Deutschen Bahn AG soll es einen Kooperationsvertrag geben, sodass der Ringschluss - und sogar die Anbindung an die Bahnstrecke nach Mühldorf - innerhalb der nächsten zehn Jahre realisiert werden kann. Es wäre "das vielleicht letzte Kapitel einer unendlichen Geschichte", wie die Überschrift damals in der SZ Erding hieß.

Wie man sich irren kann: Das letzte Kapitel der Geschichte war das leider nicht - und so schnell, wie erhofft, ging es auch nicht mit dem Ringschluss.

© SZ vom 05.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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