Plan B:Die Welt ein bisschen süßer machen

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Seinen Flugschein machte Andreas Mohrs bei der Bundeswehr. Mittlerweile fliegt er häufig über den Atlantik. (Foto: Robert Haas)

Sozial engagierter Pilot mit ausgeprägtem Geschäftssinn: Seine Flüge nach Südamerika nutzte Andreas Mohrs, um Kontakte mit Kakaobauern zu knüpfen - heute verkauft er Fairtrade-Schokolade

Von Stefan Galler, Ottobrunn

Ein Pilot, der mit Schokolade handelt, Wert auf Nachhaltigkeit legt und sich nicht nur um seine eigene Zukunft sorgt, sondern auch um jene von Kindern aus der Dritten Welt? Klingt zunächst mal kurios, doch wenn man Andreas Mohrs zuhört, wird ganz schnell klar, worum es dem 46 Jahre alten Wahl-Münchner geht.

Den Impuls, ins Schokoladengeschäft einzusteigen, erhielt Mohrs, als er auf einer seiner Reisen in die Elfenbeinküste viele Kinder auf den Kakaoplantagen schuften sah, darunter zehnjährige Buben, die zentnerschwere Säcke durch die Gegend schleppten. "Ich habe erfahren, dass alleine in Westafrika derzeit etwa 2,2 Millionen Heranwachsende Sklavenarbeit leisten. Die Bauern, die teilweise 15 Kinder haben, müssen aus lauter Not welche davon verkaufen, um die anderen durchzubringen", erklärt Mohrs. Da wurde ihm klar, dass er, der erfolgreiche Pilot, für diese Menschen etwas tun wollte. Sein Plan stand fest: Er hatte vor, künftig selbst etwas aus dem Rohstoff Kakao zu machen und all denen den Kampf anzusagen, für die es in dieser Branche nur um Profit und Ausbeutung geht.

Die Idee war bereits vor rund zehn Jahren entstanden, nach und nach spann der gebürtige Rheinländer weiter an seinem Traum, irgendwann selbst fair gehandelte Schokoladenprodukte herzustellen und zu verkaufen. Es ging ihm nicht nur darum, Gutes zu tun, daraus macht Mohrs keinen Hehl. Er war auch auf der Suche nach einem zweiten Standbein, einem "Plan B", wie er es nennt. "Den brauche ich vor jeder Landung für den Fall, dass ich das Flugzeug nicht aufsetzen kann. Und den brauche ich auch, was meinen Job generell betrifft." Denn der Beruf des Piloten ist keiner, denn man ohne weiteres bis ins hohe Alter ausüben kann: Gesundheitliche Probleme, etwa mit den Augen, können schnell zum Entzug der Lizenz und zu einem unfreiwilligen Karriereende führen.

Begonnen hatte Mohrs seine Laufbahn auf dem zweiten Bildungsweg: Er stammt aus einem Eisenbahnerhaushalt in der Eifel: "Ich wollte Lokführer werden, zumindest, bis ich mit 16 erstmals in einem Flugzeug gesessen bin. Dann war es um mich geschehen." Er schloss seine Lehre zum Maschinenschlosser ab, machte den Realschulabschluss; doch jene 120 000 Euro, die eine Pilotenausbildung damals gekostet hätte, hatten seine Eltern nicht. Den Flugschein machte er schließlich bei der Bundeswehr. Er flog jahrelang die Transall und wechselte nach acht Jahren zu Deutschlans größter Fluglinie.

Seine Spezialität sind mittlerweile Reisen über den Atlantik, insbesondere nach Mittel- und Südamerika. Und das passte natürlich optimal zu der Idee mit dem Schoko-Handel. Mohrs nutzte also seine beruflichen Reisen später dazu, um direkte Kontakte zu knüpfen. "In Südamerika gibt es den besten Kakao der Welt, deshalb habe ich mich dazu entschieden, von dort zu importieren."

Er baute sich ein regelrechtes Netzwerk auf, sowohl in Kolumbien, als auch in Bayern, wo er in Rott am Inn die Schokolade zubereiten lässt, von hier ansässigen Biobauern die Milch und von einer Kaffeerösterei in Murnau den Kaffee bezieht. Die perfekten Räumlichkeiten für seinen ersten Laden fand er in der Rosenheimer Landstraße in Ottobrunn. Nach nervenaufreibenden Jahren der Vorbereitungen eröffnete Mohrs im September 2015 sein "Chocion"-Geschäft und ist stolz, sagen zu können, dass das Konzept sofort aufgegangen ist: "Die Ottobrunner haben es angenommen, wir haben von Anfang an mit dem Laden und dem Onlinehandel schwarze Zahlen geschrieben." Dabei setzt Mohrs auf regional geprägte Produkte wie die mit Pralinien gefüllten Ottobrunn-Kaffeehaferl, oder die König-Otto-Schokotaler, die in kürzester Zeit ausverkauft waren. Mohrs ist kreativ: In seinen Läden gibt es nichts, das es nicht gibt. Der Eiffelturm, eine Bierflasche, ein Formel-1-Auto oder ein Fußball in Originalgröße - alles aus Schokolade. Durch seine Kontakte sicherte er sich sogar die Erlaubnis, den Airbus 350 als Miniatur-Nachbildung herzustellen. Auch mit dem Event-Unternehmer Jochen Schweizer und der in Neubiberg ansässigen Elektronikfirma Infineon ist Mohrs gerade dabei, Kooperationen zu schmieden.

Mittlerweile ist "Chocion" auch im Werksviertel am Münchner Ostbahnhof vertreten, mit einem kleinen Laden, in dem es auch Speiseeis gibt, sowie einer Kaffeebar. "Neu ist, dass ich auch die Kaffeebohnen jetzt aus Kolumbien beziehe, von den gleichen Bauern, die auch den Kakao anbauen", sagt Mohrs.

Mit den Landwirten in Südamerika verbindet ihn ein freundschaftliches Verhältnis, was auch daran liegt, dass er ihnen den vier- bis sechsfachen Marktpreis bezahlt. "Wir handeln für jede Tranche immer einen festen Preis aus, den wir bezahlen, auch wenn sich die Rohstoffpreise an den Börsen verändern. Das gibt den Bauern dort Planungssicherheit."

Darüberhinaus legt Mohrs für jeden Kakao-Container, der aus Südamerika nach Europa transportiert wird, zehn Prozent des Preises, den er bezahlen müsste, freiwillig oben drauf: Dieses Geld wird dann fest in die Infrastruktur oder spezielle Projekte in Kolumbien investiert. Aktuell finanziert der Schokohändler eine Bewässerungsanlage für die Anbaugebiete im Norden des Landes; zuvor haben die Bauern bereits eine Fermentierungsanlage für den Kakao-Rohstoff erhalten, auch vier Schulbusse hat Mohrs bereits für die Kinder dort gekauft. Und weil Busse gar nicht in allen Gegenden Sinn machen, hat Mohrs aus eigener Tasche für Kinder aus besonders entlegenen Gegenden insgesamt 63 Esel angeschafft - damit die Kleinen den Schulweg in zwei statt in vier Stunden bewältigen. "Dort gibt es keine richtigen Straßen, die Kinder laufen durch den Tropenwald", sagt Mohrs.

Genau solche Probleme will der sozial engagierte Pilot mit dem ausgeprägten Geschäftssinn beheben. Und damit die Welt wenigstens ein kleines bisschen besser machen.

© SZ vom 24.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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